Hamburg. Die Pflegeberufeschule am Wilhelmstift bildet noch gezielt für die Pädiatrie aus. Denn Kinder haben andere Bedürfnisse als Erwachsene.

Seit Wochen gibt es nun schon Krisenmeldungen, weil die Kinderarztpraxen überlaufen sind, weil Intensivbetten für Kinder fehlen und die Notaufnahmen in Kliniken an ihre Grenzen gelangen.

Frederike Neuffer kann diese Probleme auch nicht von jetzt auf gleich abstellen, aber sie und ihre Kolleginnen und Kollegen an der Pflegeberufeschule am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Rahlstedt sorgen immerhin dafür, dass es Nachschub gibt – bei den Pflegekräften, die sich um kranke Kinder kümmern. Die 38-Jährige leitet die Pflegeberufeschule am Wilhelmstift, das mit 261 Betten zu den größten Kinderkliniken Norddeutschlands zählt. Das Besondere an der Einrichtung: Dort wird als Vertiefung der Pflegeausbildung noch Kinderkrankenpflege unterrichtet.

Hamburger Klinikhelden: Die Pflegeausbildung hat sich geändert

„Die Regel ist, dass generalistisch ausgebildet wird und dass man heutzutage Pflegefachfrau oder Pflegefachmann wird und sich weniger junge Menschen für den Beruf der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder des Gesundheits- und Kinderkrankenpflegers spezialisieren und diesen Spezialabschluss wählen.“

Doch die Spezialisierung auf die Kleinsten sei wichtig, „weil Kinder andere Bedürfnisse haben als Erwachsene. Sie stehen an einem ganz anderen Punkt der Entwicklung und das muss natürlich bei allen Maßnahmen mit berücksichtigt werden. Sie können nicht antworten, nicht reden, nicht darstellen, wo genau die Schmerzen sind oder was sie für Schmerzen haben. Und wir müssen halt versuchen, diesen Körper der Kinder zu lesen und rauszufinden, wo das Problem ist und wo sie Hilfe brauchen“, sagt die Schulleiterin. Für diese Arbeit seien aber spezielle Kompetenzen nötig.

Nach zwei Jahren ist eine Spezialisierung möglich

Bei allen, die in die Pflegeausbildung gehen, seien die ersten zwei Jahre generalistisch aufgebaut, erklärt Frederike Neuffer. Man lerne zwei Jahre lang die Pflege aller Menschen, „und bei uns lernt man dann im dritten Ausbildungsjahr nur noch die Pflege von Kindern“. Die Auszubildenden seien dann ausschließlich auf Kinderstationen tätig und beschäftigten sich auch in der Theorie, also im Unterricht, nur noch mit der Kinderheilkunde, der Pädiatrie, wenn sie dies so wählen.

Das Modell der Generalistenausbildung gibt es ihren Angaben zufolge seit 2020. Dass es künftig fast nur noch Generalisten geben wird, sei nicht unproblematisch, sagt Neuffer: „Das ist ein Thema, mit dem wir uns gerade sehr stark beschäftigen. Nächstes Jahr sind die ersten Abgänger der generalistischen Kurse fertig, die dann die Ausbildung zur Pflegefachfrau oder Pflegefachmann gewählt haben und die sich dann bei uns im Haus bewerben.“

Lara Grohs und ihr ganzer Kurs haben sich entschieden

Die Ausbildung sehe vor, dass alle einen Einsatz von 120 Stunden in der Pädiatrie haben. „Das heißt aber nicht, dass sie 120 Stunden in einem Kinderkrankenhaus, sondern zum Beispiel 120 Stunden in einer inklusiven Kita gearbeitet haben. Und das bedeutet für uns natürlich, dass sie ganz anders angeleitet werden müssen, wenn sie als examinierte Fachkraft auf den Stationen sind. Sie haben die Arbeit in einer Kinderklinik, auf einer Kinderstation nicht kennengelernt und müssen natürlich mehr an die Hand genommen werden.“

Lara Grohs hat sich mit ihrem gesamten Kurs, in dem nur noch Frauen sind, für den Zweig der Kinderkrankenpflege entschieden. Die 22-Jährige ist im zweiten Ausbildungsjahr an der Pflegeberufeschule am Wilhelmstift. „Am Anfang hatten wir zwei Männer im Kurs, aber innerhalb der Probezeit sind viele gegangen. Wir haben mit 23 Schülerinnen gestartet und sind jetzt nur noch zwölf.“ Nicht alle seien mit den schulischen Anforderungen zurecht gekommen. „Innerhalb des ersten halben Jahres werden schon sehr viele Klausuren geschrieben. Und die sind anders aufgebaut als in der Schule, die sie vorher kennengelernt haben. Und da tun sich einige schwer.“ Die theoretischen Anforderungen seien schon sehr hoch.

Dazu komme, dass man nach dem theoretischen Einführungsblock gleich in die Praxis müsse, diesen Anforderungen auf den Stationen sei auch nicht jeder gewachsen, sagt die junge Frau. „Und manchmal dauert es auch ein bisschen, sich in diesem Kliniksystem zurechtzufinden. Das kriegen wahrscheinlich Manche auf die Schnelle nicht so hin.“

Bei der Arbeit sei Kreativität gefordert, sagt Grohs

Den Fachkräftemangel und die Personalengpässe merke man überall, auch im Wilhelmstift, sagt ihre Ausbildungsleiterin: „Die Lage ist angespannt. Aber umso mehr freuen wir uns natürlich über jeden, der den Schritt in die Ausbildung geht und der tatsächlich später dann als Fachkraft mit an unserer Seite steht und dafür sorgt, dass die Kinder und Jugendlichen gut versorgt werden“, sagt Neuffer.

Lara Grohs bekommt die Engpässe derzeit hautnah mit: „Viele Kinder sind krank, auch viel Personal ist krank momentan.“ Dadurch sei die Arbeit natürlich anstrengend. „Aber das heißt nicht, dass ich den Beruf nicht gerne mache“, betont sie. Was sie daran besonders fasziniert: „Es wird niemals langweilig. Man geht immer gern zur Arbeit und es ist immer irgendwas anderes. Und besonders mit Kindern fühle ich mich immer wohl.“ Bei der Arbeit mit ihnen müsse man immer kreativ sein, dann müsse auch mal das Stofftier inhalieren oder bei der Pflege helfen.

Wer kranke Kinder pflegt, braucht besondere Kompetenzen

Dabei sei sie ein wenig auf Umwegen zu ihrer Berufswahl gekommen, sagt die gebürtige Lübeckerin. Sie habe ein Praktikum im Kreißsaal gemacht und dabei auch die Neonatologie, die Station für Früh- und Neugeborene, kennengelernt. Weil sie beim Hebammenstudiengang keinen Platz bekam, meldete sie sich bei der Agentur für Arbeit. „Ich habe gefragt, was denn eine Alternative wäre und da wurde mir sofort die Pflege genannt.“

Zu den besonderen Kompetenzen, die man in der Kinderkrankenpflege mitbringen muss, sagt Frederike Neuffer: „Genau wie bei Frau Grohs: Dass man einfach merkt, hier bin ich richtig, hier fühle ich mich wohl und ich bin einfach glücklich in dem, was ich tue.“ Man schaue man nicht nur auf die Erkrankung des Kindes, sondern auf das ganze Kind mit der Familie und den Geschwistern.

Der Wechsel hin zu Generalisten war politisch gewollt

Lara Grohs, die sich für den spezialisierten Abschluss entschieden hat, erwirbt damit einen deutschlandweit anerkannten Abschluss als Gesundheits und Kinderkrankenpflegerin. Im dritten Ausbildungsjahr stehen laut Neuffer die Krankheitsbilder von Kindern im Mittelpunkt: „Da können wir das kranke Frühgeborene, das kranke Neugeborene angucken, onkologische Krankheitsbilder und die Pflege dazu. Dafür bleibt sonst einfach in den ersten zwei Jahren der generalistischen Ausbildung keine Zeit. Und das holen wir dann im dritten Jahr sozusagen auf.“

Der Wechsel in der Ausbildung hin zu Generalisten sei eine politische Entscheidung gewesen, sagt die Leiterin der Pflegeschule. In einigen europäischen Ländern sei das schon länger üblich und man habe einen europaweit anerkannten Abschluss gewollt, um den Übertritt in ein anderes EU Land zu erleichtern.

Es gibt viel mehr Frühchen als früher

Neuffer hält die Spezialisierung der Pflegekräfte auf die Pädiatrie dennoch für sinnvoll: Sie sei auch aufgrund geänderter Krankheitsbilder bei Kindern wichtig, sagt sie, denn es gebe beispielsweise mehr psychische Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen, aber auch mehr Frühgeborene als vor 20, 25 Jahren – und diese seien zudem immer jünger, immer kleiner, immer leichter, mit komplexeren Krankheiten. Und auf diese Entwicklungen reagiere man auch in der Ausbildung.

Aber auch viele Eltern seien heutzutage stärker verunsichert, wenn ihre Kinder krank sind, so die Erfahrung von Frederike Neuffer und Lara Grohs. Während man es früher erst mal mit Kamillentee und Wärmflasche versucht habe, kämen Eltern inzwischen häufig sofort in die Notaufnahme. „Früher haben die Großeltern mit im Haus gewohnt, haben unterstützt bei der Pflege der Kinder“, sagt Frederike Neuffer. In Hamburg seien aber oft beide Eltern berufstätig und Oma und Opa weit weg. „Dann ist es halt einfach schwierig und kompliziert mit einem kranken Kind zu Hause.“

Hamburger Klinikhelden: Viele Eltern sind unsicher und kommen in die Notaufnahme

Und manchmal sei die Unsicherheit zu groß ist, um noch eine Nacht abzuwarten, also kämen die Eltern mit ihrem Kind in die Notaufnahme. „Was sie allerdings nicht bedenken, ist, dass man auch im Krankenhaus natürlich Wartezeiten hat. Dann sitzen sie da häufig lange. Da wird ganz klar priorisiert“, sagt die Pflegeschulleiterin.

Wenn die Kinderarztpraxis geöffnet ist, sei diese stets der erste Ansprechpartner: „Die Arzthelferinnen machen immer eine Ersteinschätzung. Die fragen sonst noch mal, halten Rücksprache mit dem Kinderarzt. Wenn ich aber das Gefühl habe, dass schnell reagiert werden muss, dass es meinem Kind wirklich schlecht geht, dass es unbedingt schnell Hilfe braucht, dann rufe ich auch im Zweifel mal einen Rettungswagen. Für die meisten Erkrankungen, die die Kinder auch gerade in dieser Jahreszeit haben, ist der erste Ansprechpartner einfach der Kinderarzt“; sagt Neuffer.

Ausbildungsstart ist am 1. Februar 2023, Bewerbungsschluss: 15. Januar 2023. Zugangsvoraussetzungen Mindestalter: 17,5 Jahre (wegen Schichtdienst), Mittlerer Schulabschluss oder Erster allgemeiner Schulabschluss zusammen mit einer erfolgreich abgeschlossenen, mindestens zweijährigen Berufsausbildung, Spaß an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. www.kkh-wilhelmstift.de/ausbildung