Hamburg. Hoher Krankenstand belastet die Einrichtungen. Nun appelliert die Sozialbehörde an Eltern. Nicht alle reagieren mit Verständnis.

Die vielen akuten Atemwegserkrankungen mit Fieber, Husten oder Halsschmerzen haben auch massive Auswirkungen auf den Kita-Betrieb in Hamburg. Nicht nur viele Kinder sind krank, sondern auch eine Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Weil dadurch viel pädagogisches Personal fehlt, kommt es in zahlreichen Kitas zu Einschränkungen in der Betreuung. Einzelne Kitas bitten die Eltern bereits, ihre Kinder gar nicht erst zu bringen und selbst zu betreuen.

Jana E. braucht gerade einen verständnisvollen Chef, denn im Moment ist sie froh, wenn ihre kleine Tochter die Kita wenigstens für ein paar Stunden besuchen kann. Wie ihr geht es derzeit auch vielen anderen Eltern von Kindergartenkindern. Die vielen akuten Atemwegserkrankungen derzeit haben erhebliche Auswirkungen auf den Kita-Betrieb.

Zunächst waren vor allem die Kinder in der Kita von Jana E. betroffen. „Die Ansteckungsgefahr ist sehr hoch, daher bitten wir darum, die Kinder erst in die Kita zu bringen, wenn sie wieder gesund sind“, lautete der Warnhinweis in der App der Kita in Eimsbüttel. Nach und nach steckten sich jedoch immer mehr Erzieherinnen an und die Ausfälle, die zunächst noch durch das vorhandene Personal abgefedert werden konnten, häuften sich. Schließlich erreichte die Eltern die Nachricht, dass die Öffnungszeiten der Kita zwei Stunden verkürzt werden müssen.

Krankenstand in Hamburgs Kitas höher als in den Vorjahren

Vier Tage später konnte auch das nicht mehr gewährleistet werden. „Wir können bis zum Ende der Woche nur eine Notbetreuung anbieten“, teilte die Kita-Leitung mit. Statt 15 durften nur noch fünf Kinder pro Tag die Einrichtung besuchen. Die Betreuungszeit wurde zudem um eine weitere Stunde verkürzt. „Für uns Eltern bedeutete das schnelles Umorganisieren, da jedes Kind im Schnitt nur noch an einem von drei Tagen für ein paar Stunden betreut werden konnte, sagt Jana E.

Viele Kitabetreiber haben derzeit erhebliche Probleme. Katrin Geyer, Sprecherin der Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH, sagte auf Anfrage, einen aktuellen Überblick über den Krankenstand bei den rund 7000 Mitarbeitenden könne man erst zum Ende des Quartals benennen, aber in den Monaten Januar bis September 2022 habe er durchschnittlich 14,68 Prozent betragen und damit in diesem Jahr höher als in den Vorjahren gelegen.

Kita-Gruppen müssen zusammengelegt werden

In solchen Hochphasen von Erkrankungen könne es dazu kommen, dass auch einmal Gruppen zusammengelegt werden oder die Betreuung im Früh- und/oder Spätdienst eingeschränkt werden müsse, sagt Geyer. Andere Faktoren wie aufgestaute und nachzuholende Urlaube, die infolge der Corona-Wellen nicht angetreten werden konnten, verschärften die Situation noch.

„Die dauerhaft angespannte Personaldecke stellt die Kitas vor große Herausforderungen in der Personaleinsatzplanung. Wir sind uns der Verantwortung für die Familien natürlich bewusst. Unsere Kitas versuchen daher stets, auf enge Personalsituationen flexibel zu reagieren“, so die Elbkinder-Sprecherin.

Wenn aber Leistungen, insbesondere die Betreuungszeiten und -umfänge, personell nicht mehr zu organisieren seien, würden notwendige Einschränkungen vorgenommen. „Die Situation ändert sich jedoch von Tag zu Tag. Geschlossen werden musste keine Kita der Elbkinder.“

Viele Eltern sind verständnisvoll, aber nicht alle

Geyer sagt auch, die Eltern hätten überwiegend Verständnis, da die Situation hamburgweit sehr angespannt sei und die Eltern nicht selten selbst von Erkältungskrankheiten oder Infektionen betroffen seien. Wenn es aufgrund wiederholter Engpässe zu Störungen oder Einschränkungen bei der Betreuung kommt, gebe es aber auch deutliche Unmutsbekundungen oder klar formuliertes Unverständnis. „Diese Fälle sind aber in der klaren Minderheit. Selbstverständlich bemühen wir uns stets, Leistungseinschränkungen nachvollziehbar zu begründen“, sagt die Sprecherin der Elbkinder-Kitas. Eine Entspannung sei derzeit nicht absehbar.

Der Krankenstand im Kollegenkreis sei höher als vor der Corona-Pandemie, sagt auch Jens Petri, Vorstand der Ballin-Stiftung, die 20 Kitas betreibt. Das führe zu vorübergehenden Betreuungseinschränkungen. „Das kann sich allerdings im Wochentakt ändern, da wir natürlich alles tun, um die Betreuung aufrecht zu erhalten. Die Dauer der aktuellen Infektionswelle lässt sich schwer vorher sagen, der Winter beginnt ja gerade erst.“

Fachkräftemangel sorgt auch für Probleme

Dazu werde das Problem durch den zunehmenden Mangel an Fachkräften verstärkt. Insofern sei es schwer, eine seriöse Prognose abzugeben, wann sich die Lage wieder normalisiert, so Petri. „Für die Eltern stellt das in aller Regel eine zusätzliche Belastung dar. Dennoch stoßen wir auch immer wieder auf Verständnis.“

Ähnlich belastet ist das Kita-Werk Hamburg-West/Südholstein, das 64 Kitas betreibt. „In vielen Kitas gibt es immer wieder Betreuungseinschränkungen oder zumindest immer wieder die Bitte an die Eltern, die Kinder früher abzuholen oder gar nicht erst zu bringen. In manchen Kitas müssen Gruppenzeiten reduziert werden oder es kommt zu einzelnen Gruppenschließungen. In manchen Kitas gibt es Notgruppen. In anderen wird lediglich versucht, den Früh- oder Spätdienst einzuschränken“, sagt Monika Rulfs, Sprecherin des Ev.-Luth. Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein.

Die Kitaleitungen planten von Tag zu Tag – so wie die Krankmeldungen eben reinkämen. In kleinen Kitas liegt der Krankenstand laut Rulfs zum Teil bei über 50 Prozent. „Im gesamten Kita-Werk Hamburg-West/Südholstein sind aktuell 392 von 1400 Mitarbeitenden krank.“ Aufgrund der hohen Belastung in den Kitas, der zum Teil nicht besetzten Stellen und des hohen Krankenstandes rechne sie kurzfristig nicht mit einer Entspannung.

Krankmeldungen kommen meist kurzfristig

Für die Eltern sei das schwierig, weil oft erst am Morgen, wenn eine Krankmeldung reinkommt, eine Entscheidung möglich sei. Eine Regionalleiterin beschreibt es laut Rulfs so: „Die Eltern stehen unter Druck und bringen ihre (halb-)kranken Kinder in die Kita, woraufhin sich die anderen Kinder und die Mitarbeitenden anstecken, das Personal ausfällt, die Betreuung eingeschränkt werden muss, und der Druck der Eltern noch größer wird.“

Auch Uta Mette vom Vorstand der Stiftung Finkenau, die 31 Kitas mit etwa 570 Mitarbeitern betreibt, berichtet von verkürzten Öffnungszeiten in den Kitas, die man derzeit oft nur anbieten könne: „Die Grippe erwischt Kinder und Mitarbeitende, es ist eindeutig eher Grippe oder RSV als Corona.“ Das sei in der ganzen Stadt das gleiche, ob in Lokstedt, Barmbek, Eidelstedt oder Rothenburgsort“, sagt Mette. Eltern seien vielfach verständnisvoll, andererseits würden aber auch Kinder in die Einrichtungen geschickt, die ins Bett gehörten“, beklagt auch sie.

Behörde appelliert an Eltern

Martin Helfrich, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, richtete noch einmal einen Appell an die Eltern der Kita-Kinder: „Kranke Kinder gehören nicht in die Kita. Es ist für das Kind nicht gut und es besteht die große Gefahr, dass es andere ansteckt.“ Das habe vor der Coronapandemie gegolten und das müsste spätestens jetzt jedem klar sein: „Kranke Kinder gehören ins Bett.“

Ob die Weihnachtstage für eine Entspannung sorgen können, sei noch unklar, meint Helfrich. Dann würden die Kitas zwar ein paar Tage schließen, aber dafür sei bei den Familientreffen die Gefahr der Ansteckung natürlich da.

Belastung der Kliniken extrem hoch

Aus der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass die Zahl der Patientinnen und Patienten in den Kinder-Notfallpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung deutlich angestiegen ist – am Altonaer Kinderkrankenhaus stieg die Zahl sogar um 57 Prozent. Laut Senatsantwort machen Krankenhäuser von Notfallregelungen Gebrauch und unterschreiten die Personaluntergrenzen.

Dazu sagte Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken-Fraktionin der Bürgerschaft: „Die aktuelle Situation in der Pädiatrie ist dramatisch – und dies ist ein Notstand mit Ankündigung durch die jahrelange Vernachlässigung und Unterfinanzierung der Kinderheilkunde! Es kann doch jetzt nicht die Lösung sein, diesen Notstand zu verwalten, indem die Pflegepersonaluntergrenzen unterschritten werden dürfen und der Senat die Notaufnahmen der Krankenhäuser trotz Überlastung zur Aufnahme von Patient:innen zwingt.“

Laut Robert-Koch-Institut (RKI) liegt die Zahl von Atemwegserkrankungen mit und ohne Fieber sehr deutlich über dem Stand der Vorjahre, sie habe das Niveau, das zum Höhepunkt der starken Grippewelle 2017/18 beobachtet wurde, bereits überschritten. Auffällig ist, dass die Zahl der erkrankten Klein- (0 bis 4 Jahre) und Schulkinder (5 bis 14 Jahre) fast doppelt so hoch ist wie im Dezember üblich.