Hamburg. Steve Schwenkglenks, der Chef der Barclays Arena, spricht über Hoffnungen und Sorgen im kommenden Veranstaltungsjahr.

Was darf ein Popkonzert heute kosten? Wie bekommt man all die Termine unter, die 2020 und 2021 wegen Corona verschoben werden mussten? Und lohnt sich das überhaupt noch? Es gibt viele Fragen, mit denen sich der Chef einer großen Mehrzweckhalle in diesen Tagen aus­einandersetzen muss.

In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ beantwortet sie diesmal der Herr über die Hamburger Barclays Arena, die vor 20 Jahren als Color Line Arena eröffnet wurde. Steve Schwenkglenks spricht über wechselnde Namen, die lange Zwangspause und seine Hoffnungen für 2023. Zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider.

Das sagt Steve Schwenkglenks über ...

… den Namen der Barclays Arena, die einmal als Color Line Arena begann:

„Die Arena ist vor 20 Jahren für rund 86 Millionen Euro gebaut worden. Heute würde sie wahrscheinlich 350 Millionen Euro kosten. Das zeigt, wie sich die Preise entwickelt haben, und das gilt auch für alle anderen Bereiche, die für den Betrieb einer solchen Halle wichtig sind. Auch deshalb ist es notwendig, einen Namensgeber zu haben, also ein Unternehmen, das Geld dafür bezahlt, dass die Arena seinen Namen trägt. Die Vermarktung der Rechte an der Arena ist für uns nach den Mieten die wichtigste Einnahmequelle.“

… das letzte Jahr vor der Corona-Pause:

„2019 war unser bis dahin bestes Geschäftsjahr, in dem wir allein 147 Veranstaltungen hatten. In der Größenordnung bis 15.000 Besuchern gehörten wir zu den erfolgreichsten drei Arenen weltweit. Das hat uns sehr stolz gemacht, vor allem weil wir ein relativ kleines Team im Vergleich zu anderen Arenen haben. Wir sind nur 52 fest angestellte Mitarbeiter, bei einer ausverkauften Veranstaltung arbeiten in der Barclays Arena bis zu 800.“

… die zweijährige Zwangspause in der Pandemie:

„Am 8. März 2020 mussten wir den Betrieb einstellen, es war wie ein Berufsverbot. Wir hatten gerade angefangen, für zwei ausverkaufte Drei-???-Shows aufzubauen … Im Rückblick war es sehr gut, dass wir damals der Überzeugung waren, dass wir jetzt zwei, drei Monate keine Veranstaltung machen könnten und dann alles wieder so wird wie vorher. Wenn uns damals jemand gesagt hätte, dass diese Zwangspause zwei Jahre dauern würde, wären wir verzweifelt und hätten nur sehr schwer durchhalten können.

Das waren emotional sehr schwere Zeiten, und unser wichtigstes Ziel war, alle Arbeitsplätze zu erhalten. Das hat zum Glück funktioniert, auch dank des Kurzarbeitergelds. Ich habe versucht, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beschäftigen, ein Teil ist zum Beispiel zu Beauftragten für Infektionsschutz und Hygiene fortgebildet worden. Wir haben übrigens während der Pandemie angefangen, neue Kollegen einzustellen, weil wir gesehen haben, dass wir die irgendwann benötigen würden. Denn die meisten Veranstaltungen, die bei uns geplant waren, wurden nicht abgesagt, sondern verlegt. Wir wussten also, dass wir eines Tages mehr Leute als bisher benötigen würden.“

… die Frage, ob Kultur systemrelevant ist:

„Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Kultur und das, was wir anbieten, für die mentale Gesundheit und den Zusammenhalt der Gesellschaft extrem wichtig ist. Wir sind und bleiben systemrelevant, weil wir Menschen zusammenbringen und ihnen gemeinsame, unvergessliche Erlebnisse ermöglichen.“

… die Hoffnungen und Sorgen für 2023:

„Das kommende Jahr wird von der Zahl der Veranstaltungen her sicher erfolgreicher als unser bisheriges Rekordjahr 2019, wir planen momentan mit 165 Terminen. Ursprünglich hatten wir vor, noch mehr zu machen, nämlich 180. Aber das wird nicht funktionieren, weil ganz viele Tourneeproduktionen einfach kein Personal finden. Was zudem auffällt, ist, dass die Logistik, die man bräuchte, nicht zur Verfügung steht.

Es sind Tourneen abgesagt worden, weil nicht genügend Trucks und Busse zur Verfügung standen. Dazu kommen die steigenden Kosten in nahezu allen Bereichen, vor allem natürlich im Bereich Energie. Wir rechnen für die Barclays Arena 2023 mit drei- bis viermal so hohen Kosten für Strom und Fernwärme wie in diesem Jahr. Ein Drittel meiner Arbeitszeit beschäftige ich mich im Moment nur damit zu gucken, wo und zu welchen Bedingungen ich im nächsten Jahr Energie bekomme. Natürlich versuchen wir auch, Strom einzusparen, was aber schwierig ist, weil wir den Produktionen und Veranstaltern nicht vorschreiben können, wie viele Scheinwerfer oder Verstärker sie einsetzen.“

… verschobene Veranstaltungen, die sich plötzlich nicht mehr rechnen:

„Wir spielen auch 2023 noch Veranstaltungen, die eigentlich für 2020 geplant waren. Erst wurden sie nach 2021 verschoben, dann nach 2022, und mittlerweile sind sie im nächsten Jahr. Das heißt, die Ticketpreise, die die Kunden behalten haben, sind auf der Basis von 2020 kalkuliert und müssten im Jahr 2023 deutlich höher sein, damit ein Konzert oder eine andere Veranstaltung sich überhaupt rechnet.“

… seine Art der Marktforschung:

„Ich bin bei den meisten Konzerten in der Arena. Wenn ich selbst keine Gäste in unserer Loge habe, gehe ich am liebsten in den Innenraum oder in den Unterrang, um zu sehen, wie die Leute drauf sind und ob alles so funktioniert, wie ich mir das vorstelle. Und am Ende stelle ich mich fast immer an einen der Ausgänge, weil man dort ungefiltert mitbekommt, ob es den Menschen gefallen hat oder nicht. Ich liebe es, wenn eine Frau ihren Mann in den Arm nimmt und sagt: ‚Schatz, das war ein schönes Geschenk.‘ Dann weiß ich, warum ich diesen Job mache.“

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Fragebogen: Von einem Glas Riesling mit den Liebsten

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Ich wollte schon immer Pilot werden, da man die Welt aus einer völlig anderen Perspektive wahrnimmt und es einfach der Traum vom Fliegen ist. Beruflich hat es sich zwar nicht ergeben, aber privat habe ich mir den Traum dann doch noch erfüllt.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Umgib dich nur mit Menschen, die du auch magst.

Wer war, beziehungsweise ist, Ihr Vorbild?

Ich habe nicht „das Vorbild“, sondern es gibt zahlreiche Menschen, die in ihrem Bereich Außergewöhnliches geleistet haben, welche mich inspiriert und motiviert haben

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

„Der sollte beruflich nichts mit Fremdsprachen machen!“ Heute ist allerdings mein halber Berufsalltag auf Englisch. Zudem war ich des Öfteren international im Einsatz, und ich komme hervorragend zurecht. Ist eben alles eine Frage der Motivation.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden,den Sie heute ausüben?

In der Schule. Bereits in der Oberstufe habe ich festgestellt, dass ich manche Dinge sehr viel besser kann als alle anderen und andere Sachen hingegen gar nicht. Die Ersteren habe ich dann zu meinem Beruf gemacht, und von den Zweiteren habe ich mich stets ferngehalten.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Mit Sicherheit meine früheren Chefs und meine besten Freunde. In unserer Branche kann man nicht erfolgreich arbeiten, wenn das eigene soziale Umfeld das nicht toleriert und mitmacht.

Auf wen hören Sie?

Ich höre mir generell erst mal jede(n) an und versuche, das Gesagte zu verstehen und einzuordnen. Dies führt aber nicht immer dazu, dass ich mich der Meinung, Empfehlung oder dem Wunsch auch anschließe.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Die Fähigkeit „in die Zukunft“ zu schauen und Entscheidungen zu treffen, deren Erfolg erst nach ein paar Monaten oder Jahren ersichtlich wird, sowie die Bereitschaft, unternehmerisches Risiko einzugehen und Dinge bereits anzuschieben, bevor andere überhaupt darüber nachdenken.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Davon ausgehen, dass es reicht, einen Anzug zu tragen, um als Chef wahrgenommen und respektiert zu werden.

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Führung von vorne.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Sehr schwierig zu beantworten … Ich würde niemals einen Job machen, der mir keinen Spaß macht oder der mich emotional oder moralisch in einen Zwiespalt bringen würde, nur um des Geldes willen! Auf der anderen Seite hilft Geld dabei, die wenige Freizeit, die ich habe, qualitativ hochwertiger zu gestalten. Fazit: Geld spielt irgendwie immer eine Rolle, aber es gibt definitiv Wichtigeres im Leben!

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Definitiv nichts, was ich selbst nicht bereit bin, ebenfalls zu leisten oder beizutragen. Ansonsten Ehrlichkeit, Motivation, Selbstreflektion und die Fähigkeit, kon­struktive Kritik zu äußern und auch selbst zu akzeptieren.

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Ob jemand eigene in der Vergangenheit gemachte Fehler beschreiben und erklären kann und was er daraus für sich gelernt hat.

Duzen oder siezen Sie?

Sofern es die Rahmenbedingungen zulassen, bin ich definitiv beim professionellen „Du“. Und ja, ich schreibe „Du“ immer noch groß, das hat für mich etwas mit Wertschätzung zu tun.

Was sind Ihre größten Stärken?

Ich bleibe auch in sehr dynamischen Krisen- oder Problemsituationen sehr ruhig und behalte den Überblick. Das rationale Handeln überwiegt bei mir das emotionale. Das ist speziell bei großen Live-Veranstaltungen sehr hilfreich.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Siehe oben bei Stärken. Die sind für das berufliche Umfeld optimal, für das private teilweise aber nicht. Hier wird das „ruhig bleiben“ manchmal als Desinteresse oder Unverständnis für die Situation fehlinterpretiert.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Tim Berners-Lee.

Was würden Sie den Begründer des World Wide Web fragen?

Ich würde ihn fragen, wie es ist, täglich damit zu leben und darauf angesprochen zu werden, dass man mit „nur drei Buchstaben“ die Welt komplett verändert hat.

Was denken Sie über Betriebsräte?

Jetzt, wo Sie mich fragen, fällt mir erstmals auf, dass ich noch nie einen persönlich oder beruflich kennengelernt habe.

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Ich mache sicher regelmäßig kleine Fehler. So ist der Mensch. Wichtig ist, dass die Anzahl des richtigen Handelns die Anzahl der Fehler bei Weitem übersteigt und dass man bereit ist, seine Fehler offen zu kommunizieren und daraus zu lernen. Fehler passieren nun mal, aber es gilt, die Wiederholung derer zu unterbinden.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Mich jeder noch so aussichtslosen Herausforderung zu stellen.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Auf jeden Fall deutlich mehr als 40 Stunden.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Im Schnitt sechs bis sieben Stunden.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Ich bin relativ stressresistent, aber die Fliegerei und andere Hobbys helfen. (Sofern es die Zeit zulässt.)

Wie kommunizieren Sie?

Offen, ehrlich, ruhig und, wenn es passt, mit einem Augenzwinkern!

Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

Wenn man die Arena an sich als „meinen Schreibtisch“ bezeichnet, dann sehr viel Zeit.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Was auch immer du besser kannst als die allermeisten anderen: Mach es zum Beruf!

Was unterscheidet den Menschen vom Manager Schwenkglenks?

Das ich mir privat Künstler und Musik aussuchen kann.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Nehmt euch mehr Zeit für guten Riesling im Kreise eurer Liebsten!