Hamburg. SPD und Grüne machen sich wegen der erneuten Verschlickung gegenseitig schwere Vorwürfe – und werden auch persönlich.
Nein, hieß es am Freitag aus der Bürgerschaftsfraktion der Grünen. Man wolle kein weiteres Öl ins Feuer gießen und werde sich vorerst nicht zu dem Thema äußern. Es sei doch alles gesagt. In der Tat. Die Pressemitteilung des Fraktionsvorsitzenden Dominik Lorenzen vom Mittwoch war schon so deutlich, dass sie prompt einen mächtigen Koalitionskrach ausgelöst hatte.
„Die Elbvertiefung ist eindeutig und endgültig gescheitert“, lautete der Titel. Und der Inhalt war nicht minder klar: Die Entscheidung der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes, den maximalen Tiefgang auf der Elbe wegen der erneuten Verschlickung um einen Meter einzuschränken, sei „zugleich fachlich richtig und eine folgerichtige Reaktion auf jahrelange Fehlplanungen und mangelnden Kooperationswillen“, so Lorenzen.
Hafen Hamburg: SPD spricht von „üblem Foul“ der Grünen
Zwar war die kritische Haltung der Grünen zum Ausbaggern des Flusses immer bekannt. Doch dass sie sich kurz nach der brisanten Entscheidung der WSV derart deutlich von dem Projekt distanzieren, das sie im Koalitionsvertrag immerhin mittragen, wurde in der selbst ernannten Hafenpartei SPD als „übles Foul“ gewertet, wie ein führender Sozialdemokrat sagte. Man sei „maximal verstimmt“.
Die offizielle Linie gab Fraktionschef Dirk Kienscherf vor: „Das Konzept der Fahrrinnenanpassung ist nicht gescheitert, vielmehr ist der Bund seinen Aufgaben nicht nachgekommen.“ Die Sichtweise, dass der Bund und seine WSV es nach dem Abschluss der Vertiefung um einen Meter schlicht versäumt haben, die Wassertiefe durch regelmäßiges Baggern zu halten, vertritt auch Bürgermeister Peter Tschentscher in einem Brief an die Bundesregierung.
Die Grünen fordern einen norddeutschen „Schlickgipfel“
Die Grünen sehen hingegen ihre früheren Warnungen bestätigt, dass die Elbvertiefung die Schlickproblematik noch verschärfen werde und dass das permanente Ausbaggern des Flusses ein Kampf gegen Windmühlen ist, den Hamburg nicht gewinnen kann. „Höchste Zeit für einen Schlickgipfel, an dem alle Beteiligten gemeinsam einen Ausweg aus dieser Krise suchen und vernünftige Lösungen für die Großschifffahrt im Norden finden“, hatte Fraktionschef Lorenzen daher angeregt.
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Im Grundsatz steckt dahinter der Ansatz, dass die dicksten Pötte mit 20.000 und mehr Containern in Wilhelmshaven abgefertigt werden und Hamburg sich auf die mittelgroßen Schiffe mit etwa 10.000 Containern konzentriere. Der Hafen könne sich dann vor allem als Industrie- und Energiestandort profilieren. Das schaffe auch viel mehr Wertschöpfung als Metallboxen zu stapeln, heißt es bei den Grünen - eine These, die kürzlich auch die Autoren des „Hamburg Konvent“ um Ex-Staatsrat Nikolas Hill (CDU) und prominente Wissenschaftler vertraten.
SPD: Grüne fallen dem Hafen in den Rücken
Die SPD sieht dagegen schon diese Debatte als standortschädigend an. Der Streit wird selbst unter langjährigen Weggefährten öffentlich ausgetragen. So twitterte der Bundestagsabgeordnete und Ex-Justizsenator Till Steffen (Grüne): „Ich finde die Argumentation der Hamburger SPD ein wenig kontrafaktisch. Glaub ja nicht, dass sich die Naturgesetze so leicht beeindrucken lassen.“
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) hielt prompt dagegen: „Schade, dass Du (und andere Grüne) keine Gelegenheit auslässt, um dem Hamburger Hafen in den Rücken zu fallen…“ Dieser sichere immerhin die Jobs von rund 120.000 Beschäftigten und sei „von nationaler Bedeutung“.
Auf grüner Seite wird das Festhalten an dieser seit Jahrzehnten im Rathaus gepflegten Position angesichts der Schlickproblematik als Realitätsverweigerung interpretiert. Dass Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) auch den Klimawandel in Teilen als Grund für die zunehmende Sedimentation heranzieht, sei doch „nackte Verzweiflung und völliger Unsinn“, so ein prominentes Mitglied der Ökopartei.
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) drückt es etwas diplomatischer aus: „Ich teile nicht die Haltung der SPD, dass der Klimawandel das eigentliche Problem der Verschlickung sei und dass der Bund seine Arbeit nicht gemacht habe“, sagte er auf Abendblatt-Anfrage.
Schon die Cosco-Debatte habe Hamburg geschadet, meint die Hafenwirtschaft
Von SPD-Fraktionschef Kienscherf kam am Freitag prompt Widerspruch: „Das agieren grüner Bundesminister und Bundestagsabgeordneter war in den letzten Wochen klar gegen den Hamburger Hafen und damit auch gegen die Interessen der Beschäftigten gerichtet“, sagte er unter anderem mit Blick auf den Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco beim Containerterminal Tollerort, den die die grünen Minister ursprünglich abgelehnt hatten. Erst nach einem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war dann doch eine 24,9-Prozent-Beteiligung (statt 35) genehmigt worden.
„Schon die Äußerungen des grünen Wirtschaftsministers Habeck und der Außenministerin Baerbock bezüglich der Beteiligung der chinesischen Reederei Cosco an einem Terminal der HHLA hatten dem Ruf des Hamburger Hafens schwer geschadet“, befand auch Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg.
Linke fordert Hafenkooperation – Dressel: Wollen wir doch auch!
Unterstützung bekamen die Grünen in Teilen von der Linkspartei: „Die Natur des Flusses reagiert auf die Elbvertiefungen und den Klimawandel“, sagte ihr Hafenexperte Norbert Hackbusch. „Es muss alles getan werden in Richtung Hafenkooperation an der norddeutschen Westküste. Hier versäumt der Senat seit Jahren einen wichtigen Teil der Hafenentwicklung.“
Das wies Finanzsenator Dressel zurück und erinnerte daran, dass er und Westhagemann mit ihren Ministerkollegen aus Bremen zwei Jahre lang über eine Fusion der Terminalgesellschaften aus Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven verhandelt hatten: „Bisher haben wir bei dieser oder anderen möglichen Kooperationen leider noch keinen Durchbruch erreicht. Aber die aktuelle Diskussion zeigt: Wir müssen den Ball wieder aufnehmen.“
Immerhin: Dem würden auch die Grünen zustimmen.