Neustadt. Pflegebedürftiger Senior soll von langjähriger Geliebter und zwei Komplizen seiner Freiheit beraubt worden sein. Polizistin sagt aus.

Der Mann wollte nach Hause. Dann wollte er lieber woanders hin. Und schließlich „wechselte es immer hin und her, wo er sein wollte“. Wenn die Polizeibeamtin Britta N. (alle Namen geändert) über ihren Eindruck von Manfred S. spricht, dann ergibt sich das Bild eines Mannes, dessen Entschlusskraft nicht gerade zum Besten stand.

Auch andere Fähigkeiten schienen bei dem 69-Jährigen getrübt. So habe er zunächst behauptet, er sei 32 Jahre alt. Und zwischenzeitlich glaubte er sich auf einem Segelschiff. „Er wirkte nicht fähig, seinen eigenen Willen kundzutun“, bilanziert die Polizistin.

Geht es nach der Staatsanwaltschaft, dann haben drei Menschen aus dem Umfeld von Manfred S. allerdings sehr wohl gegen dessen Willen gehandelt.

Staatsanwaltschaft: 69-Jähriger in wartendes Auto gezogen

Die drei Angeklagten im Alter von 69, 60 und 56 Jahren sollen den Hamburger aus seinem Zuhause entführt haben. Freiheitsberaubung wird ihnen deshalb vorgeworfen. Laut Anklage haben sie den Mann am 20. November 2018 aus seinem Haus weggebracht, wo dieser nach einem Schlaganfall von seiner Ehefrau und einer Pflegerin versorgt wurde.

Unter einem Vorwand hätten die beiden Frauen und der Mann das Haus von Manfred S. aufgesucht, so die Staatsanwaltschaft. Eine Frau, die eine langjährige Geliebte des 69-Jährige gewesen sei, soll sich dabei gegenüber der Pflegerin als dessen Schwester ausgegeben und dann den Mann gegen den Widerstand der Pflegerin in ein wartendes Auto gezogen haben. Zwei Tage später wurde er von der Polizei in der Wohnung der Mutter der mutmaßlichen Geliebten gefunden.

Prozess Hamburg: Beschuldigte weist Vorwürfe zurück

Die 60-Jährige hatte zum Prozessauftakt die Vorwürfe vehement zurückgewiesen und beteuert: „Zu keinem Zeitpunkt habe ich meinen Freund aus Teenagerzeiten und Vater unserer beiden Kinder der Freiheit beraubt. Nichts liegt mir ferner.“

Und der Verteidiger der weiteren Angeklagten hatte erklärt, es werde versucht, „drei unschuldige, ehrenhafte Bürger“ zu kriminalisieren. Tatsächlich hätten die drei mit ihrem Freund Manfred S. „nur einen Ausflug unternommen“.

Blieb 69-Jähriger freiwillig bei anderer Frau?

Ausflug – oder doch Entführung? Die Polizei habe seinerzeit Suchmaßnahmen eingeleitet, weil die Ehefrau von Manfred S. behauptet habe, er müsse lebenswichtige Herzmedikamente nehmen, erzählt die damalige Ermittlungsführerin jetzt als Zeugin vor Gericht. Aus anderer Quelle habe es geheißen, dass der 69-Jährige sich von seiner Frau habe trennen wollen.

Die Frau, die seine Geliebte gewesen sein soll, „war sehr aufgelöst und hat viel geweint“, erzählt die Polizistin über die damalige Begegnung. Die Frau habe auch eine Erklärung vorgelegt, in der es geheißen habe, dass Manfred S. gern bei ihr bleiben wolle. Darin stand, dass der 69-Jährige sich „freiwillig“ bei ihr aufhalte und es sein Wunsch sei, sich „weiter bei ihr aufzuhalten an einem Ort, den ich mit ihr abstimmen werde“.

Prozess Hamburg: „Er wirkte nicht vernehmungsfähig“

Auf die Polizistin Britta N. hat Manfred S. damals „körperlich etwas gebrechlich“ gewirkt, erzählt die Zeugin auf Nachfrage. „Geistig hatte ich den Eindruck, dass er nicht zeitlich und örtlich orientiert ist.“ Deshalb habe sie ihn auch nicht vernommen. „Er wirkte auf mich nicht vernehmungsfähig.“ Der Prozess wird fortgesetzt.