Hamburg. Betreiber haben mit hohen Kosten für Energie und Lebensmitteln zu kämpfen. Eigenanteile werden kräftig steigen.

Die Bewohner der Hamburger Pflegeheime müssen zum Jahresbeginn 2023 mit deutlichen Preiserhöhungen rechnen. Ihr Eigenanteil wird um etwa fünf bis sechs Prozent steigen. Davon geht Thomas Flotow aus, Sprecher der Geschäftsführung von Pflegen & Wohnen Hamburg.

An den 13 Standorten des Heimbetreibers leben seinen Angaben zufolge 2400 Bewohner, um die sich 2000 Mitarbeiter kümmern. Auch Frank Schubert, Vorstandsvorsitzender des Hospitals zum Heiligen Geist mit 1200 Bewohnern, spricht von notwendigen Erhöhungen.

Viele Faktoren zwingen zu Preiserhöhungen

Drastische Teuerungen beim Einkauf von Lebensmitteln, Tarifsteigerungen beim Personal, steigende Energiekosten – der Betrieb von Hamburgs Pflegeeinrichtungen ist erheblich teurer geworden. „Selbst Lieferanten mit langfristigen Verträgen verlangen erheblich höhere Preise“, sagt Thomas Flotow.

Beklagen hohe Kosten: Thomas Flotow.
Beklagen hohe Kosten: Thomas Flotow. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services

Die gestiegenen Energiekosten seien dabei nur ein Faktor, „das Waschen der Bewohnerwäsche und der Mitarbeiterkleidung ist teurer geworden, auch das Büromaterial ist deutlich im Preis gestiegen“. Weil Pflegen & Wohnen in allen Bereichen so große Mengen benötige, müssten die Waren angeliefert werden. Dabei gebe es Preissteigerungen von 30 Prozent.

Pflegesätze müssen auch im nächsten Jahr erhöht werden

Frank Schubert ist froh, dass sein Unternehmen wenigstens noch längerfristige Verträge für Strom und Gas hat, die erst Ende 2023 enden. Aber das Damoklesschwert, dass die Versorger vorzeitig von sich aus kündigen, hänge natürlich über dem Unternehmen, sagt der Vorstandsvorsitzende. „Wir haben in diesem Jahr die Pflegesätze erhöht und werden das auf jeden Fall auch nächstes Jahr machen müssen.“

Auch Frank Schubert ist besorgt: Die enormen Kostensteigerungen müssen weitergegeben werden.
Auch Frank Schubert ist besorgt: Die enormen Kostensteigerungen müssen weitergegeben werden. © MARCELO HERNANDEZ / FUNKE Foto Services

Die Kostensteigerungen müsse man weitergeben. Bei den Lebensmitteln spricht er von einer Steigerung von fast 24 Prozent, „konkret sind es 35.000 Euro mehr pro Monat im Vergleich zu Januar“. Auch Papiererzeugnisse wie Toilettenpapier und Servietten seien um 25 Prozent teurer. „Diese Kosten können wir derzeit nicht weitergeben, obwohl es aus wirtschaftlichen Gründen bereits heute dringend erforderlich wäre“, so Schubert.

„Es ist klar, dass die Einrichtungen eine Lösung brauchen“

Die Anhebung des Mindestlohns habe zwar keine Auswirkungen, denn es werde nach Tarif bezahlt, „aber anstehende Tarifsteigerungen werden wir weitergeben“, sagt Schubert. Es sei ja auch ausdrücklich gewollt, dass Pflegekräfte besser bezahlt werden. 70 Prozent seien Personalkosten, rechnet Flotow vor. Schubert kündigt an, man werde jetzt in Verhandlungen mit den Pflegekassen und der Sozialbehörde gehen, damit die Erhöhung schon zum 1. Januar möglich werde, so Schubert.

„Es ist klar, dass die Einrichtungen eine Lösung brauchen“, sagt Stefanie Kreiss, Sprecherin der Landesvertretung Hamburg des Verbands der Ersatzkassen (vdek). Die Kostenträger, also die Pflegekassen und die Sozialbehörde, hätten auf Landesebene auch schon Gespräche angeboten. „Wenn es unvorhersehbare Änderungen gibt, sind Verhandlungen über Preissteigerungen möglich, aber es muss entsprechende Nachweise geben.“

Gelder vom Bund und Sonderprogramm sollen helfen

Kreiss verweist aber auch auf die geplanten Hilfen durch den Bund. Es sei gut, dass der Staat nach Lösungen suche. So gebe es einerseits die Energiepreisbremse. Und der Bund plane, Extra-Milliarden für Krankenhäuser, Pflege- und Reha-Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Anfang November sozialen Einrichtungen kurzfristig zusätzliches Geld in Aussicht gestellt. Er sagte, ein geplantes Sonderprogramm in Höhe von bis zu acht Milliarden Euro solle „sehr schnell kommen“.

In dem Beschluss heißt es, „die Härtefallregelungen sollen insbesondere auch für Krankenhäuser, Universitätskliniken und Pflegeeinrichtungen zur Verfügung stehen, um sie bei den gestiegenen Energiekosten zu unterstützen. Auch wenn sie ebenfalls von der Gas- und Strompreisbremse profitieren, sind sie in besonders hohem Maße belastet und nicht immer und umfassend in der Lage, Energiekosten durch einen geringeren Verbrauch oder mehr Energieeffizienz schnell zu reduzieren.“

Durchschnittliche Eigenbeteiligung: 2226 Euro in Hamburg

Die Eigenbeteiligung für einen Pflegeheimplatz in Hamburg liegt bei durchschnittlich 2226 Euro (die letzte Erhöhung erfolgte erst im Juli 2022). Thomas Flotow stellt eine Beispielrechnung an: Der Eigenanteil eines Bewohners mit Pflegegrad 3 beispielsweise liegt bei 2921,67 Euro. Er setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen: dem Pflegesatz von 2384,32 Euro, Kosten für Unterkunft/Verpflegung von 899,83 Euro, Investitionskosten on 712,13 Euro und die Azubi-Refinanzierung von 187,39 Euro. Die Pflegekasse übernimmt davon aber nur 1262 Euro.

Die Pflegeversicherung trage zwar Kosten, aber sie sei eine Teilkaskoversicherung, sagt Flotow. Die Bewohner müssten mit ihrer Rente, sonstigem Einkommen oder Vermögen ihren Teil beitragen. Wer das nicht könne, bei dem springe die Sozialhilfe ein.

Deckelung des Eigenanteils sei notwendig

Rund 17.000 Menschen leben nach Angaben der Hamburger Sozialbehörde in den etwa 150 stationären Pflegeeinrichtungen. Die Hansestadt gab im vergangenen Jahr nach Angaben von Behördensprecher Martin Helfrich 236,4 Millionen Euro für kommunale Leistungen, insbesondere Sozialhilfe und Hilfen zur Pflege aus.

Holger Langhof, Referent für Pflege beim Paritätischen Wohlstandsverband, hofft, dass der geplante Rettungsschirm für die sozialen Träger zügig beschlossen und umgesetzt wird, damit die Pflegeeinrichtungen handlungsfähig bleiben. Auch er geht aber davon aus, dass es für die Pflegebedürftigen teurer wird. Ein Ausbau zur Vollversicherung sei indes wünschenswert, ebenso wie eine Deckelung des Eigenanteils für die Pflegebedürftigen.

Trotz steigender Lebensmittelpreise: Kein verändertes Menü

Bislang haben die gestiegenen Lebensmittelpreise aber keine Auswirkungen auf den Speiseplan, versichern die Chefs von Heiligen Geist und Pflegen & Wohnen. Frank Schubert sagt: „Es gibt weiterhin drei Menüs zur Auswahl, Fisch, Fleisch, Suppen und dazu unterschiedliche Komponenten.“ Allerdings sei die Küche angehalten zu gucken, ob es preislich günstigere Alternativen gebe.

Sein Kollege Flotow versichert, auch bei Pflegen & Wohnen seien noch keine Gerichte aus Kostengründen von der Karte genommen worden. Gekocht wird laut Flotow an einem zentralen Standort, und von dort müssen die Speisen geliefert werden – eine logistische Herausforderung, die ständig teurer werde.

"Man kann ihnen nicht sagen, sie sollen die Heizung runterdrehen“

Bei der Heizung sei es schwierig zu sparen, da die Bewohner auf keinen Fall darunter leiden sollen, sagen beide. Unabhängig davon würden aktuell sowohl Bewohner als auch Mitarbeitende im Umgang mit Strom und Gas sensibilisiert“, so Schubert, der zukünftig bei Neubauten ganz auf fossile Energieträger verzichten will.

Auch Flotow sagt, die Bewohner bräuchten Wärme, „man kann ihnen nicht sagen, sie sollen die Heizung runterdrehen“. Allerdings könne man sie dafür sensibilisieren, dass sie die Heizung runterdrehen, wenn es ihnen im Zimmer zu warm ist, anstatt das Fenster so lange offen stehen zu lassen, bis es kühler sei.

Flotow rechtnet mit Verdoppelung der Gaskosten

Bei Pflegen & Wohnen läuft der Vertrag zur Stromversorgung Ende des Jahres aus, noch gebe es kein neues Angebot. „Wir müssen uns bemühen, einen neuen Vertrag zu bekommen“, sagt Flotow, er rechne mit erheblichen Steigerungen der Kosten. Die Hälfte der Wärmeversorgung laufe über Fernwärme, bei der die Steigerung moderater sei.

Die andere Hälfte der Heizung laufe mit Gas. „Da haben wir noch einen Liefervertrag.“ Doch er rechne mit einer Verdoppelung der Kosten. Er hat angekündigt, man werde in etwa zwei Wochen die Bewohner informieren und dann an die Kostenträger herantreten.