Hamburg. Hamburger Sozialbehörde legt umfangreiche Corona-Studie vor. Mehrere Faktoren haben demnach die Ausbreitung beeinflusst.
Das Coronavirus hat sich in Hamburg zu Beginn der Pandemie vor allem in den wohlhabenderen Stadtteilen ausgebreitet – unter Menschen, die es aus dem Winterurlaub mitgebracht haben. Kurz darauf waren jedoch vor allem ärmere Stadtteile davon betroffen.
Das geht aus einer umfangreichen Corona-Studie hervor, die die Sozialbehörde vorgelegt hat. Sie zeigt auf, welche Faktoren das Infektionsgeschehen in den Hamburger Bezirken und Stadtteilen beeinflusst haben.
Corona breitete sich in Hamburg vor allem in ärmeren Stadtteilen aus
Laut der Autorinnen und Autoren habe zu Beginn der ersten Welle „insbesondere das ,Super-Spreader-Event’ in Ischgl“ auch einen Effekt auf den Pandemiebeginn in Hamburg gehabt. Dieser Zusammenhang habe sich jedoch „auffällig schnell umgekehrt“ und Corona wurde zu einem Virus, das sich vor allem in ärmeren Stadtteilen ausbreitete. „Schon im April 2020 war die Monatsinzidenz in den Stadtteilen mit niedrigem sozioökonomischem Status höher als in anderen Stadtteilen“, heißt es in der Studie.
In der dritten Corona-Welle im Frühjahr 2021 infizierten sich demnach in sozial benachteiligten Stadtteilen wie Steilshoop, Billstedt und Wilhelmsburg mehr als doppelt so viele Menschen wie in sozial privilegierten Stadtteilen wie Blankenese. In der zweiten Welle, die sich im Juli 2020 ankündigte, war es bereits knapp die Hälfte.
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Corona in Hamburg: Mehrere Faktoren beeinflussten Ausbreitung
Dass Menschen in ärmeren Regionen und mit geringerem Haushaltseinkommen seit der zweiten Welle stärker von einer Sars-CoV-2-Infektion betroffen waren und eine höhere Sterblichkeitsquote aufwiesen, als „sozioökonomisch besser gestellte Personengruppen“, ist laut der Studie auch ein bundesweit nachgewiesener Befund.
Für diese Entwicklung führt die Studie mehrere Gründe an. Ein zentraler Punkt sei dabei die Berufstätigkeit. Da in ärmeren Stadtteilen mehr Menschen in systemrelevanten Berufen arbeiten, hatten sie auch während des Lockdowns keine Möglichkeit, im Homeoffice zu bleiben und waren somit einem höheren Expositionsrisiko ausgesetzt. Ein weiterer Faktor, der die Infektionsausbreitung begünstigt, sind laut der Studie kleine Wohnungen, in denen Familien keine Möglichkeit haben, Abstand zu halten.
Migrationshintergrund spielt keine Rolle
Der Migrationshintergrund spielt laut Studie hingegen keine Rolle bei der Betrachtung des Infektionsgeschehens. In Stadtteilen mit einem hohen Ausländer-Anteil habe sich Corona nur deshalb schneller verbreitet, weil dort auch die ärmeren Menschen leben.
In der Studie wurde auch untersucht, welchen Einfluss Schul- und Kindergartenkinder auf die Ansteckungsrate haben. So wurde in Stadtteilen, in denen viele Kindergartenkinder leben, eine höhere Monatsinzidenz verzeichnet. Auch dieser Zusammenhang war in ärmeren Stadtteilen stärker ausgeprägt als in wohlhabenden. Zusammen mit der Betrachtung des Pandemieverlaufs nach Anteil an Schülerinnen und Schülern in den einzelnen Stadtteilen zeigt sich, „dass ein hoher Anteil an Familien insbesondere in Stadtteilen mit niedrigem sozioökonomischem Status mit höheren Inzidenzwerten einhergeht“.
Nutzung von Bus und Bahn war "wichtiger Pandemietreiber"
Für die Nutzung des ÖPNV konnten zwar keine Daten auf Hamburger Stadtteilebene gewonnen werden, doch die Literatur zeige, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel „auch während der Lockdowns ein wichtiger Pandemietreiber war“.
Laut der Studie lässt sich aus den Daten auch ein Zusammenhang zwischen Alter und Inzidenz vermuten. So haben Stadtteile mit einem höheren Anteil älterer Menschen niedrigere Inzidenzen. Das sei vor allem auf die Mobilität dieser Bevölkerungsgruppe zurückzuführen. Ältere Menschen seien demnach grundsätzlich weniger mobil und schränkten sich aufgrund des für sie größeren Risikos zudem eher in ihrer Mobilität ein.
Corona-Studie: Sozialer Status hat Einfluss auf Infektionsgeschehen
Bezogen auf die Präventionsmöglichkeiten führt die Studie mit Bezug auf die Hamburger Daten an, dass die Möglichkeit, einen Schnelltest zu machen, in Stadtteilen mit niedrigem sozioökonomischem Status „deutlich weniger“ genutzt wurde als in anderen Stadtteilen. In Anbetracht der Impfquote bestätigten jüngste Studien des Robert-Koch-Instituts überdies, dass Sprachbarrieren Einfluss auf das individuelle Infektionsschutzverhalten haben: „Je besser die selbst eingeschätzten Deutschkenntnisse, desto höher ist die Impfquote.“
Dass der soziale Status einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen hat, legten Studien bereits nach dem ersten Jahr der Pandemie nahe. In der Studie im Auftrag der Sozialbehörde werden nun verschiedene Handlungsansätze angeführt, wie die Erkenntnisse über die Auswirkungen von sozialer Ungleichheit in der Corona-Pandemie in der Steuerung zukünftiger Krisensituationen berücksichtigt werden können.
Vor allem müsste es eine Weiterentwicklung zielgruppengenauer Kommunikation geben. Gerade die Sprache aus dem Gesundheitswesen und die „in Anweisungen verwendete Verwaltungssprache“ werde laut der Studie von gering literalisierten Menschen und Nicht-Muttersprachlern als „sehr hochschwellig“ wahrgenommen. Darüber hinaus bedarf es einer „Optimierung des Datenmanagements in Hamburg“ und „einer ganzheitlichen Armutspräventionsstrategie“.