Hamburg. Serie: Die Geschichte Hamburgs – erzählt entlang der großen Themen. Teil 9 widmet sich der Kultur in Hamburg.

Die oft genannte These, dass es die Kultur in Hamburg schon immer schwer gehabt habe, ist sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Hamburg aber als kulturlose Stadt zu bezeichnen, in der die regierenden „Pfeffersäcke“ keinen Sinn und schon gar kein Geld für derlei „Tinnef“ gehabt hätten, ist wiederum (zumindest ein bisschen) übertrieben.

Dass die Stadt in ihrer Geschichte eher selten mit Kultur assoziiert wird, hat durchaus logische Gründe. Denn Künstler – ob nun Maler, Musiker, Bildhauer oder Dichter – brauchen Auftraggeber und/oder Mäzene. Und der wichtigste ist jahrhundertelang der verschwendungssüchtige Adel, den es in der Bürgerrepublik Hamburg ja nicht gibt.

So sind Künstler in der Hansestadt auf private Nachfrage und die Kirche angewiesen – und sowohl die Kaufmannschaft als auch die Pastorenriege sind stets konservativ im Geschmack. Für Avantgardisten bleibt Hamburg also schwieriges Terrain.


Hamburger Stadtgeschichte: Schauspieler waren geliebt, nicht geachtet

Schauspieler stehen gesellschaftlich sehr lange am untersten Rand. Ernsthaft betrieben wird diese Kunst in Deutschland allerdings auch erst seit dem 18. Jahrhundert, wobei der Hamburger Conrad Ekhof eine entscheidende Rolle spielt, wie wir noch lesen werden. Schauspieler sind jahrhundertelang „fahrendes Volk“: bunte Truppen, die von Stadt zu Stadt ziehen und auf Märkten auftreten.

Es ist ein Mix aus Akrobatik, Komik („Possenreißer“) und Schauspiel, das sie darbieten. Eher RTL 2 als Arte. Die Stücke sind derb, es gibt weder Regisseure noch Textbücher – man improvisiert von Pointe zu Pointe, die oft auf Kosten der Kirche oder der Reichen geht. Doch genauso wie die Menschen den Verrat lieben, aber nicht den Verräter, ist es auch mit den Schauspielern, deren sozialer Status knapp über dem von Bettlern und Aussätzigen liegt.

Der älteste schriftliche Beleg für solche Auftritte in Hamburg stammt aus dem Jahr 1350, aber es dürfte sie schon viel früher gegeben haben. Diese Darbietungen sind extrem beliebt und gehören zu den Höhepunkten des Jahres, wie man sich leicht vorstellen kann, wenn man bedenkt, wie beschränkt die Freizeitmöglichkeiten (und die Freizeit überhaupt) sind – selbst lesen können nur die wenigsten, zudem sind Bücher Luxusgüter.

Ein großer Markt ohne Schausteller verliert jedenfalls deutlich an Attraktivität, weshalb die Stadt selbst bald diese Truppen engagiert und bezahlt. Das ist weniger Kulturförderung als vielmehr Investment, um eine zahlungskräftige Klientel anzulocken. Außerdem gibt es während der Märkte befristete Genehmigungen für Schenken und Gasthöfe, die Aufführungen in den Innenräumen gestatten.

Spätestens vom 15. Jahrhundert an finden auch kirchliche Aufführungen statt. Meist in lateinischer Sprache werden Szenen aus der Bibel aufgeführt, oft anlässlich hoher Feiertage. Das ist dann nicht ganz so lustig und nicht halb so beliebt. Auch Handwerker drängt es auf die Bühne: Zur Fastnacht versuchen sie sich an kirch­lichen und volkstümlichen Stoffen. Gern nutzen sie Satiren, um über ihre Meister und die Obrigkeit zu spotten, weshalb im 18. Jahrhundert ein Verbot ausgesprochen wird. Sinn für Humor ist im Senat etwa so weit verbreitet wie Gold im Armenhaus.


Pastoren als Spaßbremsen


Wie in so vielen Bereichen ist die Reformation – in Hamburg 1529 eingeführt – auch für das Theater einschneidend. Die kirchlichen Aufführungen finden schon deswegen schnell ein Ende, weil sie katholische Tradition sind – also gar nicht gut sein können. Auch das „wilde Treiben“ auf den Märkten ist den Pastoren ein Dorn im Auge.

Die sittenstrengen und schon bald zur Orthodoxie neigenden Lutheraner auf den Kanzeln als Spaßbremsen zu bezeichnen ist eher noch eine Untertreibung. Die neue Kirche hat großen Einfluss auf die Politik und die öffentliche Meinung. Die klare Trennung von Kirche und Staat ist noch lange nicht erfunden.

1902 gründet Richard      Ohnsorg sein gleichnamiges Theater. Die Zeit von Heidi Kabel und Henry Vahl kommt erst  später.
1902 gründet Richard Ohnsorg sein gleichnamiges Theater. Die Zeit von Heidi Kabel und Henry Vahl kommt erst später. © Picture Alliance/United Archives | United Archives / TelePress

Einziger Lichtblick ist das Johanneum, im Zuge der Reformation als Gelehrtenschule gegründet. Hamburgs Reformator – der Luther-Vertraute Johannes Bugenhagen – hat in der Kirchenordnung das Theaterspiel für die Schüler festschreiben lassen.

Eigentlich sollten sie so besser Latein lernen, doch entwickelt sich bald ein Eigenleben. Und da auch in hoch- und sogar niederdeutscher Sprache gespielt wird – manche Lehrer wie Johann Hübner und Johann Samuel Müller schreiben auch eigene Stücke –, sind diese Schüleraufführungen sehr beliebt.


Die Bürgeroper – ein Ort des Teufels?


Für Hamburgs Theatergeschichte ist das Jahr 1678 von entscheidender Bedeutung – am Gänsemarkt wird das Opernhaus eröffnet. Es ist die erste ständige deutsche Oper, die von Bürgern gegründet und finanziert wird – und ein Politikum ersten Ranges. Innerhalb der lutherischen Kirche tobt ein erbitterter Richtungsstreit zwischen Orthodoxen und Pietisten.

Letztere predigen strenge Frömmigkeit oder besser gesagt: noch strengere und sehen die Bühne als Teufelswerk und typische Belustigung für den müßiggängerischen Adel an. Ob nun aus Überzeugung oder um die Pietisten zu ärgern, sind die hier mal nicht ganz so strengen Orthodoxen für die Oper – sie diene der „Erbauung“.

Nach reichlich Streit, dem Einholen von zwei Universitätsgutachten (kein Witz, die Stadtherren nehmen die Sache ausgesprochen ernst) und der zwischenzeitlichen Schließung setzen sich die Opernfreunde schließlich durch. Der „Rat“, wie der Senat damals genannt wird, gibt Johann Winckler, dem Michel-Pastor, sogar einen hochoffiziellen Rüffel, weil der von der Kanzel gegen die Oper wettert.

Das Besondere an der Oper ist, dass nicht etwa italienische oder französische Werke im Vordergrund stehen, sondern deutsche. Viele Stücke – etwa von Reinhard Keiser, ab 1697 Kapellmeister, dann Direktor der Oper am Gänsemarkt – werden extra für die Hamburger Aufführungen geschrieben und haben bisweilen Lokalkolorit, sodass manchmal sogar plattdeutsch gesungen wird.

Zu den Komponisten der Gänsemarktoper gehört auch der blutjunge Georg Friedrich Händel

Allein Georg Philipp Telemann, der seit 1721 in Hamburg als städtischer Musikdirektor wirkt und am Johanneum lehrt (sein Nachfolger wird 1768 Carl Philipp Emanuel Bach), schreibt 24 Opern. Der in Bergedorf als Spross einer Kirchenmusikerfamilie geborene Johann Adolf Hasse sammelt 1718 am Gänsemarkt als Tenor erste Erfahrungen mit dem Opernbetrieb, bevor er selbst seine internationale Karriere als Opernkomponist startet.

Zu den Komponisten der Gänsemarktoper gehört auch der blutjunge Georg Friedrich Händel, der 1703 als 18-Jähriger in das Orchester eintritt. Das später weltberühmte Genie hätte in Hamburg übrigens fast ein frühes Ende gefunden. Händel streitet sich während einer Aufführung mit dem Tenor und Komponisten Johann Mattheson um den Dirigentenplatz – die beiden duellieren sich daraufhin vor der Tür. Matthesons Klinge zerbricht glücklicherweise an einem großen Metallknopf an Händels Weste – beide bleiben unverletzt, und Händel kann in Italien und England Karriere machen.


Vom Stadttheater zur Staatsoper


Im Gegensatz zu Händel überlebt die Oper nicht: 1738 ist die Bühne bankrott, das offenbar nicht sehr solide Gebäude wird abgerissen. Zuvor ist es – auch wegen finanzieller Schwierigkeiten – künstlerisch bergab gegangen. Außerdem ist der Zeitgeist nun eher gegen die Oper als Kunstform. Die beginnende Aufklärung kann mit dem Singspiel wenig anfangen.

Ende des Jahrhunderts sind Opern dann wieder „en vogue“. Im 1765 ebenfalls am Gänsemarkt erbauten „Comödienhaus“ werden neben Dramen und Komödien regelmäßig Opern aufgeführt.

Dieses Nebeneinander besteht auch im Stadttheater weiter, das 1827 an der Dammtorstraße eingeweiht und als Aktiengesellschaft geführt wird. Das bleibt bis zum Ende des Jahrhunderts so. Erst als mehrere neue Sprechtheater eröffnen, wird das Haus zur reinen Oper. Vor allem unter Bernhard Pollini, Direktor von 1874 bis 1897, hat die Oper einen exzellenten Ruf. Pollini (der in Köln geboren ist und eigentlich schlicht Pohl heißt, was natürlich längst nicht so musikalisch klingt) lockt Berühmtheiten wie Puccini und Tschaikowsky nach Hamburg, wo sie ihre eigenen Werke dirigieren.

1891 engagiert er Gustav Mahler als Ersten Kapellmeister, der sechs Jahre bleibt, bevor er in Wien und New York zu Weltruhm kommt. Schon in Hamburg beginnt Mahler mit seiner Opernreform – er sieht Musik und Schauspiel als gleichberechtigt an. Während die Ausstattung, das Bühnenbild und die Schauspielerei bisher vernachlässigt worden sind, gewinnt die Inszenierung nun an Bedeutung.

Wie gut der Ruf der Bühne mittlerweile ist, zeigt sich auch daran, dass der bis heute als Inbegriff des Tenors geltende Enrico Caruso zwischen 1906 und 1913 fast jedes Jahr Gastspiele in Hamburg gibt – es sind Festtage. Das Haus, das 1874 eine vom Rathaus-Architekten Martin Haller gestaltete neue Fassade erhält, heißt indes immer noch „Stadttheater“. Zur „Hamburgischen Staatsoper“ wird es erst unter nationalsozialistischer Ägide 1934.

Den Status als eine der weltweit renommiertesten Opernbühnen kann das Haus auch nach dem Zweiten Weltkrieg wahren. Nach einem Bombentreffer muss der Saal aber neu errichtet werden und erhält 1955 seine heutige Form. Bis dahin muss ein Provisorium herhalten. Intendanten wie Rolf Liebermann und Christoph von Dohnányi, Generalmusikdirektoren wie Kent Nagano und Ballettchef John Neumeier sorgten und sorgen dafür, dass die Staatsoper in der ersten Liga bleibt.


Goethe, Schiller, Lessing? Kassengift!


Das Sprechtheater hat es in Hamburg ungleich schwerer. Trotz vielversprechender Anfänge. Denn 1765 wird mit dem „Comödienhaus“ eine feste Bühne errichtet, und der Gründer Konrad Ernst Ackermann (1712–1771) gehört zu den Vorreitern der Moderne. Mit Gleichgesinnten wie Caroline Neuber und dem Hamburger Schauspieler Conrad Ekhof, den man später ehrfurchtsvoll

„Vater der deutschen Schauspielkunst“ nennen wird, professionalisiert er das Genre. Der allgegenwärtige „Hanswurst“ wird von der Bühne verbannt. Diese possenreißende Kunstfigur ist zuvor in allen Stücken – auch ernsten – aufgetreten, um das Publikum zu erheitern. Stellen Sie sich einfach vor, in jedem Hamlet-Akt taucht plötzlich Mario Barth auf, um ein paar zotige Witze zu reißen, dann wissen Sie, wie das ist.

Übertriebene Theatralik und unnatürliches Sprechen haben jetzt ebenso ausgedient wie der Hanswurst. Ekhof, der schon früh außerhalb Hamburgs sein Glück suchen muss, will den Beruf des Schauspielers unbedingt aus der Schmuddelecke holen. Er verlangt allerdings gerade Ungeheures: Schauspieler sollen saubere Kleidung tragen, ihren Text auswendig können, pünktlich sein, Sprechtraining machen und ihre Figuren natürlich spielen. Man kann sich vorstellen, wie die Realität meist noch aussieht ...

In seinen späteren Jahren versucht Ekhof sogar, eine Art Kranken- und Rentenversicherung für die oft bitterarmen Schauspieler zu gründen – mehr als 100 Jahre vor Bismarcks Sozialversicherung! Der Visionär muss damit wohl scheitern, aber er schafft einen Vorläufer der heutigen Künstlersozialkasse.

Das Hamburger Publikum sei das „ungebildetste, das ich je kennengelernt habe“

Auch Ackermanns Haus scheitert schnell – schon nach zwei Jahren ist er bankrott. Es gibt zwar gleich eine Neugründung, doch auch dieses mit höchsten künstlerischen Ansprüchen gestartete „Hamburger Nationaltheater“ ist nach zwei Jahren wieder Geschichte. Da nutzt es auch nichts, dass mit Gotthold Ephraim Lessing einer der größten Geister der Zeit als Dramaturg gewirkt hat.

Nach abermals zwei Jahren Vakanz übernimmt Friedrich Ludwig Schröder das Haus und kann es endlich dauerhafter etablieren. Er findet eine Mischung aus Anspruch und Unterhaltung und macht die Hamburger mit Shakespeare bekannt, was allerdings nur eine überschaubare Menge erfreut.

1796 verlässt Schröder das Haus schließlich frustriert. Das Hamburger Publikum sei das „ungebildetste, das ich je kennengelernt habe“, sagt er. „Indessen, ich verdanke ihm meinen Wohlstand, und so vergebe ich ihm den Mord an meiner Kunst.“ Das Theater wechselt 1827 in den Neubau des Stadttheaters. Doch anspruchsvolle Stücke haben es immer noch schwer. „Außer dem Dichternamen Schiller bewirkt bei uns noch derjenige von Goethe und Lessing unfehlbar ein leeres Haus , beklagt der Theaterchef 1838. Um hinzuzufügen: „Herr Hampelmann im Eilwagen ist stets ausverkauft.“


Theatergründungen sind verboten


Das 19. Jahrhundert ist wahrlich nicht die goldene Zeit des Hamburger Theaters. Bis auf eine Ausnahme darf keine neue Bühne eröffnet werden. Das Bemühen, das Stadttheater von Konkurrenz zu befreien, geht so weit, dass nicht einmal Seiltänzer und Jongleure auftreten dürfen. Vom „Ersten Haus am Platze“ erwartet der Senat dafür „Erbauliches“. Also nicht allzu oft Herrn Hampelmann.

Trotz Verbots wird das      Thalia Theater gegründet,   dessen Vor­geschichte sich im Halblegalen findet. Es ist zunächst eine „Winkelbühne“.
Trotz Verbots wird das Thalia Theater gegründet, dessen Vor­geschichte sich im Halblegalen findet. Es ist zunächst eine „Winkelbühne“. © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Das kann auf Dauer nicht gut gehen. So wird das Stadttheater immer mehr zur Oper, während die an leichter Unterhaltung Interessierten in die Vorstädte gehen, denn auf St. Pauli und in St. Georg gelten die Verbote nicht. An der Reeperbahn entsteht so ein Vergnügungsviertel mit Dutzenden Theatern, Varietés und Gaststätten mit kleinen Bühnen.

Die erwähnte Ausnahme vom Verbot ist das Thalia Theater, dessen Vorgeschichte sich im Halblegalen findet. Es ist zunächst eine „Winkelbühne“. So nennt man Einrichtungen, die keine offizielle Genehmigung haben und stillschweigend geduldet werden. So gibt es auch viele „Winkelschulen“, in denen drittklassig ausgebildete, dafür aber erstklassig prügelnde Lehrer gegen Gebühren Unterricht fragwürdiger Qualität geben.

Aus der Not macht er eine Tugend

Es ist eine Wirtshausbetreiberin, von allen nur „Witwe Handje“ genannt (ein Vorname ist nicht überliefert), der es gelingt, für ihre Winkelbühne eine Konzession zu erhalten. Nach mehreren Umzügen eröffnet sie an der Steinstraße ein Haus mit 600 Plätzen. Ab 1831 wirkt der aus Frankreich stammende Charles Maurice Schwartzenberger – ganz weltmännisch „Chéri Maurice“ genannt – als Direktor. Nach Witwe Handjes Tod 1842 kann er die Konzession übernehmen und lässt am heutigen Gerhart-Hauptmann-Platz ein Theater mit 1800 Plätzen errichten.

Aus der Not macht er eine Tugend. Weil das Stadttheater ja keine Konkurrenz haben soll, darf das Thalia nur Lustspiele aufführen – zeitweise sind maximal sogar nur zwei Akte gestattet! Doch Schwartzenberger nimmt das Lustige ernst und widmet sich mit voller Kraft der Ausbildung seines Ensembles, was den hervorragenden Ruf des Hauses begründet. 1912 zieht es in den noch heute bestehenden Neubau gegenüber dem alten Standort um. Was jedoch nicht alle bejubeln, denn dort hat zuvor die Barmbecker Bierhalle gestanden, eines der größten Gasthäuser der Stadt ...


Aktiengesellschaft baut Schauspielhaus


1869 fällt das anachronistische Verbot von Theatergründungen, doch zunächst tut sich nicht viel. Erst um die Jahrhundertwende, als in der schnell wachsenden Stadt ein breites Bildungsbürgertum entstanden ist, wird Hamburg ein höheren Ansprüchen genügendes Theater bekommen. Künstler und private Finanziers gründen eine Aktiengesellschaft und bauen das Deutsche Schauspielhaus, das 1900 an der Kirchenallee eröffnet. Der Name soll an das „Hamburger Nationaltheater“ und Lessing erinnern, dessen Anspruch es ja gewesen ist, vermehrt deutsche Stücke auf die Bühne zu bringen.

Dem eigenen Anspruch, auf dem Niveau des Wiener Burgtheaters zu arbeiten, wird man aber zunächst nicht gerecht. Zwar gibt es Klassikeraufführungen auf durchaus hohem Niveau, aber es überwiegen „Schwank- und Schmalzfabrikanten“, wie der Theaterhistoriker Diedrich Diederichsen urteilt. So ist es dem Thalia vorbehalten, moderne Autoren wie Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler oder Frank Wedekind zu inszenieren.

Ein ähnliches Repertoire hat auch die 1893 von Arbeitern gegründete „Freie Volksbühne Hamburg-Altona“, doch unter dem Druck der Polizeibehörden, die alles Sozialdemokratische vehement bekämpfen, muss das Projekt nach sieben Jahren aufgegeben werden.

Das Schauspielhaus indes wird erst nach dem Ersten Weltkrieg zu der bedeutenden Bühne, die es bis heute geblieben ist. 1918 erhält es zusätzliche Konkurrenz, als die hochambitionierten Kammerspiele eröffnen. Intendant Erich Ziegel setzt voll auf Moderne und Avantgarde und bietet dem Expressionismus eine Bühne. Zwei Jahre nach dem Schauspielhaus gründet dann Richard Ohnsorg sein gleichnamiges Theater. Zur niederdeutschen Bühne wird es übrigens erst 1910, zuvor wird hochdeutsch geschauspielert.


Lesen Sie Sonnabend den letzten Teil: Geschichte der Bildungspolitik