Harvestehude. Marco Grams gehört zum Inventar des Restaurants an der Isestraße. Jetzt rührt er Stammgäste zu Tränen. Ein Geheimnis bleibt.

Für den einen wird ein Traum wahr, für zwei andere ist er zerplatzt: Marco Grams, langjähriger Kellner in der „Brücke“, hat das Kultlokal an der Isestraße übernommen. Nach dem Tod von Wirt Branko Goricki im Juli war es zunächst von einem Hamburger Paar gekauft worden, das sich dort in Jugendzeiten beim Kellnern kennenlernt hatte. Wie berichtet, mussten sie es aber nach zwei Wochen wegen eines gravierenden Sanierungsstaus wieder schließen.

Nach viel Hin und Her und wochenlangen Verhandlungen, über die keiner der Beteiligten Näheres sagen will, ist es Grams nun gelungen, das Restaurant mit Hilfe eines stillen Teilhabers zu pachten. Denn es machte zwar den Charme dem „Brücke“ aus, dass sich dort während des 36-jährigen Bestehens nichts verändert hatte, aber es war eben auch kaum etwas in die Instandhaltung geflossen.

Isestraße: Restaurant „Brücke“ wird wieder eröffnet

Jetzt stehen die Türen des Restaurants vis-à-vis des namensgebenden U-Bahnviadukts wieder offen. Ein Blick ins Innere offenbart, dass hier mächtig gearbeitet wird. Die teils noch originalen Thonet-Stühle sind aufeinander gestapelt, die Tische im Art-déco-Stil zusammengeschoben, daneben herausgerissene Waschbecken und Rohre, ein Stapel Zementsäcke und ein Küchenarbeitstisch aus Edelstahl mit einer Schneidemaschine drauf. Aus einem Loch in der Wand hinter dem Tresen hängen Kabel, alles ist von einer leichten Staubschicht bedeckt.

Inmitten dieses Chaos sitzt Grams. „Ich bin total glücklich, denn dieser Laden ist ein wichtiger Teil meines Lebens“, sagt der 50-Jährige, der mit Frau und zwei Töchtern in Ottensen wohnt. Welch große Rolle die „Brücke“ auch für viele andere spielt, wird bei diesem Besuch schnell klar. Immer wieder gucken ehemalige Gäste zur offenen Tür herein, werden von Grams mit Namen und einer Umarmung begrüßt. „Hallo, Stefan“, sagt er zu einem blonden Mann. „Hallo, Denise“, zu einer eleganten Frau, die ihn fragt: „Ist es wahr? Du machst weiter? Als ich das hörte, hatte ich Tränen in den Augen.“

Stammkellner Marco Grams übernimmt Kultlokal

Alle freuen sich, dass die „Brücke“ wieder aufmacht – und vor allem, dass Marco, „ihr Stammkellner“, wieder an Bord ist. Die Blumenfrau vom Isemarkt gegenüber bringt sogar eine weißblühende Königsprotea vorbei. „Das rührt mich total“, sagt Grams, der nach jeder Begrüßung den Faden seiner Erzählung wieder neu aufnehmen muss. Die „Brücke“ lernte er als 20-Jähriger kennen, da war der kaufmännische Auszubildende gerade aus dem Elternhaus in Poppenbüttel nach Ottensen gezogen. „Mein Bruder Olaf war damals Koch in der ,Brücke, und ich durfte mit dem Personal essen, wenn mein Kühlschrank mal wieder leer war“, erinnert er sich.

Für Marko Grams, der seit 22 Jahren in der „Brücke“ arbeitet, wird mit der Übernahme und Wiedereröffnung des Szenerestaurants ein Traum wahr.
Für Marco Grams, der seit 22 Jahren in der „Brücke“ arbeitet, wird mit der Übernahme und Wiedereröffnung des Szenerestaurants ein Traum wahr. © HA | Michael Rauhe

Später machte er mit beim Partyservice Boa Vista, den sein Bruder und der Hamburger Gastronom gegründet hatten, „da hatte ich die Gastronomie schon für mich entdeckt“. Dennoch folgten viele Jahre in einer TV-Produktionsfirma, für die der Videoclips einkaufte. „Das war die Zeit, als die ,Brücke‘ ein Szenelokal war und hier jeden Abend Partys gefeiert wurden“, erzählt Grams, der mit seinen Kollegen vom Film oft mit dabei war – oft in Gesellschaft illustrer Stammgäste wie Wolfgang Joop, Ben Becker oder Ulrich Wickert.

„Brücke“: Szenelokal und Nachbarschaftsrestaurant

Als das TV-Unternehmen Anfang der 2000er Pleite ging, wurde er entlassen und jobbte zunächst in der „Amphore“, einer beliebten neuen Bar an der Hafenkante. „Das war richtig Maloche, die Leute standen in Trauben vor dem Laden. Irgendwann rief Branko mich an und fragte, ob ich nicht lieber bei ihm arbeiten wolle, bevor ich mir in der ,Amphore’ einen Bandscheibenvorfall hole“. Grams lächelt. „Das war vor 22 Jahren.“

Die „Brücke“ wurde mit ihren Gästen älter und wandelte sich vom Szenelokal fürs Partyvolk zu einem eher gediegenen Nachbarschaftsrestaurant. Und wohl kaum einer aus der Belegschaft fühlte sich ihr so verbunden wie Grams. Umso schlimmer war für ihn der Tod seines Arbeitgebers und Freundes Branko, der Verkauf des Lokals und dann die plötzliche Schließung. Denn trotz des Versprechens der damaligen Betreiber, es so schnell wie möglich zu sanieren und wieder zu eröffnen, wusste er nicht, wie und ob es weitergeht.

„Brücke“ auf Instagram: Ein voller Erfolg

Schon seit Jahren hatte er immer wieder mit dem Gedanken gespielt, die „Brücke“ mit einem Partner zusammen zu kaufen. Aus verschiedenen Gründen war es aber dazu nie gekommen. Dann, als im Laufe der jüngsten Verhandlungen um die Zukunft der „Brücke“ schließlich die Hausverwaltung das Sagen hatte, „war meine Chance gekommen“, wie er sagt.

Dass nicht nur immer wieder neugierige Gäste vorbeischauen, sondern das Restaurant auch auf seinem Instagram-Account 1400 Follower, 400 Likes und 150 Kommentare verzeichnen konnte, bestärkt ihn. „Ich habe offenbar das Richtige gemacht.“

Wiedereröffnung der „Brücke“ am 1. Dezember

Und deshalb muss er jetzt auch das Gespräch beenden. Denn es ist noch viel zu tun. Handwerker verschiedener Gewerbe warten nebenan, um mit ihm zu besprechen, wann was gemacht werden soll. „Wir werden im Gastraum nur Schönheitsarbeiten vornehmen“, erklärt er noch schnell. Im sichtbaren Bereich werde sich nichts ändern, außer in den Toiletten. Aber im Hintergrund würden Technik, Küche, Lüftung und Elektrik erneuert.

Auch Gespräche mit der „alten Crew“, die er „zurückholen“ will, stehen an. „Wann macht ihr wieder auf?“, fragt gerade ein Mann mit Schirmmütze, der durch die offene Tür blickt. Marco Grams steht auf. „Am 1. Dezember“, sagt er. Guckt sich um. Und fügt hinzu. „Ohne Gewähr. Vielleicht gibt es auch nur eine Suppe und ein paar Drinks, weil noch nicht alles fertig ist.“