Hamburg. Die neue Steuerschätzung sagt der Stadt zwar hohe Mehreinnahmen voraus. Doch die Wirtschaft bricht langsam ein.

Es wirkt auf den ersten Blick paradox: Hamburg kann bis 2026 mit Steuer-Mehreinnahmen von insgesamt gut drei Milliarden Euro rechnen – gewinnt dadurch aber kaum neuen Spielraum und droht sogar, in eine Rezession zu rutschen. Wie Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) anlässlich der aktuellen Steuerschätzung betonte, werden die Mehreinnahmen fast vollständig aufgezehrt von Hamburgs Anteil an den diversen Entlastungspaketen sowie den steigenden Kosten, unter denen die Stadt ebenso leidet wie alle Bürger.

Hinzu kommt, dass die Einnahmen des Staates vor allem wegen der historisch hohen Inflation von rund zehn Prozent steigen, während die Wirtschaftsleistung langsam einbricht: Für 2022 geht der Finanzsenator für Hamburg zwar noch von einem realen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,8 Prozent aus, mehr als im Bund (1,4). Für 2023 wird aber ein Rückgang von 1,0 Prozent erwartet (Bund: minus 0,4). „Wir müssen davon ausgehen, dass wir auch in Hamburg eine Rezession sehen werden“, sagte Dressel am Dienstag im Rathaus.

Finanzen Hamburg: Steuerentlastung auch für Spitzenverdiener?

Angesichts der trüben Aussichten warnte der Finanzsenator vor weiteren Steuerentlastungen auch für Besserverdienende: „Die inflationsbedingten Steuermehreinnahmen müssen wir über gezielte und gerechte Entlastungen an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zurückgeben“, sagte Dressel. Auf der anderen Seite müssten Länder und Kommunen in der Krise weiter handlungsfähig bleiben, auch um zum Beispiel Unterstützungsmaßnahmen finanzieren zu können.

Mehrfach kritisierte er in dem Zusammenhang Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dafür, dass dieser parallel zu den Verständigungen zwischen Bund und Ländern weitere Gesetze vorgelegt habe, die unter anderem auch einen Inflationsausgleich für Spitzenverdiener beinhalten. „Senatorinnen und Senatoren, Ministerinnen und Minister und andere Spitzenverdienerinnen und Spitzenverdiener brauchen keinen vollständigen Inflationsausgleich“, betonte Dressel.

49-Euro-Ticket: Hamburg muss sich an den Kosten beteiligen

Konkret werden Hamburg für das laufende Jahr Steuereinnahmen von gut 14,6 Milliarden Euro vorausgesagt – 576 Millionen mehr als noch bei der Steuerschätzung im Mai, die bereits die Erwartungen deutlich nach oben korrigiert hatte. Für 2023 und 2024 sind die Prognosen ähnlich positiv, und für 2025 und 2026 werden sie sogar um mehr als 700 Millionen Euro nach oben gesetzt.

Den prognostizierten Mehreinnahmen stehen im Zeitraum bis 2026 höhere Kosten von knapp 1,4 Milliarden Euro für Hamburgs Anteil am Entlastungspaket des Bundes entgegen. Ein Punkt darin ist das neue 49-Euro-Ticket für den bundesweiten Nah- und Regionalverkehr. An den Kosten müssen sich die Länder zur Hälfte beteiligen. Der Hamburger Anteil steht noch nicht genau fest, kann aber bis zu 86 Millionen Euro pro Jahr betragen. Die von Lindner angestrebten zusätzlichen Entlastungen würden die Stadt in den kommenden Jahren weitere 700 Millionen Euro kosten, rechnete Dressel vor.

Corona-Krise sorgte für zusätzliche Schulden in Hamburg

Er verwies zudem auf einen Hamburger Sondereffekt: Bekanntlich erhält die Stadt für ihren 13,9-Prozent-Anteil an der Reederei Hapag-Lloyd für dieses Jahr eine Dividende von mehr als 800 Millionen Euro, um die sie viele andere Länder beneiden. Diese profitieren davon jedoch indirekt auch: Denn die Anteilseigner müssen auf die enormen Ausschüttungen der Reederei entsprechend viel Kapitalertragsteuer abführen – die Einnahmen der Stadt aus dieser Steuer steigen daher um mehr als 140 Prozent. Und davon muss Hamburg rund zwei Drittel an den Länderfinanzausgleich abführen. Statt wie in normalen Jahren rund 250 Millionen zahlt Hamburg 2022 rund 760 Millionen Euro in diesen Topf, aus dem traditionell Berlin die höchsten Auszahlungen erhält.

Nachdem schon die Corona-Krise für zusätzliche Schulden gesorgt habe, sei nun „eine nachhaltige Haushaltsdisziplin das Gebot der Stunde“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. Auch er verwies darauf, dass die Inflation die Steuereinnahmen erhöhe: „Derzeit hohe Preissteigerungen führen in vielen Fällen auch zu zusätzlichen Steuerzahlungen der Bürger. Hier darf der Staat keine Inflationsgewinne machen, während die Steuerzahler von hohen Mehrbelastungen betroffen sind.“ Der Senat dürfe geplante Maßnahmen zur Abmilderung der kalten Progression nicht „unterlaufen.“

Finanzen Hamburg: Opposition kritisiert Dressel

David Stoop, Finanzexperte der Linkspartei, forderte, „jetzt diejenigen zu entlasten, die unter der Inflation besonders zu leiden haben. Der Senat aber plant weiterhin einen Kürzungshaushalt. Mehrkosten durch die Inflation werden bisher nicht ausreichend berücksichtigt.“ Thomas Reich, haushaltspolitische Sprecher der AfD, kritisierte, dass von den sprudelnden Steuereinnahmen kaum etwas bei den Bürgern ankomme: „Wenn Finanzsenator Dressel trotz positiver Steuerschätzung warnt und die Krise erst am Anfang sieht, ist das bezeichnend.“

Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) verteidigte die Pläne von Christian Lindner: „Der Finanzsenator liegt falsch. Steuergerechtigkeit muss für alle Einkommensgruppen gelten: Für Geringverdiener, die durch zahlreiche Maßnahmen der Bundesregierung ohnehin entlastet werden, aber eben auch für Bezieher mittlerer Einkommen und den Mittelstand, die übermäßig besteuert werden.“ Petra Ackmann vom Bund der Steuerzahler warf dem Senat einen „Geist der Verschwendung“ vor und forderte „klare Sparanstrengungen“.