Hamburg. Forschung statt Hafen, Wissenschaftler statt Schauerleute: Das Hamburg Konvent hat seine “Handlungsanregungen“ übergeben.
Dieses Papier dürfte für Debatten sorgen – und das soll es auch. Unter der Überschrift „Das kann Hamburg! Was es braucht für die Zukunft der Stadt“ haben die Initiatoren des Hamburg Konvent nach zwei Jahren Vorarbeit ihre „Handlungsanregungen“ am Dienstag im Rathaus an Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) übergeben.
Professor Michael Göring, Ex-Chef der „Zeit“-Stiftung, Nikolas Hill, Ex-Kulturstaatsrat (CDU) und Professor Henning Vöpel, der frühere Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts HWWI, legen „Drei Thesen für die nötige Neuausrichtung“ vor, die es in sich haben.
Hamburg Konvent: Investition in "Köpfe statt Container"
Das Autoren-Trio fordert, in „Köpfe statt Container“ zu investieren, um Hamburg zum „Boston an der Elbe“ zu machen. Zweitens müsse die Hansestadt die „Chancen der Internationalität“ besser nutzen, und drittens innerhalb der Metropolregion die „Verwaltungsgrenzen überwinden“. Mit einem Gedankenspiel machen die Autoren deutlich, woran es der Hansestadt ihrer Ansicht nach mangelt.
„Was wäre eigentlich, wenn Hamburg heute keinen Hafen hätte? Würden wir uns immer noch dafür entscheiden, in der Mitte unserer Stadt eine Landfläche herzugeben, die so groß ist wie Berlin-Mitte, doppelt so groß wie der Frankfurter Flughafen, um dort solch eine Industriefläche anzulegen?“ Man ahnt die Antwort.
Hafen Hamburg: Welche Rolle spielt er noch?
Mit wenigen Eckdaten belegen Göring, Hill und Vöpel, wie der Hafen an Bedeutung verliert. „Seit etwa 15 Jahren stagniert die Umschlagsmenge der Elbterminals“, heißt es. Die härtesten Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen wüchsen dagegen ebenso wie der Welthandel. Ihr Fazit: „Für Hamburg bietet der Hafen offensichtlich keine Perspektive, um unseren Wohlstand für die nächsten 70 Jahre zu sichern.“
Zwar räumen sie ein, dass nicht allein die Zahl der umgeschlagenen Boxen entscheidend sei und Hamburg auch nicht absehbar auf Regionalhafen-nivea schrumpfen werde. Aber Wachstum sei halt nicht in Sicht: „Es geht allenfalls um die Erhaltung des Status quo.“
Hafen Hamburg: Umschlagplatz für Chinas Billigwaren?
Hinzu komme, dass durch die Digitalisierung der Terminals Container nur noch vollautomatisch von einem Verkehrsmittel auf das andere geladen würden: „Wir bewegen hier lediglich Metallkisten.“ Eine Weiterverarbeitung und damit Wertschöpfung finde in Hamburg kaum statt. „Die Aussicht, nur noch als billiger Umschlagplatz für Chinas Waren am Ende ihrer neuen Seidenstraße herzuhalten, ist keine attraktive Perspektive für eine Metropole mit dem Anspruch und Selbstbewusstsein Hamburgs.“
Da dränge sich die Frage auf, ob der Senat auch weiter jährlich etwa 300 Millionen Euro in den Hafen investieren solle. „Was sonst könnte sich entwickeln, was sollte gefördert werden, was vielleicht zukunftsweisender angestoßen werden auf den riesigen Flächen zwischen Harburg und Mitte?“ Antwort: Forschung und Entwicklung. Sie sollten künftiger Schwerpunkt der „Förderung und Lenkung“ sein, die sich in der Verfassung findet.
Boston soll Hamburg ein Vorbild sein
Die nordamerikanische Metropole Boston, die nach Ansicht der Autoren als Vorbild dienen kann, hat auch einen Hafen. Dieser sei weiterhin durchaus bedeutend, aber sicher kein „Welthafen“ mehr, schreiben die Autoren. Die Wirtschaftskraft der Region werde hauptsächlich durch Bildungseinrichtungen, Gesundheitswesen, Finanzwirtschaft und Technologie bestimmt – und maßgeblich mitgeprägt durch die Harvard University und Massachusetts Institute of Technology (MIT) – beide sind Spitzenuniversitäten.
Boston kennzeichne eine enge Kooperation zwischen Politik, Industrie und Universitäten. „So zählen diese Einrichtungen nicht nur zu den größten Arbeitgebern der Stadt, sondern üben auch eine hohe Anziehungskraft für die Ansiedlung vieler Hightech-Unternehmen aus, wie zum Beispiel aus dem IT-Bereich.“
Hamburg investiere zu wenig in die Wissenschaft
Wissenschaft stehe in Hamburg zwar oben auf der politischen Agenda. Allerdings investiere die Hansestadt im Vergleich mit herausragenden Wissenschaftsstandorten immer noch zu wenig in Hochschulen und wissensgetriebene Wirtschaft. „Wir waren eine Welthafenstadt – nun sollten wir eine Weltwissenschaftsstadt werden“, sagt Nikolas Hill.
Er und seine Mitstreitenden hoffen auf eine Debatte darüber in der Bürgerschaft und im Senat und auf das Interesse möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger. Im Internet ist das Papier zu finden unter: www.hh-konvent.de.
Ein Ansatz, schreiben die Autoren, sei „sicher, die staatlichen Mittel für Wissenschaft und Forschung erheblich zu steigern“. Diese Investitionen sollten der „Humus sein für privatwirtschaftliches Engagement, wie wir es bisher nicht kennen an der Elbe“. Wer derart für Innovationen in Hamburg sorge, werde „nicht zuletzt bei Steuereinnahmen, Wirtschaftskraft und Lebensstandard belohnt werden“.
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Um Ansiedlungen von Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen zu fördern, könnte man ihnen für freie Flächen im Hafen günstige Mieten wie für die Hafenwirtschaft anbieten. Allein die Hamburg Port Authority habe mehr als 1800 Hektar an vermietbaren Flächen.
„Hamburgs größtes Potenzial“ ist „Vielfalt der Menschen“
Eher allgemein fällt das Plädoyer aus, die Internationalität der Stadt zu nutzen. „Hamburgs größtes Potenzial“ liege in der Vielfalt der Menschen, die hier leben. Angesichts der Tatsache, dass 37,4 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger einen Migrationshintergrund haben und sich dieser Anteil erhöhen werde, fordern die Autoren: „Statt wie manche darüber zu lamentieren, sollten wir dies als positive Aussicht begreifen.“
Hamburg müsse „dichter am Puls der Zeit sein, um ein Ort zu werden, der Menschen anzieht, die hier kreativ und unternehmerisch aktiv sein wollen“. Zugleich stelle die Internationalität eine Herausforderung dar, da sich diese Menschen nicht ohne Weiteres als Teil der Stadtgesellschaft fühlten.
Um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, regen die Autoren an, dass die Angebote der Kultureinrichtungen in Hamburg „wesentlich stärker auch Menschen aus nicht deutschen Kulturkreisen ansprechen“ sollten. Das gemeinsame Wertefundament müsse aber mit Nachdruck vertreten werden: „Die Leitplanken gelten für alle.“