Hamburg. Schiff liegt jetzt an Europas größten Donut-Fendern. Nächster Schritt ist die Rekonstruktion von Kapitänssalon und Offizierskajüten.
Die stürmische Wintersaison kann kommen. So riskant, wie während der heftigen Sturmwoche im vergangenen Februar, als Zeynep, Ylenia und Antonia aufeinander folgten, wird es nicht wieder werden – weder für die „Peking“ noch für die vierköpfige Crew, die das 115 Meter lange Stahlschiff damals aus Sorge, das die Leinen reißen, von einem PS-starken Schlepper an die Kaimauer drücken ließ.
„Und das mitten in der Nacht“, erinnert sich Carsten Jordan aus dem Team des künftigen Deutschen Hafenmuseums, der für den legendären Viermaster mitverantwortlich ist und vor Ort bei dessen Sicherung half.
Peking ist sicher vertäut: Donut-Fender im Einsatz
Während damals der Wind aus Nordwest die „Peking“ mit voller Kraft von der Kaimauer wegdrückte, hätte sie ein Starkwind aus der Gegenrichtung bei entsprechendem Hochwasser theoretisch an den Kai drücken und beschädigen können. Doch auch darum muss sich künftig niemand mehr sorgen. Denn das Schiff ist jetzt bestens gesichert: fest vertäut an zwei 37 Meter hohen und eineinhalb Meter dicken Dalben aus Stahl, die Ende August 17 Meter tief in den Boden des Hansahafens gerammt, mit Sand verfüllt und verschlossen wurden. Danach wurden den Dalben zwei sogenannte Donut-Fender mit Pollerkränzen zum Befestigen der Leinen übergestülpt.
Die mächtigen, mit Schaum gefüllten Ringe fungieren gleichermaßen als Stoßdämpfer und Abstandshalter, sind die ersten ihrer Art im Hamburger Hafen – und mit einem Durchmesser von fast vier Metern und einer Höhe von gut sechs Metern die größten, die in ganz Europa derzeit im Einsatz sind.
„Peking“: Teil der Innenausstattung wird rekonstruiert
Carsten Jordan und Jeannette Witrahm, die bei der Stiftung verantwortlich für bauliche Belange ist und das Einbringen der Dalben gemeinsam mit der Hamburg Port Authority geplant hat, freuen sich noch aus einem anderen Grund darüber, dass die Sicherungsarbeiten planmäßig abgeschlossen werden konnten.
„So konnten wir zum Hafengeburtstag mit einer Ausnahmeregelung stündlich Führungen anbieten“, sagt die Architektin. 1500 Besucher konnten so innerhalb von drei Tagen durch die „Peking“ geschleust werden, die normalerweise während des Ausbaus zum Museumsschiff nur von kleineren Gruppen besichtigt werden darf.
Noch bis Ende des Monats können sich Besucher durch das Schiff führen lassen – dann geht es in die Winterpause. Es ist bereits die dritte, seit die „Peking“ im September 2020 von der Werft in Wewelsfleth nach Hamburg geholt wurde. Während die vergangenen Winter für die Vervollständigung des technischen Innenausbaus genutzt wurden, laufen jetzt die Recherchen zur Rekonstruktion der Mannschaftsräume auf Hochtouren.
Aus der Bauzeit nur wenige Dokumente über Inneneinrichtung
Denn im Brückenhaus sollen der Kapitänssalon, die Offiziers- und Mannschaftskammern sowie die Kombüse originalgetreu wieder hergestellt werden. Und das ist eine Herausforderung. „Es gibt nur sehr wenige Fotos oder Zeichnungen, die die Inneneinrichtung aus der Bauzeit dokumentieren“, sagt Carsten Jordan, der für den Wiederaufbau verantwortlich ist. Die 1911 bei Blohm + Voss vom Stapel gelaufene Viermastbark segelte bis 1932 für die Reederei F. Laeisz über den Atlantik, wurde dann von den Engländern zum Internatsschiff umgebaut und 1974 vom New Yorker South Street Seaport Museum erworben. Dort habe man zwar Teile der verlorenen Innenausstattung rekonstruiert, aber nicht originalgetreu, so Jordan.
Er weist auf Teile einer historisch anmutenden Decken- oder Wandverkleidung, die in einer Ecke des Brückenhauses lagern. Direkt daneben Schranktüren und -griffe. Diese, so haben es wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, sind tatsächlich original. Die Vertäfelungen dagegen wurden später nachgebaut.
Die „Peking“ soll nicht zu einem „Fantasiewerk“ werden
Mit wissenschaftlichem Ansatz und entsprechend akribisch sichtet Jordan seit Monaten historische Unterlagen, alte Fotografien und Dokumente, die aus dem Archiv von Blohm + Voss und der Reederei Laeisz stammen. Auch vermeintliche Ausstattungsteile der „Peking“ – etwa ein Kompass oder eine Badewanne mit Löwenfüßen – werden eingehend geprüft, entpuppen sich jedoch in der Regel als nicht-originalgetreu. „Die ,Peking’ soll nicht durch ein Sammelsurium zusammengetragener Gegenstände zu einem Fantasiewerk werden“, betont Jordan, der seine Recherchearbeit mit dem Zusammenfügen eines Puzzles bezeichnet. „Wir wollen kein Operettenschiff.“
Glücklicherweise gebe es recht viele bauzeitliche Innenaufnahmen aus der 1957 untergegangenen „Pamir“ und dem Schwesterschiff „Passat“. Beide gehörten mit der „Peking“ zu den letzten acht Viermastbarken, die für die Reederei Laeisz gebaut wurden. Jordan zeigt zwei alte Schwarz-Weiß-Bilder: das einer Weihnachtsfeier in der Mannschaftslogis und eines aus dem Kapitänssalon. „Daran können wir uns bei der Rekonstruktion der Wandverkleidung und der Möbel orientieren.“ Was dagegen noch fehle, sei etwa ein Foto vom Flaggenschrank.
Vertikale Stahlbänder markieren Lage der zu rekonstruierenden Bereiche
Der soll später ins Kartenhaus der „Peking“, das restauriert und bereits Anfang 2020 zu Füßen des Großmasts aufgestellt worden war. Wir steigen eine steile Treppe aus schimmerndem Hartholz hinauf und bewundern Decken- und Wandverkleidung, die mittlerweile rekonstruiert und angebracht wurden. Auch das historische „Bordtelefon“ wird ausprobiert: Das Kupferrohr mit zwei trichterförmigen Enden, die mit einem Pfropfen verschlossen werden können, verbindet das Kartenhaus mit dem Offiziersbereich unten im Brückenhaus.
Dort markieren vertikale, knapp schienenbeinhohe Stahlbänder die späteren Wände der zu rekonstruierenden Bereiche. Sie liegen jedoch ausschließlich auf backbord, denn die Steuerbordseite soll für den barrierefreien Durchgang und künftige Ausstellungen frei bleiben.
Leider lag hier auch das sicher prunkvolle Badezimmer des Kapitäns, das daher nicht rekonstruiert werden wird. Der Originalausstattung nachempfunden wird dagegen der Waschraum für die Offiziere – dort steht (noch) die oben bereits erwähnte Badewanne mit den Löwenfüßen. Sie als Replik zu erkennen, sei übrigens nicht schwer gewesen, sagt Jordan belustigt. „Es steht ,Made in USA’ drauf.“
Segel wurden in Finnland genäht – aber werden nicht angeschlagen
Auch mehrere riesige Segel liegen hier unten. Sie wurden von den Segelmachern des Museumschiffes „Pommern“ in Finnland für den Förderverein der „Freunde der Viermastbark Peking“ genäht und entsprechen in Machart und Maßen den Originalsegeln. Dauerhaft angeschlagen werden sie dennoch nicht, denn die „Peking“ wird nie wieder segeln. Aber das Engagement der finnischen Segelmacher und des Fördervereins soll dennoch gewürdigt werden. „Wir überlegen, wo wir die Segel im Hafenmuseum ausstellen und vorführen können, um den Besuchern einen Eindruck von ihrer imposanten Größe zu vermitteln“, so Jordan.
Ein weiteres Zeichen der starken Verbundenheit vieler mit dem legendären Schiff zeigte sich während des Setzens der Dalben. Um dem Schwimmkran genügend Platz zu verschaffen, hatte man die Rahen gebrasst – also schräg gesetzt. „Das ist in der Seefahrt offenbar ein Zeichen dafür, dass es der Frau des Kapitäns nicht gut geht. Sie glauben gar nicht, wie viele Menschen uns angerufen haben und gefragt haben, ob bei uns alles in Ordnung ist“, erzählt Jeannette Witrahm.
Neue Gangway soll barrierearmen Zugang zur „Peking“ ermöglichen
Während sich Jordan in den nächsten Monaten mit der weiteren Recherche zur Innenausstattung beschäftigen wird, ist Witrahms nächstes Projekt die neue Gangway: 18 Meter lang und 1,20 Meter breit soll sie später den barrierearmen Zugang zum Schiff ermöglichen. „Damit sie flexibel auf Wasserstand und Wind reagieren kann, wird sie schiffsseitig an ein Zugangspodest mit Drehverbindung montiert.“, erklärt die Architektin.
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Die letzten regulären Führungen vor der Winterpause sind bereits ausgebucht. Doch am 31. Oktober, im Rahmen des von der Stadt Hamburg ausgerufenen Aktionstages #seeforfree, kann man noch einmal an Bord der „Peking“ gehen – sogar kostenfrei und ohne Anmeldung (Deutsches Hafenmuseum, Australiastraße, Schuppen 50A, 10 bis 17 Uhr, auf Wartezeiten einstellen).