Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: Vivian Grevens „Losa I, II, III, IV“
Die Bilderserie „Losa I bis IV“ zeigt eine nackte junge Frau, die dabei ist, sich einen Schuh anzuziehen. Gedankenverloren, doch voller Grazie beugt sie sich nach vorn, um das Gleichgewicht zu halten. Ihr linkes Bein hebt sie an, ihre rechte Hand geht an ihren Fuß, während ihr linker Arm für die Balance sorgt. Es geht hier keineswegs um Sexualität, sondern um eine elegante Form von Körperlichkeit.
Die deutsche Künstlerin Vivian Greven hat eine Serie von vier Bildern produziert, die sie „Losa I bis IV“ genannt hat. Sie hat mit Öl auf Leinwand gemalt und dabei jedes Mal den Blickwinkel und die Farben verändert. „Es geht um eine Perspektivverschiebung. Das erste, sehr helle Bild könnte man mit der Luft assoziieren, das letzte, sehr viel dunklere, vielleicht mit der Erde“, sagt Greven dazu. „Die Reihenfolge der Bilder ist nicht so wichtig. Im Grunde sind alle vier singuläre Arbeiten.“
Greven zitiert mit ihrem Werk ein Anderes
Die Bilder sind erst in diesem Jahr entstanden. Sie hat ihre Werke dann „quasi pinselnass“ an die Hamburger Kunsthalle geliefert, wo sie im Rahmen der Ausstellung „Viermalvier/Fourtimesfour“ kuratiert von Alexander Klar zu sehen ist, die an die Himmelsrichtungen und die Jahreszeiten erinnern will. Mit ihrem Tetraptychon – selten benutztes Wort für ein Vierfachbild – hat Greven ein anderes Werk aus der Kunsthalle zitiert.
Um 1900 schuf Louis Tuaillon die Bronze „Die Sandalenbinderin“. Der Berliner Künstler (1862–1919) mit dem so französisch klingenden Namen gilt als ein Wegbereiter der Moderne, sein Hauptwerk heißt „Amazonen zu Pferde“.
Greven: Farbe als Ausgangspunkt
Die 36 Jahre alte Künstlerin Vivian Greven, die in Bonn geboren wurde, aber in Düsseldorf lebt und arbeitet, hat Tuaillons Bronze aus verschiedenen Blickwinkeln fotografiert und gesagt: „Für mich ist die Oberfläche eines Bildes wie eine Membran, wie eine Haut. Ich kann mich auf ihre direkte oberflächliche Erscheinung konzentrieren, aber auch auf den Körper, der darunter liegt.“
Die Bilder von Greven haben fast immer die Farbe als Ausgangspunkt. Erst dann kommen die Figuren hinzu, von denen man sagt, sie seien eher Container für Farben als menschliche Formen. Dabei haben Kritiker der Künstlerin eine große Leichtigkeit in der Herangehensweise bescheinigt.
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Vivian Greven baut ihre Kompositionen mithilfe mehrerer Farbschichten auf. Dabei nutzt sie das Spannungsfeld zwischen Formalismus und Abstraktion. „Ich sehe das Bild als einen Körper, der sich innerhalb und außerhalb des Raumes bewegt“, sagt sie. Viele der von ihr dargestellten Körper hat sie sich bei der griechischen oder römischen Kunst ausgeliehen.
"Losa I, II, III, IV" bis zum 31. Oktober in Hamburg
Grevens Kunst hat meistens viel mit Körperlichkeit, der Repräsentation und Trennung zu tun. Sie versucht Konzepte der klassischen Antike mit denen der Pop Art und der digitalen Welten zu verbinden. Einen besonderen Schwerpunkt hat sie deshalb auf Reliefs gelegt, die die Fiktion zwischen Körper und Raum ergründen. Die Ästhetik ihrer Werke oszilliert zwischen körpernahen Bildern und der Illusion von LCD-Bildern (Abkürzung für Liquid Crystal Display).
Die US-amerikanische Kunsthistorikerin Theadora Walsh hat über die Werke der Düsseldorferin geschrieben: „Die Bilder inspirieren einen haptischen Impuls, eine Sehnsucht, sie zu berühren, sie zu streicheln und sie vielleicht durch Bewunderung zum Leben zu erwecken.“ Streicheln darf man „Losa I, II, III, IV“ natürlich nicht, aber ansehen: noch bis zum 31. Oktober in der Galerie der Gegenwart.