Hamburg. Das gesetzliche Mindestalter liegt bei 14 Jahren – doch Anbieter fordern, dass ihre Kunden volljährig sind. Viele umgehen die Regel.

Wer einen E-Scooter ausleihen will muss laut den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter mindestens 18 Jahre alt sein – daran hält sich jedoch längst nicht jeder. Die Elektroroller erfreuen sich auch bei Minderjährigen großer Beliebtheit. Doch wie passt das zusammen? Rechtlich gesehen dürfen Jugendliche ab 14 Jahren die elektrischen Roller fahren. So steht es in der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung. Ausleihen dürften sie sich die Scooter bei Anbietern wie Tier, Voi und Co. jedoch nicht.

„Die Problematik ist uns bekannt“, sagt Florian Anders, Sprecher des Anbieters Tier auf Abendblatt-Anfrage. „Minderjährige, die E-Scooter-Angebote nutzen, nutzen oftmals Zahlungsmittel der Eltern oder Verwandten. Die einfache Lösung wären strengere Kontrollen seitens der Zahlungsmittel-Anbieter wie PayPal, ob das Mindestalter von 18 Jahren erfüllt ist bzw. auch stärkere Kontrollen durch die Eltern und Erziehungsberechtigten der minderjährigen Nutzerinnen und Nutzer.“ Bei der Erstellung des Benutzerkontos müssen die Nutzer bestätigen, dass sie mindestens 18 Jahre alt sind, was auch in den AGBs entsprechend vermerkt ist.

E-Scooter in Hamburg: Nutzer unter 18 Jahren werden gesperrt

„Zudem erfordern auch die zulässigen Zahlungsmethoden PayPal und Kreditkarten ein Mindestalter von 18 Jahren bzw. volle Geschäftsfähigkeit“, so Anders. „Bei Verstößen gegen die AGBs bzw. das Mindestalter haben wir die Möglichkeit, minderjährige Nutzerinnen und Nutzer von unserer Plattform zu sperren.“Auch der Anbieter Voi betont, dass den Fahrern deutlich kommuniziert werde, dass die Nutzung der Plattform Personen unter 18 Jahren nicht gestattet ist.

„Das geht auch klar aus unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen hervor“, sagt Sprecher Julian Pankratz. „Unsere akzeptierten Zahlungsmittel stehen auch nur Erwachsenen offen. Es liegt in der Verantwortung der Eltern, ihren Kindern nicht etwa die Nutzung ihrer Kreditkarten zu erlauben, bzw. sie über ihren eigenen Account fahren zu lassen.“ Die Konten von minderjährigen Nutzerinnen und Nutzern, von denen das Unternehmen erfährt, würden ebenfalls umgehend gesperrt.

Polizei Hamburg nicht zuständig für Altersüberprüfung

Der Anbieter Tier befürworte und unterstütze zudem „natürlich auch (Schwerpunkt-)Kontrollen seitens der Polizei“. Dass die Polizei individuell festgesetzte Altersbeschränkungen der Verleihfirmen kontrolliert, sieht Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), nicht.

„Es ist nicht die Aufgabe der Polizei, zu überprüfen, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Firma eingehalten werden. Für die Polizei ist bei der Kontrolle eines Rollerfahrers ausschlaggebend, ob er das Mindestalter von 14 Jahren hat, das zum Führen eines E-Scooters im öffentlichen Raum vorgeschrieben ist, und ob er fahrtüchtig ist.“ Alles andere sei Sache der Verleihfirma, die bei Streitigkeiten zivilrechtlich vorgehen könne.

Viele Jugendliche nutzen in Hamburg die E-Scooter

„Wir hatten in diesem Jahr allein durch die Verkehrsdirektion 15 Großkontrollen mit dem Schwerpunkt E-Scooter“, sagt Polizeipressesprecher Thilo Marxsen. Es gebe aber noch weitaus mehr, beispielsweise durch die einzelnen Wachen. Die Eltern eines Fahrers würden je nach Erforderlichkeit im konkreten Einzelfall informiert. „Das kann zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall sein, wenn der E-Scooter-Fahrende in ein Krankenhaus transportiert wurde und dort behandelt wird“, so Marxsen.

E-Scooter seien seiner Einschätzung nach auch für 14 bis 18-Jährige „ein gern genutztes Verkehrsmittel“. Das bestätigen auch andere. „Ohne es überprüfen und mit Zahlen belegen zu können, ist es aber augenscheinlich so, dass zumindest in Hamburg auch sehr viele Jugendliche E-Scooter der Verleihfirmen nutzen“, sagt ein Verkehrsexperte.

Voi: Versicherungsschutz greift erst ab 16 Jahren

„Das wundert mich schon unter Kostengesichtspunkten, da, das weiß ich aus eigener Erfahrung, die Fortbewegung mit so einem Leihfahrzeug verhältnismäßig teuer ist.“ Er vermutet, dass Jugendliche auch so etwas wie „Fakeaccounts“ für verschiedene Identitäten nutzen, um Freikilometer zu bekommen, die einige Anbieter für Neukunden anbieten.

Da die Anbieter ein Mindestalter von 18 Jahren voraussetzen, stellt sich auch die Frage nach dem Versicherungsschutz. Bei Voi sei der Versicherungsschutz gewährleistet, wenn der Fahrer oder die Fahrerin mindestens 16 Jahre alt und ein angemeldeter Nutzer der Plattform ist. „Sofern eine dieser Bedingungen nicht erfüllt ist, haftet ausschließlich der Fahrer“, sagt Sprecher Julian Pankratz. Beim Anbieter Tier gestaltet es sich etwas anders.

E-Scooter in Hamburg: "Eigentümer und Fahrer versichert“

„Der Versicherungsschutz ist gegeben, solange das gesetzliche Mindestalter von 14 Jahren erfüllt bzw. überschritten ist“, so Sprecher Florian Anders. Die Haftpflichtversicherung des Unternehmens laufe über die Huk-Coburg. Sprecherin Eva-Maria Sahm betont: „Gemäß unseren Versicherungsbedingungen sind Eigentümer und Fahrer versichert.“ Ob die Versicherung in Regress geht, wenn sich rausstellt, dass ein Fehlverhalten eines Fahrers vorliegt, komme auf den Einzelfall an.

Das könne sie im Falle von minderjährigen Fahrern in jedem Fall, sagt Stefan Bachmor, Zivilrechtsexperte des ADAC Hansa. „Wenn ein unter 18-Jähriger diese Roller benutzt, ist das eine positive Vertragsverletzung. Damit kann der Jugendliche von der Versicherung in Regress genommen werden.“ Die Voraussetzung sei, dass nachgewiesen werden kann, dass er den Unfall schuldhaft verursacht hat.