Hamburg. Wohnen, Energiekosten, Essen – die Inflation macht Studierenden zu schaffen, der AStA bezeichnet die Lage als „prekär“.

Lara Fischer und Helen Bosse kennen sich seit drei Tagen. Beide fangen gerade ihr Masterstudium an der Universität Hamburg an, Lara studiert Sport und Philosophie auf Lehramt, Helen Erziehungs- und Bildungswissenschaften. Die beiden Studentinnen haben sich während der Orientierungseinheit das erste Mal getroffen, die in jedem Wintersemester eine Woche vor dem Beginn der Vorlesungen stattfindet und den „Erstis“ den Start an der Universität erleichtern soll.

Bei all der Freude um das neue Studium in der neuen Umgebung machen sich die Studentinnen viele Gedanken um ihre finanzielle Lage – Grund ist, wie sollte es anders sein, die Energiekrise. Lara Fischer und Helen Bosse bekommen aus dem Elternhaus finanzielle Unterstützung für ihr Studium.

Universität Hamburg: Studenten leiden unter Energiekrise

Die Energiekrise wirkt sich trotzdem, vor allem im Vergleich zu ihrer Zeit im Bachelorstudium, stark auf den Alltag der beiden aus: „Ich heize eigentlich so gut wie nie und nehme lieber ein bis zwei Decken und eine Wärmeflasche, damit mir nicht kalt wird“, erzählt Lara. „Auch der Wocheneinkauf ist so viel teurer geworden. Früher habe ich im Discounter 30 bis 40 Euro die Woche ausgegeben, heute sind es eher 50 bis 60“, erzählt die Lehramtsstudentin. Für Studierende, deren Familien nicht die Mittel für eine finanzielle Unterstützung haben und die ausschließlich auf Fördermittel wie BAföG angewiesen sind, ist die Lage noch einmal angespannter.

Sparen, wo es nur geht: Das kennt auch Javier Garrido Romer. Der 21-Jährige ist für ein Erasmus Traineeship in Biotechnologie an der Uni Hamburg. „Ich versuche, die billigsten Lebensmittel zu kaufen. Ich habe einen Rewe neben meinem Haus, aber ich laufe weiter, um zu Aldi oder Lidl zu gehen.“ Er versucht überall zu sparen: „Bevor ich das Semesterticket hatte, habe ich versucht, überall zu Fuß zu gehen. Und im Waschsalon mische ich Weiß- und Buntwäsche, sodass ich nur einmal für die Waschmaschine bezahle.“

Mieten in den Wohnheimen verhältnismäßig günstig

Der Waschsalon gehört zum Wohnheim, in dem der Spanier einen Platz ergattern konnte. Ein Zimmer, das in dem Budget liegt, was er beantragt hat, war nicht mehr frei. Ihm wurde dann eine Unterkunft angeboten, die etwa teurer ist. Aber immer noch viel billiger als alles auf dem freien Markt. Rund 4400 Plätze gibt es in den Wohnheimen des Studierendenwerks, das damit Hamburgs größter Anbieter möblierten Wohnraums ist.

Die Mieten sind verhältnismäßig günstig und bewegen sich zwischen 280 und 450 Euro monatlich – inklusive Strom, Heizung, Wasser und Internet. Da preisgünstige Zimmer in Hamburg eine Rarität sind, ist der Ansturm dementsprechend hoch: Aktuell stehen 1986 Bewerber auf der Warteliste. Während der Pandemie war die Nachfrage gesunken, mittlerweile befindet sie sich wieder annähernd auf dem Niveau von 2019.

„Ich wohne seit Sonnabend in Hamburg“

Lara Fischer und Helen Bosse stehen beide auf der Warteliste und hoffen weiterhin auf einen Platz. Trotzdem hat es mit dem Umzug geklappt: „Ich wohne seit Sonnabend in Hamburg“, erzählt Lara. Die 23-Jährige hat vorher in Heidelberg studiert und will nun für das Masterstudium noch mal ein neue Stadt kennenlernen. Aktuell wohnt sie in einer WG mit zwei anderen Studentinnen – allerdings nur zur Zwischenmiete.

„Bis zum Februar muss ich mir etwas Neues suchen“, sagt die Lehramtsstudentin. Masterstudentin Helen steht ebenfalls auf der Warteliste. Vor einer Woche ist sie von Darmstadt nach Hamburg gezogen und lebt nun in einem privaten Wohnheim in Wilhelmsburg. Stolze 600 Euro bezahlt sie dort für ein 19 Quadratmeter großes Appartement. Sie hofft, dass bald etwas beim Studierendenwerk frei wird.

Mieterhöhungen auch in Wohnheimen erwartet

Bei Lluc Vayreda Calbó hat es mit der Unterkunft noch nicht geklappt – er ist ebenfalls einer der Bewerber auf der Warteliste. Der 22-Jährige kommt aus Spanien und beginnt nun das Masterstudium. Für die Orientierungsphase ist er nun erst mal in einem Hostel untergekommen. Deutsch spricht er noch nicht. Das nutzen sogar einige Betrüger aus, weiß er aus Erfahrung. Von Spanien aus hat er übers Internet die Wohnungssuche in Hamburg gestartet. „Drei verschiedene Personen haben versucht, mich zu betrügen und mich dazu zu bringen, für Wohnungen zu bezahlen, die gar nicht existierten“, berichtet der 22-Jährige.

Auch wer einen Platz im Studierendenwohnheim ergattert hat, muss mit höheren Kosten rechnen. Mieterhöhungen in kürzeren Abständen könnten laut Studierendenwerk nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage kam es bereits diesen Oktober zu einer Mieterhöhung in den Wohnheimen. Im Schnitt lag diese bei 10 bis 15 Euro pro Monat, sagt Geschäftsführer Sven Lorenz: „Dies könnte in Zukunft auch mehr werden, oder die Abstände zwischen Mieterhöhungen könnten sich verkürzen, da wir die Kostenentwicklung auf dem Energiemarkt im Blick behalten müssen.“

BAföG-Sätze wurden erhöht, es gibt auch einen Heizkostenzuschlag

Um Studierende in der Energiekrise finanziell zu entlasten, hat es von der Regierung zuletzt verschiedene Maßnahmen gegeben: Dazu zählte die Erhöhung des BAföG-Höchstsatzes von 861 auf 934 Euro, ein einmaliger Heizkostenzuschlag für BAföG-Geförderte in Höhe von 230 Euro sowie die Energiepreispauschale von 300 Euro, die über den Arbeitgeber an erwerbstätige Studieren ausgezahlt wird. Eine Einmalzahlung von der Bundesregierung für alle Studierenden in Höhe von 200 Euro ist gerade in der Umsetzung.

Das sei zwar ein Schritt in die Richtung, aber keine langfristige Lösung, findet der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Universität Hamburg und bezeichnet die finanzielle Lage der Studierenden als „prekär“: „Inflation und Energiekrise trifft die Studierenden – wie alle anderen – hart. Wir freuen uns, dass die Bundesregierung Entlastungen auch für Studierende auf den Weg gebracht hat, jedoch darf nicht aus dem Fokus geraten, dass es sich hierbei um sehr kurzfristige, nicht nachhaltige Lösungen handelt“, heißt es aus dem Vorstand.

Universität Hamburg: Studierende auf Nebentätigkeit angewiesen

Die Inflationsrate liege derzeit bereits bei zehn Prozent, das entspreche nicht der Erhöhung der BAföG-Satzes. „Viele Studierende sind auf den Verdienst einer Nebentätigkeit angewiesen. Das führt dazu, dass eventuell Regelstudienzeiten nicht eingehalten werden können und ein potenzieller BAföG-Anspruch sich für die letzten Semester erledigt.“ Dies könne auch zu einem Studienabbruch führen, heißt es vom AStA.