Hamburg. Verkehrsminister beschließen Nachfolgemodell des 9-Euro-Tickets. Was Senator Tjarks sagt – und welche Alternative noch diskutiert wird.
Wenn alles klappt, wird die Nutzung von Bussen und Bahnen in ganz Deutschland zum kommenden Jahreswechsel wieder deutlich günstiger. Die Verkehrsminister der Bundesländer und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) haben sich am Donnerstag bei ihrer Konferenz grundsätzlich auf die Einführung eines 49-Euro-Tickets geeinigt. Das teilten sie bei einer Pressekonferenz in Berlin mit. Allerdings müssen vor dessen Einführung noch offene Fragen der Finanzierung geklärt werden.
Diese sollen nun offenbar die Ministerpräsidenten der Länder und der Bund gemeinsam klären. Die Einigung der Verkehrsminister vom Donnerstag dient dabei als „Eckpunktepapier“. Sollte die Finanzierung rasch geklärt werden, könnte das deutschlandweite, künftig papierlose, monatliche kündbare Ticket zum 1. Januar 2023 eingeführt werden. Dieses Datum gab Bundverkehrsminister Volker Wissing am Donnerstag als Ziel aus.
49-Euro-Ticket: Das sagt Hamburgs Verkehrssenator
„Bund und Länder haben sich in einem ersten Schritt inhaltlich auf die Ausgestaltung eines möglichen Nachfolgemodells für das 9-Euro-Ticket verständigen können“, sagte Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) dem Abendblatt am Donnerstagnachmittag.
„Das mögliche Nachfolgeticket soll für monatlich 49 Euro erhältlich sein, die Menschen in einer nach wie vor herausfordernden Zeit finanziell entlasten und im Sinne der Mobilitätswende bundesweit klimafreundliche Mobilität nachhaltig stärken. Es soll niedrigschwellig digital erhältlich und bundesweit im Nahverkehr gültig sein. Damit würden auch dauerhaft die Tarifgrenzen wegfallen.“
HVV: Finanzierungsfrage muss geklärt werden
Allerdings seien die Finanzierungsfragen weiterhin offen und müssten vor der möglichen Einführung des Tickets geklärt werden, betonte Tjarks. „Denn mit einem Nachfolgeangebot einher geht vor allem die Frage der Gesamtfinanzierung des ÖPNV – um ihn ausbauen und im Sinne der Fahrgäste noch weiter verbessern zu können. Die Gespräche dazu werden andauern.“
Hamburg sei bereit, seinen Beitrag zu leisten und werde sich weiterhin konstruktiv an ihnen beteiligen.
HVV-Chefin: „Großer Schub für Mobilitätswende“
„Wir freuen uns sehr, dass die Verkehrsminister sich auf das 49-Euro-Ticket geeinigt haben“, sagte HVV-Chefin Anna-Theresa Korbutt dem Abendblatt. „Ein solches Ticket wäre ein großer Schub für den öffentlichen Nahverkehr und für die Mobilitätswende – wenn durch höhere Regionalisierungsmittel auch die langfristige Finanzierung für die Branche sichergestellt würde.“
Wie schon beim 9-Euro-Ticket könnten die Fahrgäste dann künftig ohne nachzudenken den ÖPNV für einen günstigen Preis in ganz Deutschland nutzen, so Korbutt. „Ein 49-Euro- Ticket wäre die Chance für einen einfachen, klaren Tarif ohne Verbundgrenzen und für eine Konsolidierung im Verbundbereich.”
HVV: CDU Hamburg will 365-Euro Jahresticket
Bei der Hamburger Opposition stieß der Beschluss der Verkehrsminister auf Kritik. „Wir brauchen in Hamburg kein 49-Euro-Monatsticket, das auch in München gilt, sondern das von der CDU-Hamburg seit längerem vorgeschlagene 365-Euro Jahresticket für den HVV“, sagte CDU-Verkehrspolitiker Richard Seelmaecker.
„Fakt ist: Rot-Grün in Hamburg und die Ampel in Berlin waren nicht in der Lage, ein gemeinsames Ticket auf den Weg zu bringen. Völlig offen ist nach Bekanntgabe des möglichen 49-Euro-Tickets die Finanzierung zwischen Bund und Ländern“, so der CDU-Politiker.
„Die ausschließliche digital zu erwerbende Version des Tickets schließt vor allem ältere potenzielle Nutzer von vornherein aus und erschwert ihnen den Kauf.“ Seelmaeckers Fazit: „Der Berg kreiste und gebar eine Maus. Keine Ergebnisse nach monatelangen Ringen.“
Linke halten 49-Euro-Ticket für zu teuer
Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann lobte zwar die Einführung eines neuen bundesweit gültigen Tickets, kritisierte aber den aus ihrer Sicht zu hohen Preis. „Wie wichtig der Preis für neue und vorhandene ÖPNV-Kund:innen ist, hat das 9-Euro-Ticket gezeigt“, so Sudmann.
„Eine Erhöhung der HVV-Preise wäre da dann völlig daneben. Gerade bei den explodierenden Energie- und Lebenshaltungskosten müssen die Ticketpreise drastisch sinken.“ Mobilität sei für alle wichtig, egal ob für Arbeitswege, für Besuche von Ärzten, Familie, Freunden oder Kulturveranstaltungen.
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„49 Euro im Monat ist für viele Menschen immer noch zu teuer“, so Sudmann. „Deshalb bleiben wir dabei, dass ein Euro pro Tag oder 365 Euro im Jahr jetzt der richtige Ticketpreis wäre. Für Menschen mit wenig Einkommen, die bisher schon das Sozialticket bekommen konnten, muss das Monatsticket kostenfrei werden. Mittelfristig darf das Klimaticket maximal neun Euro kosten.“
49-Euro-Ticket: Kritik von Hamburgs AfD
Auch der AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann äußerte sich kritisch. „Das 49-Euro-Ticket ist keine wirkliche Entlastung für die finanziell gebeutelte Bevölkerung, die nicht weiß, wie sie die nächste Energierechnung bezahlen soll“, sagte Nockemann.
„Wir brauchen die temporäre Streichung der Mehrwertsteuer auf Energie und die komplette Abschaffung der Energiesteuern. Schon das 9-Euro-Ticket war nicht geeignet, den Autofahrer zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen. Das gilt erst recht nicht für das 49-Euro-Ticket.“
FDP-Seitenhieb gegen Hamburger Senat
Die stellvertretende Hamburger FDP-Chefin Sonja Jacobsen lobte den Vorschlag der Verkehrsminister von Bund und Ländern. „Der rot-grüne Senat hat es über Jahre versäumt, für ein transparentes Preissystem im ÖPNV zu sorgen“, so Jacobsen.
„Nun haben die Verkehrsminister mit einem realistischen Preisvorschlag für Abhilfe gesorgt. Das 49-Euro-Ticket wird es vor allem für die Pendler an den Hamburger Tarifzonengrenzen leichter machen, auf Bus und Bahn umzusteigen. Gerade weil es so bestechend einfach ist.“
Für die Metropolregion Hamburg sei dies „ein Schritt nach vorn“. Auf keinen Fall aber darf diese „gute Investition in den Konsum zu Lasten des Ausbaus der Infrastruktur gehen“, so die FDP-Vize. „Vor allem das marode Schienensystem muss dringend modernisiert werden. Der 9-Euro-Sommer hat klar gezeigt, dass die Kapazitäten für einen echten Umstieg nicht ausreichen.“
SPD: Finanzierung neuer Angebote wichtig
SPD-Verkehrspolitiker Ole Thorben Buschhüter sagte, das Ticket bedeute für viele Menschen eine große Ersparnis. „Jetzt gilt es, sich zügig mit dem Bund über die weitere Finanzierung des ÖPNV einig zu werden“, so Buschhüter.
„Entscheidend wird sein, dass auch genügend finanzielle Mittel sowohl für die Aufrechterhaltung des Angebots angesichts steigender Energiekosten als auch für weitere Angebotsverbesserungen zur Verfügung gestellt werden.“