Hamburg. Auch das neue MIN-Forum wird viel teurer und später fertig als geplant. Die konkreten Zahlen schockieren selbst Senatorin Fegebank.
Es ist ein Desaster, das lange erwartet wurde, dessen Ausmaße dann aber doch erschüttern: Seit Monaten hatten Medien und Opposition den Senat mit Fragen gelöchert, wie groß die Probleme beim Neubau des MIN-Forums auf dem Uni-Campus an der Bundesstraße sind. Doch mehr, als dass Zeit- und Kostenplan wohl nicht zu halten sind, wurde nicht mitgeteilt. Man rechne noch. Am frühen Freitagabend hat Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) nun dem Wissenschaftsausschuss der Bürgerschaft erstmals konkrete Daten genannt: Demnach wird die neue Heimat der Fachbereiche Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften (kurz: MIN) mit knapp 270 Millionen Euro gut 100 Millionen Euro teurer und drei Jahre später übergeben als geplant – nämlich 2026 statt 2023.
Uni Hamburg: Kostenexplosion bei MIN-Forum
Dabei handelt es sich nur um die reinen Baukosten. Wie die Finanzbehörde auf Nachfrage bestätigte, steigen die Gesamtprojektkosten, also inklusive Finanzierung, von 182 auf 285 Millionen Euro.
Diese Zahlen schockierten selbst die Senatorin: „Wir stellen an diesem Gebäude erschreckend eindrücklich fest, wie turbulent es in der Bauwirtschaft vor sich geht“, sagte Fegebank dem Abendblatt. Nach ihren Angaben und denen des städtischen Unternehmens GMH (Gebäudemanagement Hamburg), das mit der Realisierung beauftragt ist, ist der Großteil der Mehrkosten von gut 90 Millionen Euro darauf zurückzuführen, dass der Bau sich „in ein Zeitfenster mit unerwartet hohen Preissteigerungsraten und einer hoch ausgelasteten Bauwirtschaft“ verschoben hat.
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Es sind Stichworte, die man derzeit allerorten hört in der Wirtschaft, aber besonders am Bau: Erst die Corona-Pandemie, dann der russische Krieg gegen die Ukraine, unterbrochene Lieferketten, Material wie Stahl sei teilweise kaum noch zu bekommen, Fachkräftemangel, Firmen würden gar keine Angebote mehr abgeben und wenn, dann nur zu Mondpreisen. „Das ist der perfekte Sturm für so ein Vorhaben“, sagte der für GMH zuständige Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) dem Abendblatt.
Uni Hamburg: MIN-Forum wird 100 Millionen Euro teurer
Den fast fertigen Rohbau als Ruine stehen zu lassen, komme aber ebenso wenig infrage wie beim benachbarten „Haus der Erde“ oder bei der Elbphilharmonie – die wollten Kritiker vor zehn Jahren als „Mahnmal gegen Verschwendung“ unvollendet lassen. „Wir halten an dem Projekt fest, weil wir es der Wissenschaft versprochen haben“, sagte Dressel. Und auch Fegebank mahnte: „Wir dürfen auch in Krisenzeiten nicht aufhören, in unsere Zukunft zu investieren – das wird sich sonst in zehn bis 15 Jahren rächen.“ Sie halte daher an allen geplanten Bauprojekten im Wissenschaftsbereich fest, und das sind nicht wenige.
Im MIN-Forum sollen mehrere Fachbereiche und Nutzungen an einem zentralen Ort untergebracht werden, darunter die bislang in Stellingen ansässige Informatik. Der Neubau besteht aus zwei unterirdisch verbundenen Gebäuden mit einer Fläche von insgesamt 36.500 Quadratmetern – einem elfgeschossigen, etwas zurückgesetzten Gebäudeteil und einem siebengeschossigen Gebäude an der Bundesstraße. In diesem sind unter anderem eine neue Bibliothek, Büros und Hörsäle sowie Seminarräume geplant, „die eine zeitgemäße Lehre und Forschung in moderner Arbeitsumgebung unterstützen“, so die Wissenschaftsbehörde.
Zudem entstehe eine neue Mensa für den gesamten Campus Bundesstraße, die auch Menschen aus dem Stadtteil offenstehen soll. Auch die neue Cafeteria im Neubau für die Informatik soll der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Insgesamt also ein durchaus ambitioniertes Projekt.
Projekt läuft völlig aus dem Ruder
Dass es nun derart aus dem Ruder läuft, liegt allerdings nicht an der Komplexität und ist auch keineswegs nur externen Faktoren geschuldet. So hatte es zu Beginn Fehler in der Tragwerksplanung gegeben, die korrigiert werden mussten und das Projekt verzögert haben – was mit dazu beigetragen hat, dass es nun in den von Dressel erwähnten „Sturm“ geraten ist. Die Kostensteigerungen für diese Fehler beziffert die GMH mit 15 Millionen Euro, die sie sich aber auf dem juristischen Weg von dem Planungsbüro zurückholen will.
Dies ist eine Parallele zum benachbarten Haus der Erde, wo drei verschiedene Planer ihren Aufgaben nicht gerecht wurden. Einer warf sogar die Brocken hin und verweigerte weitere Leistungen. Die Stadt verklagte ihn daraufhin und bekam vor Gericht zumindest insofern Recht, dass die Leistungsverweigerung nicht in Ordnung war und der Stadt Schadenersatz zusteht – in welcher Höhe, kann aber erst nach Abschluss der Projekts geklärt werden. Die Kosten für das Vorzeigeprojekt sind bislang von 177 auf 303 Millionen Euro gestiegen, der Bezug durch die Universität soll 2024 mit fünf Jahren Verspätung erfolgen. Anders als beim Haus der Erde seien die Planungsfehler beim MIN-Forum aber nicht ausschlaggebend für die Kostensteigerungen, betont GMH-Geschäftsführer Jens Kerkhoff.
„Offenbar ist die Stadt mit einem solchen Großprojekt völlig überfordert"
Weitere 5,9 Millionen Euro der Mehrkosten sind ebenfalls hausgemacht, da der Bedarf angepasst wurde. Konkret geht es dabei um Digitalisierung, Neuberufungen von Lehrenden und die Entscheidung, die Chemie in die Science City Bahrenfeld zu verlagern. Auch die zusätzlich nötig gewordene Kampfmitteluntersuchung auf dem Grundstück sowie ein Mehrbedarf an Bohrpfählen im Baugrund haben nichts mit Corona oder dem Ukraine-Krieg zu tun.
Das MIN-Forum ist, wie fast jedes große Bauprojekt der Stadt, ein Mieter-Vermieter-Modell. GMH baut das Gebäude also nur und vermietet es dann an die Universität – die die Mietkosten aus dem städtischen Haushalt erhält. Infolge der Kostenexplosion wird diese Miete natürlich steigen, von rund elf auf 15 Millionen Euro.
„Erneut verantwortet der Senat massive Mehrkosten und Verzögerungen bei einem der großen Bauprojekte für die Uni“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer, der immer wieder Anfragen zum Stand des Projekts gestellt hatte. Seine Kritik: „Offenbar ist die Stadt mit einem solchen Großprojekt völlig überfordert. Es ist mehr als ärgerlich, dass nach der Kostenexplosion beim Haus der Erde nun die gleichen Fehler direkt nebenan wieder gemacht wurden. Das ist Missmanagement zulasten der Steuerzahler.“