Hamburg. Spenden von Privatleuten stellenweise fast auf null gesunken. Ursachen: Gewöhnungseffekt und Inflation. Wo die Not besonders groß ist.

Mehr als ein halbes Jahr ist es her, als nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine die Nachricht vom Krieg in Europa um die Welt ging. Inzwischen ist die bemerkenswerte Solidaritätswelle in Hamburg jedoch abgeebbt (wir berichteten gestern). Zu diesem Schluss kommt auch eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Nach Auskunft von Hilfsorganisationen und Vertretern der Ukraine in Hamburg ist die Not bereits in mehreren Bereichen wieder stark spürbar.

Die Spenden, die maßgeblich die humanitäre Hilfe in die Ukraine finanzieren, seien drastisch gesunken, berichtet Alexander Blümel, Sprecher des ukrainischen Generalkonsulats. „Dies bereitet uns große Sorgen.“ Der Winter stehe bevor, in vielen Gegenden gebe es keinen Strom, die Wasserversorgung funktioniere nicht, Heizwerke seien zerstört. Und auch die ankommenden Schutzsuchenden benötigten weiterhin dringend Unterstützung. Blümel betont jedoch auch die weiterhin aufrichtige und herzliche Unterstützung der Bevölkerung.

Krieg gegen die Ukraine: Situation wird sich verschlechtern

Dass in der Hansestadt nach wie vor eine große Bereitschaft herrscht, zu helfen und Geflüchtete insbesondere aus der Ukraine privat unterzubringen, bestätigt auch die Innenbehörde. Dennoch ist der Bedarf an einem städtischen Unterkunftsplatz kontinuierlich gestiegen und liege aktuell bei rund 70 Prozent der Geflüchteten. „Wir müssen damit rechnen, dass sich die Situation in der Ukraine absehbar nicht verbessert und sich im Herbst und Winter gar weiter verschlechtert, weshalb sich womöglich noch mehr Menschen auf den Weg machen werden“, sagt Behördensprecher Daniel Schaefer.

Die Organisation Hanseatic Help sammelt Kleidung und Gebrauchsgüter für Betroffene des Krieges.
Die Organisation Hanseatic Help sammelt Kleidung und Gebrauchsgüter für Betroffene des Krieges. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Bei Hilfsorganisationen ist die nachlassende Hilfsbereitschaft spürbar. Der Verein Hanseatic Help hatte am Wochenende im Gespräch mit dem Abendblatt betont, dass das Niveau von Spenden und Freiwilligenmeldungen auf das Vorkriegsniveau abgesackt sei. Man laufe nun „auf eine kritische Situation“ zu.

"Hilfe von Privatpersonen fast auf Null gesunken"

Gefragt nach möglichen Ursachen sagte Sprecher Michael Wopperer: „Natürlich tritt mit der Zeit auch eine Gewöhnung an die schrecklichen Bilder ein. Wir müssen wieder massiv mobilisieren. Und vielleicht auch Menschen erreichen, die noch gar nicht geholfen haben.“ Hanseatic Help versorgt Geflüchtete und andere Bedürftige unter anderem mit Kleidung. Alltagskleidung aller Art werde für den Herbst und Winter gebraucht, so Opperer. Ehrenamtliche werden für die Verteilung gesucht.

Dass die Hilfsbereitschaft abgenommen hat, bestätigt auch Iurii Chernovalov von der Hilfsorganisation „@medical“. „In den ersten zwei bis drei Monaten haben wir ungefähr 20 mit Hilfsgütern beladene 40-Tonner mit in die Ukraine geschickt. Seitdem haben wir nur noch einen weiteren Lkw losgeschickt“, sagt der 31-Jährige und unterscheidet zwischen Spenden von Privatpersonen und Unternehmen: „Zurzeit ist die Hilfe von Privatpersonen fast auf null gesunken. Während die Unternehmen vorher uns kontaktiert haben, müssen nun wir die Unternehmen kontaktieren.“

„Am Anfang war es ein sehr emotionales Thema"

Als der Krieg ausgebrochen ist, gründete der gebürtige Ukrainer die private Initiative „Hilfe für die Ukraine“ und sammelte zusammen mit seiner Frau und Freunden Spenden. Mittlerweile ist daraus der Verein „@medical“ hervorgegangen. „Am Anfang war es ein sehr emotionales Thema, mittlerweile sind viele Menschen wieder zurück in ihrer Routine“ sagt Chernovalov. Was der Verein „@medical“ vor allem benötigt, seien medizinische Produkte und konserviertes Essen, das könne nämlich immer in die Ukraine geschickt werden. Wer an den Verein spenden möchte, findet Informationen unter help-4-ukraine.com im Internet.

Geflüchtete aus der Ukraine brauchen immer häufiger eine städtische Unterkunft.
Geflüchtete aus der Ukraine brauchen immer häufiger eine städtische Unterkunft. © FUNKE Foto Services | Sergej Glanze

Ulrike Vogt vom ASB Ortsverband Hamburg-Mitte, merkt auch, dass die Anzahl der Spenden zurückgeht. Knapp werden die Sachspenden aus ihrer Sicht aber bisher nicht. „Was wir immer und gerade jetzt gebrauchen können, sind Hygieneartikel und warme Kleidung.“ Auf der Webseite asb-hamburg.de finden sich Informationen für Personen, die mit Geld, Sachspenden oder Engagement helfen wollen.

Krieg gegen die Ukraine: Auch das DRK spürt den Unterschied

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Hamburg spürt ebenfalls einen Unterschied im Vergleich zum Frühjahr. Zu Beginn des Krieges hätten Bürger häufig beim DRK angefragt, wie sie am besten helfen können. Das sei weniger geworden, sagt Rainer Barthel, Sprecher des DRK Hamburg. Wer unterstützen möchte, könne dies am besten mit Geldspenden unter drk.de tun. Einen Rückgang der Spenden verzeichnet auch die Hilfsorganisation „Hamburger mit Herz“. Die Hilfsbereitschaft sei keineswegs erloschen, betont der Referent des Vorstandes, Benjamin Holm. Aber: Viele Menschen seien verunsichert. „Die Leute haben das Gefühl, dass sie auf ihre persönliche finanzielle Situation aufpassen müssen.“

Auch für „Hamburger mit Herz“ seien Geldspenden am hilfreichsten. Außerdem bietet die Organisation Mentoring Programme an. Auf der Internetseite hamburger-mit-herz.de können alle Informationen gefunden werden. Man könne den Geflüchteten sehr dadurch helfen, dass man ihnen Zeit schenkt, sagt Holm.