Hamburg. Hilfsbereitschaft aus Hamburg lässt stark nach. Konsulat und Organisationen warnen: „Wir laufen auf eine kritische Situation zu.“

In der Innenstadt demonstrieren Zehntausende, Privatleute richten Gästezimmer für Geflüchtete her, Lebensmittel und Kleidung werden eilig verpackt und per Konvoi auf den Weg gebracht – das waren nur einige der Bilder der gewaltigen Solidaritätswelle aus Hamburg für die Ukraine im Frühjahr. Heute dominieren der Krieg und seine Folgen noch immer die Schlagzeilen und die Politik, aber die alltägliche Unterstützung hat stark abgenommen. Das beklagen das ukrainische Konsulat und auch Hilfsorganisationen. Sie sorgen sich vor Folgen für die Ukraine und Geflüchtete in der Hansestadt.

Der Sprecher des ukrainischen Generalkonsulats auf der Uhlenhorst, Alexander Blümel, betont dabei zunächst, wie beispiellos die Hilfsbereitschaft der Hamburgerinnen und Hamburger, aber auch in ganz Norddeutschland seit Beginn des Krieges gewesen sei. „Auch die Landes­regierungen haben ihre starke Solidarität mit der Ukraine demonstriert“, so Blümel.

Krieg gegen die Ukraine: "Humanitäre Hilfe fehlt schmerzlich"

Allerdings habe sich die humanitäre Lage im Vergleich zu den ersten Monaten des Krieges nicht verbessert. Im Gegenteil, aufgrund des ständigen Beschusses von Wohngebieten und ziviler Infrastruktur benötigten immer mehr Ukrainer und auch die lokalen Behörden Unterstützung. „Gleichzeitig fehlt die Welle der humanitären Hilfe für die Ukraine schmerzlich, die wir im Frühjahr gespürt haben“, sagte Blümel.

Er fügte hinzu: „Ich hoffe wirklich, dass die deutsche Gesellschaft, die sich aus offensichtlichen Gründen vor dem Winter sorgt, denjenigen, die sich in einer noch kritischeren Situation befinden, erneut eine solche Sympathie und freundliche Unterstützung entgegenbringen kann wie zu Beginn des Krieges.“

Etwa 38.000 Ukraine-Flüchtlinge nach Hamburg gekommen

Die Hilfsbereitschaft entlastete auch den deutschen Staat, der sich nicht lange auf die große Zahl von ankommenden Geflüchteten vorbereiten konnte. Innensenator Andy Grote (SPD) sprach bereits im Frühjahr von einer historischen Herausforderung. Inzwischen sind etwa 38.000 Menschen nach Hamburg gekommen, etwa die Hälfte davon kam zunächst privat unter. Jetzt seien es nur noch etwa 30 Prozent.

Das Generalkonsulat bezifferte die Gesamtzahl der ukrainischen Flüchtlinge in seinem Zuständigkeits­bereich in Norddeutschland, zu dem auch Bremen gehört, auf mehr als 200.000. Für Hamburg sprachen Innensenator Grote und Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) auch für den Herbst vor enormen nötigen Anstrengungen, um die weiterhin eintreffenden Geflüchteten unterbringen zu können. Dazu werden auch große Hallen genutzt. „Die Lage ist sehr, sehr viel angespannter, als sie sich über den Sommer anfühlte“, sagte Leonhard.

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Nach Ansicht des Vereins Hanseatic Help, der zu den größten Hilfsorganisationen für Geflüchtete in Hamburg gehört, brauche es nun auch wieder „eine richtige Mobilisierung“ von Spenden und Ehrenamtlichen, sagt Sprecher Michael Wopperer. Fragt man ihn, ob er ähnlich wie bei der Flüchtlingskrise 2015/2016 eine Ermüdung der Hilfsbereitschaft fürchte, sagt er: „Das ist eigentlich genau das, was wir in den vergangenen Monaten bereits erlebt haben.“

Es gebe zwar weiterhin Spenden und auch Menschen, die sich freiwillig meldeten. Beides bewege sich aber annähernd wieder auf dem Niveau wie vor Beginn des Krieges. Wopperer weist darauf hin, dass es im Herbst und Winter auch die Herausforderung gebe, Wohnungslose und andere Bedürftige angemessen zu versorgen. „Wir laufen auf eine kritische Situation zu“, glaubt er.

Konsulat: Hoffnung, aber auch Niedergeschlagenheit bei Geflüchteten

Für die Unterbringung der Geflüchteten seien bereits auch Standorte genutzt worden, in denen ansonsten etwa Obdachlose untergebracht sind. „Alle Menschen im Herbst und Winter angemessen versorgen zu können, wird für die Politik eine große Herausforderung.“ Hanseatic Help beobachte die Situation und helfe, wo man könne.

Die Spendenbereitschaft müsse aber wieder anziehen. Benötigt wird unter anderem wieder Alltagskleidung aller Art. „Es geht auch darum, den Bedürftigen eine würdevolle Auswahl zu ermöglichen“, sagt Wopperer. Parallel organisiert der Verein auch weiter Hilfslieferungen in die Ukraine – allerdings „nicht mehr im selben dichten Takt wie im Frühjahr“, sagt Wopperer.

Hilfe für Ukraine dringend nötig – auch aus Hamburg

Da sich im Krieg eine Trendwende zugunsten der ukrainischen Streitkräfte abzeichne, seien die Geflüchteten in Hamburg zwar hoffnungsvoll, sagt Alexander Blümel vom ukrainischen Generalkon­sulat. Zugleich gebe es aber eine große Niedergeschlagenheit, was nicht an der Betreuung und Unterbringung liege. Viele ukrainische Städte und Dörfer seien von der russischen Armee besetzt und Existenzen vollständig zerstört worden. Ehemänner, Väter und Brüder, die für die Freiheit kämpften, seien in Lebensgefahr.

Mehr als ein Drittel der Flüchtlinge seien Kinder und Jugendliche. In Deutschland kümmerten sich zahlreiche Initiativen und Projekte von Unternehmen vor allem um ukrainische Kinder. „Nach allem, was unsere Landsleute aufgrund des russischen Angriffs durchmachen mussten, ist diese Haltung Deutschlands unbezahlbar“, so Blümel weiter.