52-Jähriger soll seine Ex gefesselt, bedroht und entführt haben. Ihm wird nun Geiselnahme und Körperverletzung vorgeworfen.
Es waren Tage voller Ängste und Schmerzen. Sie wurde gefesselt, entführt und bedroht. Und schließlich wusste Cornelia S. nicht einmal mehr, ob sie weiterleben würde. All dieses Leid — es wurde der 42-Jährigen offenbar ausgerechnet von dem Mann zugefügt, mit dem sie 23 Jahre lang liiert war. Als sie sich trennen wollte, begann ein Martyrium.
So schildert es jetzt die Hamburgerin im Prozess vor dem Landgericht, wo sie als Zeugin gegen ihren früheren Lebensgefährtin Andre H. aussagt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 52-Jährigen Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung vor. Laut Anklage hat der Mann am 13. April 2020 seine Ex-Freundin verschleppt, sie über mehrere Tage in seiner Gewalt gehabt und ihr unter anderem angedroht, er werde sie mit einer Schaufel im Wald vergraben. Außerdem soll er gesagt haben, er habe eine Waffe, mit der er sie erschießen könne.
Prozess Hamburg: "Ich hatte wahnsinnige Angst"
Nach mehreren Tagen als Geisel wurde die 42-Jährige schließlich von Beamten des Mobilen Einsatzkommandos befreit. Dabei wurde auch der Verdächtige überwältigt. Gemeinsam mit dem 52-Jährigen sitzen ein 25-Jähriger und ein 26-Jähriger, die an der Tat beteiligt gewesen sein sollen, auf der Anklagebank.
„Ich hatte wahnsinnige Angst“, sagt Cornelia S. als Zeugin über die Zeit, in der sie in der Gewalt von Andre H. gewesen sei. Er habe sie, nachdem er sie in einem Auto auf einen einsamen Waldweg fuhr, zunächst mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Noch nie zuvor sei ihr Ex-Lebensgefährte übergriffig gewesen. Nach dem Faustschlag „war ich geschockt“, so die Zeugin. „Das hätte ich niemals von ihm erwartet. Ich habe geweint.“
Zeitweise sei sie zudem mit Kabelbindern an den Händen gefesselt gewesen, was zu Schmerzen und zu Abschürfungen geführt habe. Doch schlimmer als die physische Pein sei ihre Sorge gewesen, „dass ich meinen Sohn nie wieder sehe“. „Ich habe geweint. Ich habe geschrien. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden“, sagt die Zeugin, die über zwei Verhandlungstage über ihr Leiden aussagt.
Mann nahm Ex-Freundin schon einmal als Geisel
Nach ihrer Befreiung durch das MEK war Cornelia S. gerichtsmedizinisch untersucht worden. Damals hatte sie geschildert, sie sei durch die Gewalt, die ihr angetan wurde, „so traumatisiert“, dass sie sich „nicht mehr vor die Tür“ traue.
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Auslöser für die Geiselnahme war offenbar die Entscheidung von Cornelia S., die Beziehung zu Andre H. zu beenden. Er habe das nicht akzeptieren wollen und sie gebeten, dass sie „noch mal reden“ sollten. „Aber ich sagte: Ich kann nicht mehr. Du hast mich so oft belogen.“
Laut Anklage vollzog die 42-Jährige die Trennung, nachdem Andre H. am 5. Februar 2020 in der gemeinsamen Hamburger Wohnung wegen einer mutmaßlichen Vermögensstraftat verhaftet wurde. Nach einer ersten Entführung, so die Ermittlungen, habe Andre H. das Opfer zunächst freigelassen.
Prozess Hamburg: Angeklagter soll zwei Komplizen gehabt haben
Nachdem sie allerdings gegen ihn Strafanzeige erstattet habe, habe sich der Angeklagte entschlossen, seine Ex-Freundin erneut in seine Gewalt zu bringen. Dafür habe er zwei junge Männer, unter anderem seinen Sohn, als Helfer angeworben. Zu dritt hätten sie die Frau in einer Tiefgarage überwältigt und in ein Auto gezerrt. Als ihr Sohn sich nun schützend vor seine Mutter stellte, schoss sein älterer Halbbruder Manuel H. laut Staatsanwaltschaft zweimal mit einem Taser auf ihn.
Bisher hat sich keiner der Angeklagten zu den Vorwürfen geäußert. An diesem Montag kündigt Manuel H. nun an, dass er an einem der nächsten Tage aussagen wolle.