Hamburg. Erneute Demo an der Alster. Teilnehmer schildern das Leid der Menschen in der Ukraine. Auch Ruderer zeigen Flagge.

Am Sonntag haben in Hamburg erneut Tausende gegen den Krieg in der Ukraine demonstriert. Allerdings versammelten sich deutlich weniger Menschen am Jungfernstieg als die 20.000, die der Veranstalter erwartet hatte. Die Polizei spricht von 3000, Alexander Blümel vom Ukrainischen Hilfsstab von etwas mehr als 5000 Teilnehmern.

„Wir hoffen natürlich, dass das Interesse, die Ukraine zu unterstützen, nicht nachlässt“, sagt er. „Aber es war auch der letzte Ferientag – und mit dem großen Friedenskonzert in Berlin gab es eine starke Konkurrenzveranstaltung.“ Auch weiterhin solle es regelmäßige Friedensdemos in Hamburg geben.

Demo in Hamburg für Frieden in Ukraine

Zudem wurde auf der Alster Solidarität mit der Ukraine gezeigt. 220 Ruderer hatten am Vormittag daran teilgenommen – fast dreimal so viele, wie der Veranstalter erwartet hatte. Bei strahlendem Sonnenschein und einer steifen Brise treffen um 12 Uhr die ersten Demonstranten am Jungfernstieg ein. Über Lautsprecher läuft Musik der Band Okean Elzy. Zwei ukrainische Teilnehmerinnen werden später erzählen, dass der Sänger Svyatoslav Vakarchuk derzeit durch die Ukraine zieht, um – auch in stark umkämpften Städten – den Menschen und Soldaten bei Gratiskonzerten Mut zu machen.

Unter den Demonstranten sind alte und junge Menschen, die ihre Sympathie für die Ukraine, ihren Wunsch nach Frieden und ihren Hass auf Putin bekunden. Auf ihren Soruchbändern steht: „Stop war, we want peace“, „smash russian facism“, „Russe sag Nein zum Krieg“ und „Close the Sky“. Manche Teilnehmer sind in ukrainische Flaggen gehüllt, andere halten Plakate mit Friedenstaube in die Luft.

Ukrainerinnen flüchten über Moldawien und Polen

Die Ukrainerinnen Olga und Anna sind aus Lübeck gekommen. Sei stammen aus der Stadt Mykolayiv nahe Odessa im Süden der Ukraine. Anna arbeitet seit einem Monat in einer großen Lübecker Schifffahrtsgesellschaft. Die Firma habe ihr geholfen, gleich nach Kriegsausbruch Familienangehörige und Freunde aus der Ukraine zu holen, sagt sie. Olga ist mit ihnen zusammen mit dem Auto geflohen.

Eine Woche dauerte ihre Reise über Moldawien und Polen bis nach Deutschland. Olga und Anna waren schon bei der ersten großen Demo vor zwei Wochen in Hamburg. „Wir sind so dankbar für die Unterstützung, die wir erfahren“, sagen sie. Auch sie wünschen sich, dass die Nato über der Ukraine eine Flugverbotszone einrichtet. „Wir verstehen das Dilemma, das eine solche Entscheidung bedeutet. Es ist aber das Einzige, das uns helfen kann.“

Ukrainerinnen erzählen von der Lage im Land

Während Seifenblasen im Sonnenschein tanzen, erzählen sie Schreckensnachrichten aus ihrer Heimat. Und dass viele ihrer Freunde und Familienmitglieder, die in Russland leben, trotz Fotos und Berichten, die sie ihnen aus der Ukraine schicken, nicht an den Krieg und Putins Gräueltaten glauben. Das, sagen sie, sei auch fürchterlich.

Der sechsjährige Lasse sitzt auf den Schultern seines Vaters Jakob und hält ein Schild in die Höhe: eine Friedenstaube vor gelb-blauem Hintergrund. „Ich will mitbestimmen, dass Frieden ist“, sagt er. In der Kita und mit seinem Vater habe er über den Krieg gesprochen. Er deutet auf ein Konterfei Putins, das auf einem Plakat zwischen Hitler und Stalin abgebildet ist.

„Es gibt so viele Hiobsbotschaften"

„Das ist der Mann, der die Ukraine überfallen hat“, weiß er. Wie erklärt man seinem Kind den Krieg? „Das ist nicht leicht“, sagt IT-Experte Jakob. „Es gibt so viele Hiobsbotschaften. Es ist schwierig, sie zu vermitteln, ohne zu viel von der eigenen Angst zu zeigen.“

Eindringlich schildert eine Sprecherin auf der Bühne die aktuelle Situation in der Ukraine. „Ich habe sie nicht aus dem Internet, sondern von Freunden und Kollegen, die die umkämpfte Stadt Mariupol gerade erst verlassen haben.“ Sie berichtet von Leichen auf den Straßen, die wegen andauernden Beschusses nicht geborgen werden können. Von Menschen, die verhungern oder verdursten. Und von Kindern, die ohne Arme und Beine im Krankenhaus liegen. An dieser Stelle bricht ihr die Stimme.

Ukrainer wärmten sich an Ziegelsteinen

Olia und Katharina, die vor 15 Jahren aus der Ukraine nach Hamburg gezogen sind, sagen: „Das können wir alles bestätigen.“ Ihr Vater ist noch in Odessa. Jeden Tag rufen sie ihn an. Heute Morgen hätten sie auch mit einem Bekannten aus Mariupol telefoniert, der sich bislang mit Nachbarn und vielen Kindern im Keller versteckt hatte. „Sie haben Regenwasser getrunken und Ziegelsteine ins Feuer gelegt, um sich daran zu wärmen.“

Heute früh sei er mit acht Kindern ins Auto gestiegen und aus der Stadt geflohen – nicht über den Fluchtkorridor, der unter Beschuss stand, sondern über ein Minenfeld. „Er sagte, sie hätten es riskiert, da sie andernfalls in Mariupol gestorben wären.“ Die Gruppe sei derzeit in einer Stadt zwischen Odessa und Kiew in Sicherheit. 26 weitere Freunde und Familienmitglieder haben die Schwestern bereits nach Hamburg holen können.

„Dieser schreckliche Krieg macht fassungslos"

Auf der Rednerbühne spricht jetzt die Georgierin Nino Papukashvili, die seit 25 Jahren in Hamburg lebt. „Dieser schreckliche Krieg gegen die freie Ukraine macht fassungslos“, sagt sie. Sie erinnert daran, „wie viele Leben und Lebensträume Putins Kriege bereits zerstört haben.

1994 in Tschetschenien, 2008 in Georgien, 2015 in Syrien und seit 2014 in der Ukraine. „Großen Applaus erntete sie mit den Worten: „Putin hat Angst vor einer Osterweiterung von Freiheit und Demokratie. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auch Russland erreicht.“

Krieg in der Ukraine: Ruderer zeigen Flagge

Für die Friedensdemonstration auf der Alster hatte Gert-Rüdiger Wüstney vom Ruder-Club Favorite Hammonia 20 Boote und 80 Teilnehmer angemeldet.

Hamburger Ruderklubs demonstrierten auf dem Wasser.
Hamburger Ruderklubs demonstrierten auf dem Wasser. © Michael Arning

Am Ende zogen 39 mit blau-gelben Flaggen und Transparenten geschmückte Boote vom Feenteich zur Gedenksäule an der Schwanenwik-Bucht, in der Nähe des ukrainischen Konsulats. Dort wurde eine Schweigeminute eingelegt.