Hamburg. Viele 2019 festgeschriebene Maßnahmen sind noch nicht umgesetzt. Das führt zu Kritik – und überraschenden Vorschlägen.
Bei Sonntagsreden steht der Klimaschutz auch in der Hamburger Politik hoch im Kurs. Wenn es aber um die alltägliche Umsetzung von Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung geht, sieht es auch im rot-grün regierten Hamburg ziemlich mau aus. Viele der im Klimaplan von 2019 festgeschriebenen rund 400 Maßnahmen zur Reduzierung des CO-Ausstoßes sind bis heute nicht umgesetzt.
Wälder wurden nicht aufgeforstet, Fotovoltaikanlagen oder Dachbegrünung auf städtischen Gebäuden nur selten installiert, und seit Jahren wurde kein neues Windrad aufgestellt. Bei der für den Klimaschutz so wichtigen energetischen Sanierung älterer Gebäude liegt Hamburg weit hinter dem, was der Senat versprochen hatte – auf die 2019 versprochene Machbarkeitsstudie dazu lässt SPD-Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt bis heute warten.
Jungen Grünen in Hamburg platzt der Kragen: „Senat zu langsam“
Offenbar fehlt es an allen Ecken und Enden am Willen oder an Geld und Stellen zur Umsetzung der politischen Versprechen beim Klimaschutz. Und so hat der rot-grüne Senat die Zwischenbilanz seiner Klimapolitik, die der Bürgerschaft bereits 2021 hätte vorgelegt werden müssen, bis heute nicht präsentiert.
Nun aber platzt offenbar vor allem den Jüngeren unter den Hamburger Grünen der Kragen. Sie fordern eine raschere und konsequentere Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen – und Sanktionen für Behörden, die ihre Aufgaben beim Klimaschutz nicht machen. Zudem wollen sie die Klimaziele verschärfen.
„Es geht weltweit zu langsam voran beim Klimaschutz – auch in Hamburg"
„Es geht weltweit zu langsam voran beim Klimaschutz – auch in Hamburg. Wir müssen schneller werden, sonst ist die Klimakatastrophe irgendwann nicht mehr aufzuhalten“, sagte die mit 23 Jahren jüngste Bürgerschaftsabgeordnete Rosa Domm dem Hamburger Abendblatt. Sie ist in der Grünenfraktion für die Themen Klimaschutz und Mobilitätswende zuständig. „Wir müssen aufhören, das Klima als ein haushaltspolitisches Thema von vielen zu betrachten. Wenn wir jetzt nicht massiv auf allen Ebenen in den Klimaschutz investieren, wird sich das rächen. Anstatt den Fokus auf diese Realität zu legen, wird aber eher darüber diskutiert, ob Schulden jetzt gut oder schlecht seien. Meine Generation findet das sehr irritierend.“
Domm und ihre Grünenfraktion fordern nun Änderungen der Hamburger Klimapolitik in drei wesentlichen Punkten. Erstens müsse es zweijährliche und nicht nur langfristigere Reduktionsziele für den klimaschädlichen CO2-Ausstoß geben. Nur so könne man rechtzeitig feststellen, wenn Ziele nicht erreicht würden und nachgesteuert werden müsse. Genau das habe auch das Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden Urteil zum Klimaschutz angemahnt.
Domm: Senatoren, die Hausaufgaben nicht machen, müssen nacharbeiten
„Darauf muss ein Sanktionsmechanismus bei Nicht-Einhaltung der zweijährlichen Ziele folgen“, so Domm. „Werden die Sektorziele nicht eingehalten, müssen die zuständigen Senatorinnen und Senatoren binnen weniger Monate Sofortprogramme auflegen. Wir sehen im Bund, dass das funktioniert.“ Das würde bedeuten: Senatoren, die beim Klimaschutz ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, müssen nacharbeiten.
- „Die Atomkraftwerke jetzt abzuschalten, ist ein Irrwitz“
- Peter Altmaier: „Energiepreise bleiben dauerhaft hoch“
- Fridays for Future ruft erneut zum Klimastreik auf
Zweitens fordern Domm und ihre Grünen, dass im Jahr 2030 bereits eine Einsparung von 70 Prozent beim CO2-Ausstoß gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 erreicht werden müsse – nicht nur wie bisher in einem rot-grünen Kompromiss festgelegt „mindestens“ 65 Prozent. Und drittens soll Hamburg bereits 2040 klimaneutral werden – und nicht erst 2045 wie bisher vorgesehen.
Gutachten bestätigt die Ansichten der Grünen
Bestätigt fühlen sich die Grünen dabei durch ein Gutachten zu „Entwicklungsszenarien für neue Klimaziele“ von Prognos, Öko-Institut und Hamburg Institut, das im August in der Senatskommission für Klimaschutz und Mobilitätswende vorgestellt wurde. Danach liegt es durchaus im Bereich des Möglichen, diese ehrgeizigeren Ziele zu erreichen.
„Die nächsten sieben Jahre sind entscheidend, wenn es um die Bekämpfung der Klimakrise geht“, sagt Domm. „70 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 sind sicherlich ambitioniert, aber machbar und mit Blick auf unsere Verpflichtungen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens auch notwendig.“
Rosa Domm fordert Tempo bei Gebäudesanierung
Um die Ziele zu erreichen fordert die jüngste Bürgerschaftsabgeordnete auch mehr Tempo bei der Gebäudesanierung. „Wir müssen an die Altbauten ran und bei Sanierungen auch in die Tiefe gehen, nicht nur in die Breite“, so Domm. „Wie sehr die Menschen finanziell von gut sanierten Wohnungen profitieren, sehen wir derzeit in der Energiekrise. Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.“ Auch die Wohnungswirtschaft sei „in der Pflicht, ihren Teil zur Klimawende beizutragen“.
In der Verkehrspolitik fordert Domm eine stärkere Nutzung der Potenziale an den großen Ausfallstraßen, den sogenannten Magistralen. Dort gebe es noch „viel Platz für klimafreundliche Mobilität und Stadtgrün“. Zudem müsse Hamburg den Ausbau der Windkraft forcieren. „Im Hafen sind noch einige Potenziale für mehr Windkraftanlagen, von denen auch die dortigen Unternehmen sehr profitieren würden“, sagt die Grünen-Politikerin. „Wir brauchen diese Flächen zur Erreichung des Windausbauziels von 0,5 Prozent der Landesfläche.“
Klimaschutz in Hamburg: "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren"
Bei all dem betont die Abgeordnete Domm, dass Klimaschutz und Wirtschaftsinteressen sich keinesfalls widersprächen – im Gegenteil. „Die Klimakrise wird den Wirtschaftsstandort Deutschland und unsere Sicherheit gefährden“, glaubt die Grüne. „Wir sehen ja schon jetzt, welche Kosten Klimaschäden verursachen. Ein Sondervermögen für Klimaschutz und Sicherheit, wie es zuletzt von Fridays for Future und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefordert wurde, wäre daher trotz hoher gesetzlicher Hürden eine interessante Maßnahme im Bund.“ Gerade für ihre Generation werde der Klimaschutz eine Überlebensfrage, so Rosa Domm. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“