Hamburg. In einem fertigen und sanierten Lehrbecken dürfen Schüler und Schülerinnen seit Jahren nicht schwimmen. Die Eltern sind wütend.

Es ist eine Zahl, die verstört: Zum Ende des Schuljahres 2020/2021 konnten nur gut 40 Prozent der Grundschülerinnen und Schüler in Hamburg sicher schwimmen, während es vor der Pandemie noch knapp 64 Prozent waren. Das ist, wie berichtet, Ergebnis einer FDP-Anfrage. Doch mitten im dicht besiedelten Stadtteil Bahrenfeld ist ein Lehrschwimmbecken seit Jahren geschlossen – und das vordergründig nur, weil unklar ist, wer für eine Reparatur vor Ort zuständig ist.

Schule Hamburg: Saniertes Schwimmbecken seit Corona geschlossen

Zum Hintergrund: Im Jahr 2010 hatten die Stadt und der Hamburger Sportbund die acht städtischen Lehrschwimm­becken (LSB) an private Interessenten veräußert. Das Schwimmbecken an der Grundschule Mendelssohnstraße wurde an den Verein Sternipark übertragen, der sich in Hamburg vor allem als Kitabetreiber einen Namen gemacht hat. Im Zuge der Privatisierung wurden damals rund 600.000 Euro für die Sanierung des Beckens aufgewendet – Fördergeld, das von Stadt und Bund kam.

Zunächst lief alles nach Plan: Nach Abschluss der Sanierung wurde die Anlage regelmäßig von Kindergruppen aus Kitas, der Schule Mendelssohnstraße sowie externen Gruppen genutzt. Doch dann musste das Schwimmbecken im Zuge des Corona-Lockdowns genau wie alle anderen vergleichbaren Einrichtungen geschlossen werden. Dabei ist es bis heute geblieben.

Schule Hamburg: Eltern sind verärgert über Schwimmbad

Vor Ort bietet sich seitdem täglich dasselbe Bild. Die Schwimmhalle, mitten auf dem Schulgelände, ist verschlossen, die Fenster sind ungeputzt. Auffällig: Der erst vor relativ wenigen Jahren aufwendig sanierte Bau wirkt ungepflegt und stellenweise schadhaft. Am Eingang klebt ein vergilbter Zettel: „LSB Sternipark. Aus technischen Gründen geschlossen“. Verärgerte Eltern erscheinen zum Treffen mit dem Abendblatt.

„Mein Sohn ist in der zweiten Klasse“, sagt Ole Michaelis vom Elternrat, „aber schwimmen konnte er hier noch nie.“ Anja Barckhan berichtet: Mein ältester Sohn ist hier noch geschwommen, die jüngeren dann schon nicht mehr.“ Und Frauke Pfadenhauer sagt: „Hier steht ein schönes Schwimmbad, das nicht genutzt werden kann. Das gibt es doch gar nicht.“

Schule Hamburg: Brandbrief an Bezirk Altona

Der Kreiselternrat 21, gewähltes Organ für allgemeine Angelegenheiten des Schulkreises und der 24 Altonaer Mitgliedsschulen, schrieb nun einen Brandbrief an die Bezirksversammlung Altona, in dem steht, wie es nach der Schließung weiterging: Im Spätsommer 2020 nahm die Schule demnach mit Sternipark Kontakt auf, um die Wiederaufnahme des Schwimmbetriebs anzuschieben.

„Leider hatten wiederholte Kontaktversuche der Schule (…) sowie des dortigen Elternrates bis Frühjahr 2021 diesbezüglich keinerlei Erfolg“, heißt es in dem Brief, der dem Abendblatt vorliegt. „Ein von der Stadt überantwortetes Lehrschwimmbecken (…) der Nutzung der Grundschule, an die es angeschlossen ist, nicht weiter zur Verfügung zu stellen erscheint uns nach zwei Jahren Pandemie und angesichts von mindestens drei Grundschuljahrgängen ohne regulären Schwimmunterricht für nicht angemessen.“

Die Eltern bitten die Bezirkspolitiker, sich der Thematik „dringlich anzunehmen“. Der Präsident des Hamburger DLRG-Landesverbands, Heiko Mählmann, sagt dem Abendblatt, er habe in der Angelegenheit schon im März an Sternipark geschrieben. „Ich wollte hören, was da in der Mendelssohnstraße nun eigentlich los ist, und habe auch Hilfe angeboten. Geantwortet hat man mir leider nicht.“

Sternipark: Schaden an Wasserleitung

Sternipark macht auf Nachfrage geltend, dass ein Schaden an einer Wasser­leitung Instandsetzung beziehungsweise Neustart nicht möglich mache. „Während der Pandemie trat auf dem Grundstück der angrenzenden Schule eine Leckage in der zum Lehrschwimmbecken führenden Wasserleitung auf. Es wurde leider versäumt, diese im Rahmen der von der Schule beauftragen Sielarbeiten zu beheben“, sagt Geschäftsführerin Leila Moysich.

Sternipark sei deshalb im engen Austausch mit der zuständigen Abteilung Schulbau Hamburg, die zugesagt habe, dass die Reparaturarbeiten in den Herbstferien 2022 abgeschlossen werden könnten. „Wir bedauern den langen Ausfall des Schwimmunterrichts sehr und hoffen, dass der regelmäßige Betrieb zeitnah wieder stattfinden wird“, sagt Moysich.

Schule Hamburg: Rechtsabteilung wird Anliegen prüfen

Das lange Hin und Her bei der Nichtnutzung verärgert Altonas Bezirkspolitiker inzwischen massiv. Sie sind skeptisch, dass der Schwimmbetrieb auch nach der Reparatur des Schadens zügig wieder gestartet werden wird. An diesem Donnerstag wird das Thema entsprechend Tagesordnungspunkt im Hauptausschuss der Bezirksversammlung. Dabei geht es auch um eine Beschlussvorlage, die ungewöhnlich scharf formuliert ist.

Unter anderem wird die Rechtsabteilung des Bezirksamts aufgefordert zu prüfen, ob die Sternipark GmbH als Betreiberin des Lehrschwimmbeckens „schuldhaft ihre Pflichten als Zuwendungsempfängerin der Bezirksversammlung verletzt hat und ob der Zuwendungszweck seitens der Sternipark GmbH erfüllt wurde“. Außerdem solle die Stadt prüfen, ob die Verträge mit Sternipark GmbH Möglichkeiten bieten, die den Betrieb des Beckens und die Überlassung der Hallenzeiten für das Schulschwimmen verbindlich aufzufordern.

Schule Hamburg: Entscheidungsrecht liege bei Sternipark

Sogar die Möglichkeiten der Rückforderung von gewährten Zuwendungen oder Rückabwicklungen von Überlassungs- oder Kaufverträgen soll in diesem Zusammenhang geprüft werden.

Leila Moysich bezeichnet diesen Vorstoß als unbegründet. Alle Mittel seien „zweckentsprechend“ verwendet worden, das sei der Stadt auch bekannt. Im Übrigen könne Sternipark die Lehrschwimmhalle oder Teile aufgrund der getroffenen Vertragsvereinbarungen für einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum sperren, wenn dies aus betrieblichen Gründen, wie zum Beispiel aufgrund von Reparaturen, erforderlich ist. Das Entscheidungsrecht darüber liege laut Vertrag bei Sternipark.

Hielscher (CDU): "Sozialpolitisches Dilemma"

„Ich sehe hier ein sozialpolitisches Dilemma“, sagt Altonas CDU-Fraktionschef Sven Hielscher. „Offenbar wurden mit dem Betreiber fehlerhafte Verträge geschlossen.“ Drastischer fällt die Kritik von FDP-Fraktionschefin Katarina Blume aus. „Leider sind die Verträge offenbar löchrig“, sagt Blume. „Aber nach meinem Eindruck nutzt Sternipark das aus und kommt seinen Verpflichtungen zur Sanierung nicht nach.“

Laut Blume sei das in Zeiten fehlender Schwimmangebote „unverantwortlich“, und es sei gut, dass sich die betroffenen Eltern nun Hilfe bei der Politik holten. „Wir werden nicht eher Ruhe geben, bis in diesem Schwimmbecken wieder Kinder schwimmen“, so Blume.

Und DLRG-Präsident Heiko Mählmann sagt: „Schwimmbecken sind Mangelressourcen in in dieser Stadt. Jedes einzelne muss am Leben erhalten werden.“