Hamburg. Durch eine besondere Bauweise sollen 70 Prozent CO2 eingespart werden. Der erste Spatenstich erfolgt noch in diesem Monat.
Sie soll vollautomatisch im 90-Sekunden-Takt und mit 100 Prozent Ökostrom fahren, 270.000 Fahrgäste pro Tag transportieren – und im Jahr rund 105 Millionen Pkw-Kilometer einsparen. Die neue U-Bahn-Linie 5 könnte neue Maßstäbe im Nahverkehr setzen, wenn alles gelingt, was sich Senat und Hochbahn vorgenommen haben.
Für ein zentrales Problem aber gab es bisher keine Lösung. So ein gigantisches Projekt setzt in der Bauphase in der Regel durch Produktion und Nutzung von Beton oder Stahl und durch hohen Energieverbrauch so viel klimaschädliches CO2 frei, dass es Jahrzehnte dauert, bis sich der Klimaschaden durch die Nutzung der Bahn halbwegs wieder ausgleicht. Deswegen haben einige Experten bereits vom Bau der U5 abgeraten und für eine deutlich einfacher zu installierende Stadtbahn plädiert.
Nun aber hat Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) am Dienstag ein Konzept vorgelegt, nach dem beim Bau der U5 gegenüber der bisher üblichen Bauweise massiv CO2 eingespart werden soll. Es wurde von Hochbahn und U5 GmbH zusammen mit dem Ingenieurbüro LPI aus Hannover erarbeitet.
U5 in Hamburg: Beim Bau sollen 70 Prozent CO2 eingespart werden
Danach sollen durch den Bau der U5 70 Prozent weniger CO2 ausgestoßen werden als bei herkömmlicher Bauweise. Erreicht werden soll dieses Ziel zunächst dadurch, dass der CO2-Ausstoß überhaupt erstmals zu einem wesentlichen Kriterium aller Entscheidungen gemacht wird – was bisher bei Bauvorhaben nicht üblich ist. Dabei soll, anders als bisher, nicht nur der vor Ort entstehende CO2-Ausstoß, sondern die ganze Lieferkette berücksichtigt werden. Es wird also auch der CO2-Ausstoß durch die Produktion von Baustoffen einberechnet, die in anderen Bundesländern hergestellt und in Hamburg lediglich verbaut werden. Bisher wurden diese ausschließlich im Herkunftsland bilanziert.
Zudem soll durch angepasste Materialmengen und Bauweisen Material eingespart werden. Mit einem „nachhaltigen Bodenmanagement“ will der Senat dafür sorgen, dass beim nötigen Erdaushub und der Entsorgung ressourcenschonend vorgegangen wird. Es sollen nur Unternehmen beauftragt werden, die nachhaltig arbeiten – und umweltschonend hergestellte Baustoffe verwenden. Außerdem soll beim Bau der U5 ausschließlich mit Ökostrom gearbeitet werden. Insgesamt soll der CO2-Ausstoß durch all diese Maßnahmen von den ohne sie prognostizierten 2,7 Millionen Tonnen auf 850.000 Tonnen sinken. So soll die klimaschonendste U-Bahn Deutschlands entstehen.
Weniger CO2-Ausstoß in der Lieferkette
Um diese Ziele zu erreichen, will Hamburg eng mit der Industrie zusammenarbeiten. Denn bisher sind klimafreundlich produzierte Baustoffe kaum am Markt verfügbar. „Auch künftige technische Fortschritte im Bereich klimafreundlichen Bauens sollen genutzt werden“, so der Senat. „Um diesen Prozess zu initiieren und zu beschleunigen, stehen Hochbahn und U5 GmbH in einem engen Austausch mit Unternehmen und Verbänden der Stahl-, Beton- und Zementindustrie.“
Dabei rechnen die Planer damit, dass bereits ab 2025 CO2-reduzierter „Profil- und Bewehrungsstahl“ zur Verfügung steht – und ab 2028 Zement, bei dessen Produktion CO2 abgeschieden und so im Ausstoß vermieden wird. 2035 sollen nach den Prognosen dann bereits Zemente mit 100-prozentiger CO2-Abscheidung im Herstellungsprozess verfügbar sein. Gerade durch die bisher extrem klimaschädliche Produktion dieser Materialien, gilt das Bauen bisher noch als einer der größten Klimakiller.
Mammutprojekt U5 soll Markt für klimaschonende Baustoffe schaffen
„Der Bau der U5 ist ein Jahrhundertprojekt. Die hochmoderne, automatisch und mit Ökostrom fahrende Linie wird die Mobilität für sehr viele Menschen in Hamburg verändern“, sagte Verkehrssenator Tjarks bei der Vorstellung der Pläne am Dienstag im Rathaus. „Wir wollen aber nicht nur im Betrieb, sondern auch beim Bau eine Vorreiterrolle einnehmen. Deshalb haben wir die CO2-Emmissionen beim Bau erstmals zum wesentlichen Bewertungskriterium gemacht. Gemeinsam mit den Partnern aus der Industrie sollen so die CO2-Emmissionen beim Bau um 70 Prozent gesenkt werden und während der Bauzeit pro Jahr durchschnittlich weniger als 0,4 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes Hamburgs ausmachen. Das ist ein sehr starkes Zeichen: Wir stellen uns der Verantwortung, die mit dem Bau einer U-Bahn-Linie einher geht.“
Aus Sicht von Hochbahn-Chef Henrik Falk läutet der Bau der U5 „eine neue Zeit“ ein. „Erstmals nehmen wir dabei den gesamten Prozess in den Blick und übernehmen Verantwortung für wirklich alle entstehenden CO2-Emissionen. Besonders wichtig ist der Austausch mit der Industrie, um gemeinsam einen Markt für CO2-arme Baustoffe und -prozesse zu entwickeln. Das wird neue Maßstäbe für den Bau von Verkehrsinfrastruktur in Deutschland setzen.“
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Als Deutschlands „größtes innerstädtisches Infrastrukturprojekt“ solle die U5 mit dieser Strategie „auch einen relevanten Markt für klimaschonend hergestellte Baustoffe schaffen“, so der Senat. Nachhaltigkeit werde erstmals ein wesentliches Kriterium für den Einsatz von Baustoffen und die Auftragsvergabe. Auch die Industrie habe erkannt, „dass die Herstellung von Baustoffen umweltschonender werden muss“. Schon der bisherige Austausch mit der Industrie bei der Erarbeitung der Reduktionsstrategie habe gezeigt, „dass vor allem im Stahlbau und bei der Produktion von Zement und Beton deutliche CO2-Einsparpotenziale zu erwarten sind“.
Die Hochbahn wolle „ganz bewusst in die Treiberrolle gehen, wie wir es auch schon bei der Beschaffung der E-Busse gemacht haben“, so Falk. „Wir können es uns schlicht nicht leisten zu warten, ob irgendwann ein Markt für CO2-arme Baustoffe entsteht. Mit der klaren Ausrichtung der U5 auf eine klimaschonende Bauweise setzen wir ein deutliches Signal an die Industrie, dass es hier eine relevante Nachfrage nach entsprechenden Vorprodukten gibt.“
Für den ersten Abschnitt der U5 von Bramfeld in die City Nord werden derzeit bereits Leitungen verlegt – als „vorbereitende Arbeiten für den Bau des Tunnels und der Haltestellen“. Am 30. September wird der Bau des Jahrhundertprojekts dann mit einem feierliche Spatenstich offiziell gestartet. Der Probebetrieb auf dem ersten Abschnitt der U5 ist für Ende 2027 geplant.