Hamburg. Eines der größten Probleme für Hamburgs Schulen ist der Hol- und Bringverkehr mit Autos. Wie extrem die Lage in den Stadtteilen ist.

Elterntaxis bleiben ein Problem vor Schulen und Kitas: Das Abendblatt berichtete erst kürzlich, dass rund ein Drittel der Schülerinnen und Schüler in Hamburg mit dem Auto gebracht wird – zum großen Unmut der Einrichtungen, wie eine Umfrage der Metropolregion Hamburg ergab. Auch die Polizei führte in den drei Wochen seit Schulbeginn intensivere Verkehrskontrollen an Grundschulen durch, um Autofahrende und Eltern für das Problem zu sensibilisieren.

„Die Polizei weist wiederkehrend darauf hin, dass der Hol- und Bringverkehr deutliche Gefahren für die zu Fuß ankommenden Kinder mit sich bringt“, sagt Sprecher Thilo Marxsen auf Abendblatt-Anfrage.

Schule Hamburg: Elterntaxis führen zu großem Unmut in Einrichtungen

Beispiele seien das Rangieren oder Wenden, Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Sichtbehinderung durch haltende Wagen. „Ein verringerter Autoverkehr rund um die Schule erhöht signifikant die Sicherheit der Kinder.“ Die Polizei appelliert daher an Eltern, das Auto stehen zu lassen und ihre Kinder zu ermutigen, den Schulweg selbstständig zurückzulegen.

Vom 19. bis zum 30. September fordert auch die Aktion „Zu Fuß zur Schule“ Kinder und Eltern erneut dazu auf zu laufen, radeln oder zu rollern. Doch wie sieht es vor Ort aus? Dazu hat sich das Abendblatt in verschiedenen Wohngebieten umgeschaut.

Elterntaxis in Hamburg: So ist die Lage in Blankenese

Um 7.30 Uhr ist die Welt im Umfeld der Gorch-Fock-Schule noch in Ordnung. „Zu Fuß ist cool“ prangt in bunten Buchstaben auf einem Banner, das am Zaun hängt. Und viele Kinder beherzigen dieses Motto. Sie kommen zu Fuß, mit dem Roller oder dem Rad. Doch wenige Minuten später fahren auch etliche Autos vor.

Ein Mann im Audi lässt zwei Mädchen aussteigen, lädt deren Roller aus und verabschiedet sich. Manche Wagen stehen direkt in der Kurve oder zumindest unmittelbar vor der Schule. Das ist auch eine Situation, die Christine Mani häufiger erlebt. Die Hamburgerin hat ihre Zwillinge mit dem Rad gebracht. Oft sei die Straße zugeparkt. „Und am ersten Schultag stand hier auch jemand von der Polizei.“

Wenn an diesem Mittwochmorgen ein Beamter vor Ort gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich das Fahrmanöver einer Frau kommentiert, die ihren Kleinwagen direkt in einer Kurve wendet. Ein Rollerfahrer, der passieren will, wirft der Fahrerin böse Blicke zu, Schüler auf dem Rad oder zu Fuß müssen ausweichen. Es ist überhaupt eng hier in der Straße — ein Umstand, den auch eine Mutter kritisiert, die ihren Viertklässler begleitet hat. „In der Gegend gibt es keine vernünftigen Radwege“, sagt die Blankeneserin. „Und die Autofahrenden halten häufig den notwendigen Sicherheitsabstand zu den Radfahrern nicht ein. Manchmal wird das richtig gefährlich.“

Hamburg: Die Erfahrungen vor einer Grundschule in Sasel

Vor der Grundschule Alsterredder erhöht sich gegen 7.40 Uhr das Verkehrsaufkommen: Neben Kindern und Eltern, die zu Fuß und auf dem Rad den Schulweg bestreiten, sind es auch viele Autofahrer, die ihre Jüngsten unmittelbar vor dem Haupteingang absetzen. „Vor einer Woche wurden hier Halteverbotsschilder aufgestellt, trotzdem tut sich nicht viel“, beschwert sich ein Vater, der sein Kind auf dem Fahrrad begleitet hat. „Wenn ich mit dem Auto zur Arbeit fahre, nehme ich meinen Sohn auf dem Weg auch mit zur Schule. Aber dann halte ich immerhin nicht direkt vor dem Eingang, sondern ein, zwei Straßen weiter.“

Weitere Eltern beschreiben die Zustände als „chaotisch“ und „gefährlich“. Hinter den haltenden Wagen staut sich der Verkehr, einige Fahrzeuge überholen die Elterntaxis, die Busse kommen erst gar nicht vorbei und müssen warten. Ohne Polizei vor Ort, so eine Mutter, würde sich sowieso niemand an das absolute Halteverbot vor dem Schulgelände halten. Ein paar Meter weiter hält ein SUV, ein Vater steigt aus und setzt seinen Töchtern den Schulranzen auf. „Wir haben drei Kinder und sparen uns morgens 15 Minuten, wenn wir das Auto anstelle des Fahrrads nehmen“, sagt er. „Es ist nun mal die komfortablere Option.“

Elterntaxi: Eimsbüttel hält Mutter mit Kombi mitten auf dem Gehweg

An der Grundschule Tornquiststraße geht es ab 7.45 Uhr Schlag auf Schlag. Die meisten Schüler und Schülerinnen kommen zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Viele Eltern begleiten ihre Kinder, überqueren gemeinsam die Straße. Und doch gibt es immer noch etliche, die ihre Kinder mit dem Auto fahren. Die erste Mutter fährt mit ihrem Kombi an der Schule vorbei, hält mitten auf dem Gehweg und lässt ihre Tochter aussteigen.

Grundschule Tornquiststraße in Eimsbüttel: Eltern setzen ihre Kinder vor der Schule ab.
Grundschule Tornquiststraße in Eimsbüttel: Eltern setzen ihre Kinder vor der Schule ab. © HA / Genevieve Wood

Ein Vater sagt, dass der Fußweg eine halbe Stunde dauern würde und er seine Tochter daher mit dem Auto fahre. Eine andere Mutter, die ihren Kombi direkt vor dem Schuleingang parkt, sagt, dass sie anschließend ihren Sohn zur Kita fahren müsse, die weiter weg sei. Weil diese Mutter an diesem Morgen nicht die Einzige ist, die vor der Schule hält, staut sich der Verkehr schnell. Dazwischen fahren Radfahrer auf der Veloroute.

Radfahrer: „Fahrt eure Kinder doch gleich ins Klassenzimmer!“

Einer schimpft: „Fahrt eure Kinder doch gleich ins Klassenzimmer!“ Mit laufendem Motor hält ein Vater um 7.58 Uhr mit seinem Fahrzeug vor dem Eingang der Schule und verabschiedet seine Kinder. Kurz darauf blockiert eine Mutter die Kreuzung, um ihr Kind aus dem Auto steigen zu lassen. Um 8.02 Uhr ist alles vorbei, die Straßen wieder leer, es fahren kaum Autos. Schulleiterin Britta Christiansen schreibt dem Abendblatt später: „Die Situation an unserer Schule ist morgens grundsätzlich entspannt.“ Wie jedes Jahr nimmt die Schule auch an der Aktion „zu Fuß zur Schule“ teil.

Zu Fuß zur Schule: In Harvestehude hält Lerneffekt nicht lange an

Ulrike Lammen, Direktorin der Grundschule Turmweg, sagt zu der Aktion: „In diesen Wochen, in denen sich die Kinder Stempel für das Kommen zu Fuß, mit dem Roller oder Rad abholen, haben wir tolle Ergebnisse und nur zehn Prozent des sonstigen Verkehrs vor der Schule.“ Allerdings halte der Effekt leider kaum an.

„Die Eltern, die wir eigentlich erreichen wollen, die erreichen wir einfach nicht“, so die Schulleitung. Bei vielen habe es strategische und praktische Gründe. „Viele Kinder werden nicht mehr wohnortnah eingeschult, sondern kommen oft von weiter weg, da die Eltern die Schule auswählen, die nah bei ihrer Arbeit liegt.“

Und in der Innenstadt würden nun einmal viele ihre Jobs haben, die Turmweg-Grundschule liegt somit ideal. „Die Familien, die oft auch mehrere Kinder morgens wegbringen müssen, sind zeitlich sehr eng getaktet, sie haben sich ihr Leben eingerichtet, und wir spüren eine gewisse Ignoranz.“ Lammen versteht die Situationen der Familien, plädiert jedoch dafür, einige Minuten früher aufzubrechen und die Kinder dann in den umliegenden, gut mit Fußwegen ausgestatteten Straßen aussteigen zu lassen.

Groß Flottbek: Viele Elterntaxis bei regnerischem Wetter

Die Schule Windmühlenweg liegt in einem großbürgerlichen Einzugsgebiet. An zwei regnerischen Tagen sind morgens viele Elterntaxis zu sehen. Allerdings gibt es am Windmühlenweg und den Seitenstraßen relativ viel Platz zum Anhalten. Zu beobachten ist, dass die meisten ihre Autos nicht kreuz und quer oder auf dem Fußweg abstellen, sondern sich bemühen, umsichtig einzuparken.

Da es auf dem Schulgelände eine Kita gibt, bringen viele Eltern auch noch ganz kleine Kinder. Die Schule selbst ist durch eine Schranke abgesichert. „Das Thema Elterntaxis ist auch bei uns an der Schule sehr präsent und wird intensiv mit dem Elternrat bearbeitet“, sagt Schulleiterin Nina Löb. Zwar würden gerade bei schlechtem Wetter und in der dunklen Jahreszeit viele Kinder zur Schule gefahren, allerdings seien die Eltern beim Halten und Einparken relativ diszipliniert, was auch mit dem Einsatz der Verkehrslotsen vor Ort zu tun habe. Insofern gehe es weniger um die Gefährlichkeit vor der Schule, sondern um zwei andere Schwerpunkte.

„Wichtig ist uns, dass die Kinder die Mobilität eigenständig lernen und erproben können – auch mit Blick auf ihre Wege an den weiterführenden Schulen“, sagt Löb. „Außerdem ist das eigenständige zur Schulekommen ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit.“

Schule Hamburg: So ist die Elterntaxi-Situation in Harburg

Vor der Grundschule am Kiefernberg in der Weusthoffstraße ist hingegen jeden Morgen kurz vor Schulbeginn „Rushhour“. Viele Eltern bringen ihre Kinder in die Grundschule, die direkt an einer Durchgangsstraße liegt. Diese wird noch stärker von Autos frequentiert, seit die Fahrradstraße in der Denickestraße andere Wege unterbrochen hat.

Am Morgen staut es sich nicht nur vor dem Zebrastreifen in Höhe der Schule. Eltern parken mit ihren Autos sämtliche Zufahrten zu. Zwischen zwei Eltern in Kleinwagen und Minivan kommt es in so einer Einfahrt zu einer kurzen Pöbelei. An der nur wenige Meter entfernten Sackgasse ist Gehupe zu hören, weil Elternfahrzeuge den Ausfahrtsbereich blockieren. Eine Mutter parkt ihren SUV mitten auf dem Radweg vor der Schule. Sie bringt ihr Kind, wie viele andere Eltern, die mit dem Auto vorgefahren sind, bis zum Eingang.