Hamburg. Einführung an den weiterführenden Schulen von 2024 an möglich – voraussichtlich mit zwei Unterrichtsstunden pro Woche.
Wer möchte, kann heute diverse digitale Helfer in sein Leben lassen: von der Smartwatch, die uns weckt, Termine verwaltet und Nachrichten verschickt, den Puls misst und Gesundheitstipps gibt, über Apps für Einkauf, Navigation und Reisebuchung bis zu sozialen und beruflichen Online-Netzwerken, die Vorschläge für neue „Kontakte“ machen. All diese Anwendungen basieren auf Algorithmen.
Wie aber funktionieren diese mathematischen Rechenanweisungen für Computer, was passiert mit erhobenen Nutzerdaten, wie weit darf der Einfluss von Algorithmen gehen? Mit solchen Fragen werden sich bald alle Mädchen und Jungen an Hamburgs weiterführenden Schulen beschäftigen, denn dort soll Informatik zum Pflichtfach werden – voraussichtlich mit zwei Unterrichtsstunden pro Woche, in der Mittelstufe in mindestens zwei Stufen, etwa in den Klassen 8 und 9 oder 9 und 10.
Schule Hamburg: Informatik eine "Zukunftstechnologie"
Dafür hat sich Schulsenator Ties Rabe (SPD) bei einer Tagung mit Fachleuten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Pädagogik ausgesprochen, die auf Einladung der Schulbehörde zusammenkamen. Für den Start des Pflichtfachs strebt die Behörde das Schuljahr 2024/25 an.
„Wir führen Informatik als Pflichtfach ein, weil es sich um eine Zukunftstechnologie handelt, die jetzt schon beinahe den Stellenwert hat wie die elementaren Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen“, erklärt Rabe auf Abendblatt-Anfrage. „Alle Schülerinnen und Schüler benötigen diese Kompetenzen, um sich in der Welt von morgen behaupten zu können. Darüber hinaus ist es auch für die Wirtschaft eine der Schlüsseltechnologien der Zukunft, die zukünftige Generationen beherrschen müssen.“
Informatik bisher ein Wahlpflichtfach
Bis 2013 war Informatik an den Hamburger Stadtteilschulen ein kleiner Teil des verpflichtenden Lernbereichs Naturwissenschaften und Technik, seitdem ist es dort ein Wahlpflichtfach. Nach Angaben der Schulbehörde bieten derzeit etwa 60 Prozent der Stadtteilschulen und mehr als 70 Prozent der Hamburger Gymnasien Informatik als Wahlpflichtfach für die Jahrgangsstufen 8, 9 und 10 an. Das Wahlpflichtfach habe zu einer „männlichen Domäne geführt“, sagt Ties Rabe. „Wir wollen durch das Pflichtfach insbesondere auch Schülerinnen fördern.“
Ähnlich hatte sich auf der Fachtagung die Präsidentin der Gesellschaft für Informatik, Christine Regitz, geäußert. Mehr Mädchen als bisher für Technik zu begeistern, mündige Bürgerinnen und Bürger auszubilden sowie Kooperation, Kommunikation und Konfliktfähigkeit zu fördern – das seien wichtige Ziele des Informatikunterrichts, sagte Regitz.
IT-Executive Club befürwortet Entscheidung
Der Informatiklehrer Torsten Otto vom Kurt-Körber-Gymnasium in Billstedt, das schon seit vielen Jahren digitale Medien im Unterricht nutzt, habe bei der Tagung den „kreativen und handlungsorientierten Charakter“ des Fachs Informatik herausgestellt, erklärte die Fachgruppe SH-HILL, die Interessen von Informatiklehrerinnen und -lehrern in Schleswig-Holstein und Hamburg vertritt.
Zufrieden zeigt sich der IT-Executive Club (ITEC). In dem Netzwerk haben sich IT-Führungskräfte aus mehr als 120 Hamburger Firmen zusammengeschlossen. „Wir freuen uns außerordentlich über die Ankündigung des Senators“, teilten der ITEC-Vorsitzende Raphael Vaino und Michael Müller-Wünsch, Bereichsvorstand IT bei Otto, mit.
Fortbildungen für Lehrkräfte geplant
Die Fraktionen von SPD und Grünen hatten am 30. März einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht mit der Forderung nach einem Konzept, wie der Informatikunterricht in Hamburg „perspektivisch zu einem Pflichtfach in der Mittelstufe der weiterführenden Schulen weiterentwickelt werden“ könne. Damit dies gelinge, müsse es auch entsprechende Fortbildungsangebote für Lehrkräfte geben.
Solche Fortbildungen für „informatik-affine“ Lehrkräfte seien geplant, heißt es aus der Schulbehörde. Allein mit studierten Informatikern dürfte sich der Bedarf an Lehrkräften nicht decken lassen.
Schule Hamburg: Auch Niedersachsen zieht mit
Informatik als Wahlpflichtfach und als Abiturfach sollen für eine mögliche Vertiefung bestehen bleiben. In den nächsten Monaten werde die Schulbehörde ausarbeiten, welche konkreten Unterrichtsinhalte mit dem Fach zu verbinden sind und sich dabei „auch der sehr schweren Frage stellen, welche anderen Fächer dann ein Stück weit eingeschränkt werden zugunsten des neuen Pflichtfachs Informatik“, sagt Ties Rabe.
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Schleswig-Holstein hat schon zum laufenden Schuljahr damit begonnen, Informatik als Pflichtfach in der Mittelstufe einzuführen, zunächst an 80 Schulen. Im Schuljahr 2021/22 sei dafür eine „große Weiterbildungsoffensive“ gestartet worden, heißt es aus dem Bildungsministerium in Kiel. In Niedersachsen soll Informatik vom Schuljahr 2023/2024 an ein Pflichtfach werden.