Hamburg . Eine Umfrage zur Mobilität zeigt, wie kritisch der Hol- und Bringverkehr vieler Eltern gesehen wird. Doch es gibt noch mehr Probleme.

Dieser Tage finden an vielen Hamburger Schulen die ersten Elternabende des neuen Schuljahres statt. Und fast immer gibt es dort auch Anmerkungen zum Schulweg. „Am besten autofrei“, gibt ein Gymnasium im Hamburger Süden den Erziehungsberechtigten mit auf den Weg – schriftlich. Wer schon mit dem Auto komme, möge, sein Kind bitte „nicht bis zum Schultor bringen“, sondern an der nächsten Straßenecke rauslassen.

Solche und ähnliche Appelle gibt es an fast jeder Schule und jedem Kindergarten – allein: Es nützt nichts. Nach wie vor kommt es vor vielen Bildungseinrichtungen jeden Morgen zu chaotischen Zuständen. Weil es vor Schulen in der Regel kaum Parkplätze gibt, halten die Elterntaxis halt auf Fuß- und Radwegen, in Einfahrten, auf Grünstreifen oder gar mitten auf der Straße – dass sie damit den Verkehr lahmlegen und andere gefährden, insbesondere die anderen Kinder, wollen die Eltern in der Regel nicht einsehen.

Verkehr Hamburg: Elterntaxis "das drängendste Problem"

„Das Problem hat eher zugenommen“, sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde. „Derzeit werden rund ein Drittel der Schülerinnen und Schüler mit dem Auto zur Schule gebracht.“ Obwohl die Behörde seit Jahren mit unterschiedlichen Aktionen an die Eltern appelliert, ihr Verhalten zu zu überdenken, ändert sich wenig, im Gegenteil: „Durch die Zunahme der Schülerzahlen an vielen Schulstandorten lässt sich vermuten, dass sich das Problem verstärkt“, sagt Albrecht.

Dabei ist der Unmut schon jetzt sehr groß, wie eine Umfrage der Metropolregion Hamburg ergab. Die Gesellschaft, die die Zusammenarbeit der Hansestadt mit ihren Umlandgemeinden und -kreisen vertiefen soll, hat Kitas und Schulen in den Bezirken Altona und Eimsbüttel sowie in Südholstein zum Thema Mobilität befragt, und das Ergebnis lautet: „Das Elterntaxi ist mit Abstand das drängendste Problem vor Schulen und Kitas“, so eine Mitteilung der Metropolregion.

Elterntaxis gefährden andere Kinder

Vier von fünf befragten Einrichtungen nannten die motorisierten Hol- und Bringverkehre als eines der fünf größten Probleme im Bereich Mobilität, noch vor anderen Problemen wie überhöhte Geschwindigkeit und fehlende Querungshilfen. Konkret beklagen die Schulen und Kitas die Gefährdung von Kindern auf Geh- oder Radwegen, eine Beeinträchtigung des fließenden Verkehrs und dass Eltern im Halteverbot oder in Feuerwehrzufahrten parken und Radwege blockieren.

Insgesamt haben sich mehr als 150 Kitas, Grund- und weiterführende Schulen in Hamburg und Südholstein geäußert, darunter 29 aus dem Bezirk Altona und 59 aus dem Bezirk Eimsbüttel. Rund drei Viertel der Einrichtungen gaben dabei an, mit Elternabenden und Elternbriefen gegen das Elterntaxi-Phänomen anzugehen, allerdings würden selbst Polizeikontrollen nicht nachhaltig wirken. Eine Erfolgsquote von immerhin 30 Prozent wurde mithilfe individueller Ansprache von Eltern verzeichnet. Das Projekt soll noch bis ins Jahr 2023 fortgesetzt werden. Als nächster Schritt sind detailliertere Untersuchungen an bis zu zehn Kitas, 20 Grundschulen und zehn weiterführenden Schulen geplant.

Freie Schulwahl ein großes Problem

Ein Hamburger Schulleiter sagte dem Abendblatt, ein großes Problem sei die freie Schulwahl. Für Grundschulen mit einem besonders guten Ruf nähmen Eltern lange Schulwege in Kauf. Das erhöhe die Zahl der Elterntaxis. Er habe aber auch Eltern beobachtet, die nur 200 Meter von der Schule entfernt wohnten und trotzdem ihr Kind per Auto zur Schule brachten. Das Parkverhalten sei „hochgradig egoistisch“ und habe regelmäßig Gefahrenpotenzial.

Der Pädagoge vermutet in vielen Fällen einen übertriebenen Fürsorgegedanken hinter dem Verhalten der Eltern. Auch die Angst vor „Mitschnackern“ würde da reinspielen. Dazu passe, dass immer mehr Kinder mit Tracker-Uhren ausgestattet sind, die eine Ortung durch die Eltern ermöglichen. Er selbst habe schon erlebt, dass ein aufgeregter Vater während der Unterrichtszeit anrief, weil er aufgrund der Anzeige des Trackers annahm, dass sein Kind nicht mehr auf dem Schulgelände sei, so der Schulleiter. Tatsächlich war die Ortungsfunktion nur ungenau.

„Schulwegtraining“ von der Polizei für Erstklässler

Die Schulbehörde hat das Thema Elterntaxi nach eigener Aussage bereits seit Jahren im Blick. „Kinder mit dem Auto zur Schule zu fahren, um sie vor möglichen Gefahren des Straßenverkehrs zu schützen, ist zwar nachvollziehbar“, sagt Behördensprecher Peter Albrecht. „Aber das ist der falsche Weg, denn dadurch wird das Verkehrsaufkommen rund um die Schulen verstärkt, und insbesondere die Kinder, die zu Fuß oder mit dem Roller/dem Fahrrad zur Schule kommen, werden gefährdet.“ Kinder müssten früh lernen, mit den Gefahren im Straßenverkehr umzugehen.

Daher gebe es für Erstklässler gemeinsam mit der Polizei das „Schulwegtraining“ und vom 19. September an die dreiwöchige Aktion „Zu Fuß zur Schule“. Zudem könnten Parkplätze in der weiteren Schulumgebung genannt werden, wo sich Schülerinnen und Schüler sammeln und dann wenigstens einen Teil des Weges zu Fuß zurücklegen können. Albrecht betonte, dass es die Selbstständigkeit, die Bewegungsfreude und die sozialen Kontakte fördere, wenn Kinder den Schulweg auf eigenen Beinen zurücklegen.

Verkehr Hamburg: Politik muss handeln

Die Elternkammer Hamburg positioniert sich zu dem Thema nicht eindeutig. „Eltern möchten ihre Kinder sicher in der Schule sehen“, daher würden sie sie bringen, heißt es. Oft lasse sich dieser Weg mit dem Weg zur Arbeit verbinden. Die Kammer räumt aber auch ein, dass sich die Situation vor den Schulen in den letzten Jahren verschärft habe: „Dabei ist allen Beteiligten klar, dass ein selbstständiger Weg zur Schule, zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, für Kinder ein wichtiger Schritt in die Eigenständigkeit ist.“

Appelle seien dafür aber nicht ausreichend: „Hier ist die Politik und vor allem die Stadtplanung gefragt. Es müssen mit Schulen, Eltern und Polizei Verkehrskonzepte für bestehende und zu errichtende Schulen individuell angeschaut, geprüft und so verändert werden, dass ein sicherer Schulweg gewährleistet ist.“