Hamburg. Finanzsenator Andres Dressel erklärt die Aufstellung und verteidigt die hohen Mehrausgaben. Opposition übt scharfe Kritik.
Eine immer noch nicht durchgestandene Corona-Krise, dazu ein Krieg in der Ukraine mit kaum absehbaren Auswirkungen auf Lieferketten, Energieversorgung und Lebenshaltungskosten, und über allem der immer präsentere Klimawandel (Stichwort Dürre) – es gibt wohl kaum eine unpassendere Situation, um einen Haushalt für eine Stadt wie Hamburg aufstellen zu müssen, sich also festzulegen, wie viel und wofür man in den kommenden Jahren Geld ausgeben will.
Ohne geht es aber auch nicht, daher hat der Senat kürzlich seinen Entwurf präsentiert, der das Rekordvolumen von insgesamt gut 37 Milliarden Euro für die Jahre 2023 und 2024 vorsieht: Der Aufwand steigt von 17,7 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf 18,3 Milliarden 2023 und 18,8 Milliarden 2024. Am Mittwoch hat Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) das Werk nun in der Bürgerschaft vorgestellt und erstmals zur Debatte gestellt. Dabei war er erneut bemüht, trotz der kritischen Lage Optimismus zu vermitteln.
Hamburger Senat: Stadt gut durch die Krise gekommen
Er machte das an fünf Punkten fest: Erstens sei Hamburg finanziell so gut durch die Corona-Krise gekommen, dass man die haushaltsrechtliche Notsituation bald beenden könne. Weil das so ist, legte sich Dressel zweitens auch fest: „Wir werden die Folgen des Ukraine-Krieges bewältigen.“
Für die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Land seien bereits 135 Millionen Euro eingeplant. Doch aufgrund der Dynamik des Konflikts werde der Senat die Bürgerschaft schon bald um einen Nachschlag über weitere 100 Millionen Euro bitten. Dabei gehe es um Kosten für Unterkunft, Beschulung, soziale Angebote und vieles mehr. „Das geht quer durch die städtischen Bereiche“, so Dressel.
„Wir sind eine starke Stadt“
Drittens sei der Haushaltsentwurf des Senats von dem Willen geprägt, „städtische Grundfunktionen solide auszufinanzieren“, so der Finanzsenator. Als Beispiele führte er an, dass Bezirksämter, Schulen, Polizei, Feuerwehr, Justiz und Hochschulen deutlich mehr Mittel erhalten werden. Viertens wolle man „die Zukunftsstadt Hamburg weiter gestalten“, sagte Dressel, der betonte, dass die geplanten Investitionen mit 2,2 und 2,4 Milliarden Euro in den beiden Jahren jeweils ein Rekordniveau erreichen sollen: „Wir sind eine starke Stadt.“
Fünftens werde der Senat „finanzpolitisch Kurs halten“ und strebe daher für 2024 einen auch kaufmännisch ausgeglichenen Haushalt an. 2021 war das trotz der Corona-Krise bereits gelungen: Gut 600 Millionen Euro Überschuss wurden erwirtschaftet. „Wir sind das erste und einzige Bundesland, das sich so ein ehrgeiziges Ziel setzt“, sagte Dressel, der zumindest in diesem Punkt nicht nur von SPD und Grünen, sondern auch von CDU und AfD Zustimmung erhielt. Einzig die Linkspartei kritisierte, dass dem Senat die Einhaltung der Schuldenbremse wichtiger sei als die Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit.
CDU: Haushalt "veraltet"
Doch Kritik gab es auch so genug. CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer bemängelte angesichts des angekündigten Nachtrags, der Haushalt sei „schon veraltet, bevor er verabschiedet wird“. Viele Risiken und Auswirkungen des Ukraine-Konflikts wie die gedrosselte Produktion einiger Unternehmen oder die explodierenden Energiekosten seien nicht ausreichend berücksichtigt. Der Senat dürfe sich nicht auf der hohen Dividende der Reederei Hapag-Lloyd, an der Hamburg mit 13,9 Prozent beteiligt ist, von gut 800 Millionen Euro ausruhen, denn die löse nur kurzfristig Probleme.
Als „bemerkenswert“ kritisierte Kleibauer, dass der Finanzsenator nicht erwähnt habe, dass Hamburg zum 1. Januar die Grunderwerbsteuer von 4,5 auf 5,5 Prozent erhöhe. Die Mehreinnahmen von 123 Millionen Euro seien wohl die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Stadt und fielen in eine Zeit ohnehin großer Belastungen für die Bürger, so Kleibauer. Für junge Familien werde der Erwerb von Wohneigentum noch schwerer. Die vom Senat angekündigte „Raum- und Personalkostenbremse“ sei bislang eine reine Absichtserklärung, kritisierte der CDU-Politiker: „Das ist wie bei einem Abhängigen, der sagt: Morgen fange ich an.“
Behörden sollen drei Prozent des Etats einsparen
Im Gegensatz dazu warf David Stoop (Linkspartei) dem Senat vor, zu wenig Geld auszugeben. So sei von den zur Verfügung stehenden Corona-Mitteln gerade einmal die Hälfte ausgegeben worden. „Viele Soloselbstständige und Minijobber wurden im Regen stehen gelassen“, kritisierte Stoop und mahnte: „Das darf sich bei den Entlastungspaketen zur Bewältigung der Inflationsfolgen keinesfalls wiederholen.“
Ebenso wie Kleibauer rügte der Haushaltsexperte der Linken, dass der Senat allen Behörden pauschal auferlege, statt wie bisher zwei nun sogar drei Prozent ihres Etats einzusparen: Dabei gehe es um mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr, über die die Bürgerschaft trotz ihrer Budgethoheit nicht mitbestimmen könne: „Konkret wird das vielerorts bedeuten, dass eigentlich benötigte Stellen vakant bleiben werden. Das ist ein Unding.“
Haushalt von 12 auf 18 Milliarden Euro gewachsen
Aus Sicht von AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann wird der Haushaltsentwurf des Senats aufgrund des angekündigten Nachtrags „schon bald Makulatur“ sein. Auch er kritisierte die Erhöhung der Grunderwerbsteuer sowie die allen Bremsversuchen zum Trotz steigenden Personalkosten. Nockemann forderte den Senat auf, eine weitere Elbquerung zu planen, denn der Unfall am „Nadelöhr“ Elbbrücken habe gezeigt: „Bei Störungen leidet die ganze Stadt.“
Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) kritisierte, dass der Haushalt der Stadt innerhalb von zehn Jahren von 12 auf 18 Milliarden Euro gewachsen sei, was weder mit gestiegenen Bevölkerungszahlen noch mit der Inflation begründet werden könne: „Es sind viel mehr rot-grüne Wunschträume und der massive Personalaufwuchs der Stadt, die es immer schwieriger machen, die Schuldenbremse offiziell einzuhalten.“
Hamburger Senat: Hohe Ausgaben für Soziales
Milan Pein (SPD) verwies hingegen auf die gestiegenen Ausgaben für Soziales – der Sozialetat ist mit mehr als 4,5 Milliarden Euro mit Abstand der größte – für Schule, Justiz, Polizei und Feuerwehr sowie die geplanten Investitionen vor allem im Verkehrsbereich: „In Hamburg passiert gewaltig etwas.“
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Dennis Paustian-Döscher (Grüne) hob die gestiegenen Ansätze zur Bekämpfung des Klimawandels sowie zur Stärkung der Bezirke um 100 Millionen Euro pro Jahr hervor: „Das ist die größte strukturelle Verbesserung für die Bezirksämter seit vielen Jahren.“