Hamburg. Die Ausländerbehörde wurde nicht über eingestellte Ermittlungsverfahren informiert. Es geht um 80.000 Fälle. Die Hintergründe.

Hat es in Hamburg womöglich in den vergangenen Jahren Ausweisungen oder Abschiebungen von Nicht-Deutschen aufgrund eines technisches Pro­blems bei der Staatsanwaltschaft gegeben? Das befürchtet die Linksfraktion und bezieht sich dabei auf eine Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage ihrer Abgeordneten Carola Ensslen.

Hintergrund: Jedes Mal, wenn gegen eine Person mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eröffnet wird, teilt die Staatsanwaltschaft dies der Ausländerbehörde automatisch mit. Wenn sich dann herausstellt, dass kein hinreichender Tatverdacht besteht und das Verfahren eingestellt wurde, sollte es normalerweise eine ebenso automatisierte Mitteilung über die Einstellung geben. Aufgrund eines technischen Fehlers sind diese Einstellungsmitteilungen aber seit 1. Januar 2018 in etwa 80.000 Fällen nicht übermittelt worden.

Justiz: Hamburger Senat rechtfertigt sich

Folge ist, dass in den Akten der Eindruck entstand, gegen die Person laufe weiterhin ein Strafverfahren – ein Umstand, der bei ausländerrechtlichen Entscheidungen von Bedeutung sein kann.„Die Nichtmitteilung kommt einer Kriminalisierung von etwa 80.000 Migrant:innen gleich“, sagte Ensslen. „Ich gehe davon aus, dass der Fehler der Staatsanwaltschaft aufenthaltsrechtliche Entscheidungen negativ beeinflusst hat, vielleicht sind sogar Menschen deswegen abgeschoben wurden.“

Ensslen fragt, warum die Staatsanwaltschaft den Fehler drei Jahre lang nicht bemerkt habe – und kritisiert, dass „der Senat die Bedeutung des Fehlers nun kleinrede“. So hätten sich laut Senatsantwort die Ausländerbehörden bei der Staatsanwaltschaft regelmäßig nach dem Verfahrensstand erkundigt. Auch teilte der Senat mit, dass „die unterbliebenen Einstellungsmitteilungen nicht zu falschen Entscheidungen geführt haben oder führen könnten“.

Justiz: Ensslen fordert Überprüfung

Das ist für die Linken-Politikerin nicht glaubwürdig. „Dass die Ausländerbehörde 80.000-mal nachgefragt haben soll, halte ich für ausgeschlossen“, sagte Ensslen. „Es muss jetzt überprüft werden, ob der technische Fehler zu falschen oder verzögerten Entscheidungen geführt hat. Das ist rechtsstaatlich geboten.“ Die Ausländerbehörde selbst geht nicht davon aus, dass ein Schaden entstanden ist. „In der hiesigen Sachbearbeitung erfolgen Sachstandsfragen an die Staatsanwaltschaft, wenn im Einzelfall ein noch offenes Strafverfahren festgestellt wird“, sagte Sprecher Matthias Krumm.

„So wurde eine Verfahrenseinstellung dann also im Einzelfall mitgeteilt.“ Zudem erfolge vor Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stets „eine Sicherheitsabfrage, sodass durch dieses Versäumnis der Staatsanwaltschaft letztlich keine für uns wesentlichen Erkenntnisse dauerhaft verloren gegangen sind oder dass es deswegen zu Fehlentscheidungen gekommen ist“.