Hamburg. Arne Bläsing handelt mit Wild und Rind, das auf der Weide geschossen wird – so entfällt der Extrem-Stress im Schlachthof.

Wenn wir schon Fleisch essen wollen, sind wir dem Tier zumindest schuldig, dass es zuvor gut lebt hat und möglichst stressfrei stirbt. Davon ist Arne Bläsing überzeugt. Er ist Jäger und gelernter Koch, hat Betriebswirtschaft studiert, viel Marketing gemacht, im Gesundheitswesen gearbeitet – und 2017 Elbwild gegründet. Unter diesem Label vermarktet er Wildfleisch und Fleisch von Rindern, die er auf der Weide schießt.

Arne Bläsing hat viele Jobs gemacht. Als er vor ein paar Jahren bei der Deutschen Wildtierstiftung arbeitete, erinnerte er sich an eine Weltreise vor gut 30 Jahren. Damals fuhr er per Anhalter durch Neuseeland. Ein Rotwildfarmer nahm ihn mit. Im Auto entwickelte sich ein Gespräch mit Folgen: „Ich habe bei ihm drei, vier Wochen für Kost und Logis gearbeitet“, sagt Bläsing. „Und habe immer nur gedacht, wie blöd es ist, Rotwild im Gatter zu halten. Rotwild ist eine Offenlandart. Die Tiere müssen laufen, brauchen einen Genaustausch. Einen Teil des Fleisches hatte er nach Deutschland exportiert. Obwohl unsere Wälder voll mit Wild sind.“ Damals wie heute.

Elbwild: Arne Bläsing schießt die Tiere selbst

Warum also nicht Wildfleisch im größeren Stil vermarkten?, fragte sich Bläsing bei der Wildtierstiftung. Er ist mit der Jagd großgeworden. Und startete nun Elbwild. „Ich schieße das Wild selbst und kaufe von befreundeten Jägern zu, von denen ich ganz genau weiß, wie sie ihre Reviere bewirtschaften. Ich kaufe keine Strecke von Treib- oder Drückjagden auf. Die Jäger sollen vom Ansitz schießen. Auf dem Hochsitz kann sich der Jäger das Tier lange anschauen, wirklich sehen, was es ist und den Schuss richtig plazieren, damit das Tier nicht lange leidet.“

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400 bis 500 Wildschweine im Jahr kommen über Elbwild auf die Tische von Restaurants und Privatleuten. Dazu gut 250 Stück Rotwild und um die 250 bis 300 Rehe. In Mecklenburg-Vorpommern, wo er sein Revier hat, sind Wildschweine ganzjährig bejagbar. Ansonsten gibt es von den Bundesländern festgelegte Schonzeiten. Natürlich auch für Reh- und Rotwild. „Ich biete das Fleisch meistens gefroren an, so dass ich variieren kann.“

Wild kann man das ganze Jahr über essen – und kaufen

Leider fange die Wildsaison für die meisten Menschen im September an und hört Ende Januar auf, bedauert Bläsing. „Das ist extrem schade, denn dieses ökologisch einwandfreie Fleisch ist ganzjährig erhältlich. Das Gefrieren macht keinen qualitativen Unterschied zu Frischfleisch.“ In der Grillsaison könne man wunderbar eine Rehkeule zubereiten, „vielleicht mit einer Teriyaki-Sauce, ergänzt durch Schnitze von Ananas, Mango oder Birne. Das ist einfach fantastisch. Es gibt kein anderes Fleisch, das so wenig Kalorien hat. Ich wünschte, Wild wäre auch ein Sommeressen.“

Wenn etwas mal nicht lieferbar ist, kommt die Bestellung auf eine Reservationsliste. Für Gastwirte geht Bläsing auch schon mal in den Wald: „Sie bestellen meistens ganze Tiere. Ich gehe dann raus und sage auch meinen befreundeten Jägern, was ich gerade brauche. Meistens klappt es.“ Geliefert werden abgezogene Tiere, also ohne Fell oder Schwarte. „Den Gastronomen ist wichtig, dass ein Stempel des amtlich bestellten Veterinärs draufkommt. Der fehlt, wenn man direkt vom Jäger kauft.“

Auch die Rinder von Elbwild werden nicht im Schlachthof getötet

Das zweite Standbein von Elbwild ist der Rindfleischverkauf. Die Tiere leben auf Wiesen im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe. „Wir haben dort verschiedene Rassen, etwa französische Limousin- und Aubrac-Rinder. Die Tiere fühlen sich wohl und werden auf der Wiese von uns geschossen, wenn das Fleisch komplett vorbestellt verkauft ist. Wir bieten es in Paketen von fünf, sechs Kilo über unsere Website an.“

Zunächst wird ein Rind auf der Weide ausgesucht und sein Schlachtgewicht geschätzt. „Mittlerweile haben wir Erfahrungswerte, wie viel Pakete das ergibt. Dann wird eine Bestellrunde gestartet und die Pakete werden verkauft.“

Den Bauern, mit dem Bläsing am meisten zusammenarbeitet, hatte er zufällig getroffen. „Er sagte mir, dass er Biorinder auf der Weide hält und dass er jedes Mal leidet, wenn der Transporter kommt und die Tiere zum Schlachthof fährt. Das wollte er nicht mehr. Ich wusste, dass es zur Schlachtung die Möglichkeit des Weideschusses gibt, und dass es eine Ausbildungsstätte im Landkreis Lüneburg gibt. Wir haben dann beide die Ausbildung gemacht und anschließend mit der ganzheitlichen Vermarktung angefangen.“

Tod auf der Weide: "Der Tierarzt ist mit dabei"

Die Rinder sterben nun auf ihrer Weide, ihnen bleibt der Transport zum Schlachthof und die dortige Tötungsmaschinerie erspart. „Wir schießen sie aus der Herde heraus. Der Tierarzt ist mit dabei, begutachtet das noch lebende und später das tote Tier. Die anderen Rinder geraten beim Abschuss nicht in Stress. Sie erschrecken sich, springen zwei, drei Meter weg. Dann äsen sie weiter.“

Man merke dem Fleisch mit jeder Faser an, dass die Tiere draußen standen, schwärmt Bläsing: „Das Muskelwachstum ist ganz anders. Die Tiere haben Zeit zu wachsen. Sie werden drei bis vier Jahre alt, ein Rind aus der Massentierhaltung höchstens ein Jahr. Wir lassen die Rinder mindestens zehn Tage im Kühlhaus hängen, unter Dry Age-Bedingungen. Beim normalen Lebensmitteleinzelhandel sind es eineinhalb, zwei Tage.“

Wasserbüffel: "Als Schmorfleisch unschlagbar"

Und es mache sich bemerkbar, „dass das Tier nicht ahnte, dass es gleich tot sein wird“. Das marmorierte Fleisch sei vergleichbar mit dem US Beef, sagt der Fleischexperte, stamme aber aus der Region. Die Besteller werden informiert, wenn das Rind geschossen wurde. Dazu erhalten sie ein Datum, wann das Fleisch ausgeliefert wird.

Hamburg und sein Umland beliefert Elbwild selbst. Die bundesweite Kundschaft wird über einen mittelständischen Expresslogistiker versorgt – „auch da haben wir bewusst keinen Großanbieter gewählt“.

Eine Spezialität sind die Wasserbüffel, „echte Elbwasserbüffel“. Ihr Fleisch sei viel fester und sehr aromatisch. „Zum Kurzbraten würde ich es nicht unbedingt nehmen, aber als Schmorfleisch ist es unschlagbar“, sagt der Koch. „Mein Lieblingsrezept ist Boeuf Bourguignon. Das Fleisch wird nur mit Rotwein geschmort. Dazu kommen Gemüse und Zwiebeln. Die leichte Säure vom Rotwein gibt dem Ganzen einen besonderen Kick.“

Elbwild ist teurer als konventionelles Fleisch – soll aber bezahlbar sein

Natürlich sind die Elbwild-Produkte teurer als konventionelles Fleisch. Er versuche, die Preise so zu gestalten, dass sie für jeden bezahlbar sind. „Was die Kunden vereint, ist der Gedanke, mit gutem Gewissen Fleisch essen zu können. Das finde ich super“, sagt Bläsing. Derzeit falle es ihm allerdings schwer, die Preise zu halten. Gern liefert er seine Produkte selbst aus, um Kontakt zu den Kunden zu bekommen. „Die Leute können mich fragen, und das tun sie auch. Bei einer Familie sind die Kinder mit Elbwild großgeworden. Da ist es dann das Arne-Fleisch. Großartig!“

Während der Pandemie ist Arne Bläsing mehreren Netzwerken beigetreten. Aus gemeinsamen Projekten ist unter anderem die Glasware, etwa Wildleberwurst oder Boeuf Bourguignon, entstanden. „Ohne die Partner würde es Elbwild wohl nicht mehr geben“, sagt dessen Gründer. Er wünsche sich, dass der Betrieb weiter wächst. Auch, um ausschließlich von ihm leben zu können. „Dafür suchen wir eine Hofstelle oder ähnliches, auf der wir arbeiten und dort alles konzentrieren können.“ Möglichst in Nähe der Elbtalauen.