Hamburg. Die Hamburger Mordkommission hat eine hohe Erfolgsquote. Doch gerade aufsehenerregende Taten sind bis heute noch nicht gelöst.
Die Fahndungsfotos zu einem der spektakulärsten Tötungsdelikte der letzten Jahre in Hamburg waren enttäuschend. Nach der Ankündigung, gute Bilder von den beiden Tätern zu haben, die wie ein Killerkommando am 27. Juli in einer Shisha-Bar an der Lübecker Straße einen 27-Jährigen niedergeschossen hatten, wurden unscharfe, eigentlich auffallend schlechte Fotos von den beiden Tätern veröffentlicht. Das Ergebnis: Die Ermittlungen kamen bislang nicht weiter.
Die Veröffentlichung und die – vermutlich bewusst irreführende – Angabe zu der Bildqualität, die die Täter wohl dazu bringen sollte, sich zu stellen, passen zum Stand der Ermittlungen. Tatsächlich sind es in den vergangenen Jahren oft herausragende Tötungsdelikte, an denen sich die Ermittler der Dienststelle, die sonst regelmäßig Aufklärungsquoten von jenseits der 90 Prozent vorweisen kann, die Zähne ausbeißen.
Polizei Hamburg: Mordkommission hat eine hohe Erfolgsquote
93,5 Prozent betrug die durchschnittliche Aufklärungsquote bei den „Straftaten gegen das Leben“ im Schnitt in den vergangenen zehn Jahren. Darunter werden die klassischen Fälle wie Mord und Totschlag, aber auch fahrlässige Tötungen, oft im Zusammenhang mit ärztlichen Behandlungen oder wie der illegale Abbruch einer Schwangerschaft im vergangenen Jahr erfasst. Nur einmal, im Jahr 2014, lag die Aufklärungsquote mit 87,7 Prozent unter der 90-Prozent-Marke. Und ebenfalls einmal, im Jahr 2020, wurden statistisch alle in dem Jahr anfallenden Tötungsdelikte aufgeklärt
Tatsächlich sind Mord und Totschlag in Hamburg Taten, bei denen Täter und Opfer in der Regel aus einem gemeinsamen Umfeld stammen. Alkohol und Drogen spielen dabei oft eine Rolle. Der oder – was eher selten vorkommt – die Täterin sind dann relativ schnell zu ermitteln. Regelmäßig sind es auch Personen mit psychischen Störungen, die ein Elternteil oder andere Bezugspersonen attackieren. Fälle, wie sie einem sonntagabends im „Tatort“ präsentiert werden, hat die Hamburger Mordkommission dagegen so gut wie nie.
Brutale Ermordung in Harburger Fußgängerzone – Motiv unklar
Doch manchmal wird es kompliziert. Oft handelt es sich dann um die spektakulären Tötungsdelikte. So wie die brutale Ermordung des 48 Jahre alten Apothekers Mohamed J. mitten in der Harburger Fußgängerzone durch Schläge mit einer Axt. Die Tat selbst passierte in einem der Häuser, die dem Mann gehörten und das gerade saniert wurde. Sterbend hatte sich der Mann noch aus dem Haus geschleppt und war dann auf der Straße zusammengebrochen. Der Fall hat besondere Brisanz. Das Umfeld stilisierte den 48 Jahre alten Syrer, der sich als Regimekritiker engagierte, als Opfer des syrischen Geheimdienstes, der auf deutschem Boden ermordet wurde.
Das Motiv könnte aber auch banaler sein. Der Mann galt, wenn es um geschäftliche Belange ging, in seinem Umfeld als schwierig. Vielleicht war es auch nur ein aus dem Ruder gelaufener Streit mit Männern, die in seinem Haus arbeiteten. Der Fall ist bis heute ungeklärt, das Motiv unklar.
Ebenfalls ungeklärt: Zerstückelte Prostituierte „Rosa“
Ungeklärt ist auch der Fall der offensichtlich getöteten und zerstückelten Prostituierten „Rosa“. Tatsächlich handelte es sich um die 48 Jahre alte Maria A. aus Äquatorialguinea, die in Spanien als Mutter zweier Kinder lebte und regelmäßig nach Hamburg kam, um hier in St. Georg der Prostitution nachzugehen.
Der Fall schockierte die Öffentlichkeit auch, weil der Täter die Leiche der Frau fachgerecht, also mit den anatomischen Kenntnissen eines Arztes oder zumindest eines Schlachters zerlegte und die Leichenteile in ganz Hamburg verteilte. Bereits zwei Tage, nachdem die Frau zuletzt gesehen wurde, als sie händchenhaltend mit einem Mann über den Hansaplatz ging, fanden Spaziergänger am Rissener Elbufer teile des Unterleibs und einen Oberschenkel der Frau. Das war im Sommer 2017. In den Wochen danach tauchten weitere Teile der Frau auf, darunter der Kopf in der Bille, der Torso im Tiefstackkanal und weitere Leichenteile im Goldbekkanal in Winterhude.
2020 veröffentlichte die Polizei Bilder eines T-Shirts, das bereits 2017 in Rissen sichergestellt worden war, dem man aber offensichtlich erst nach jahrelanger Erfolglosigkeit bei den Ermittlungen eine zentrale Bedeutung zuordnete. Das T-Shirt in der Größe XXXL war 2015 von C&A hergestellt und bundesweit verkauft worden. 2021 ließen dann Ermittler Schweinefleisch in der Größe der gefundenen Leichenteile im Goldbekkanal treiben, um zu ermitteln, wo die Überreste der Toten ins Wasser geworfen wurden. Zwar gab es laut Polizei „überprüfungswerte“ Hinweise. Die heiße Spur war nicht dabei. Der Fall ist immer noch nicht aufgeklärt.
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Polizei Hamburg: Mordkommission bleibt an allen Fällen dran
Immerhin: Die Befürchtung, dass es sich um einen sadistischen Triebtäter handelt, der erneut zuschlagen würde, bestätigte sich nicht. Vielleicht hatte der Täter die Frau nach einem eskalierenden Streit getötet und im Zerstückeln, was vermutlich in einer Wohnung oder einem abgeschotteten Raum geschah, die einzige Möglichkeit gesehen, die Leiche zu „entsorgen“. Auch die Leiche von Inna Ch. wurde 1998 in Laken eingewickelt und in den Eilbekkanal geworfen. Auch dieser Fall ist bis heute ungeklärt.
„Auch wenn die Taten bislang unaufgeklärt sind, bedeutet das nicht, dass sie aus dem Fokus geraten. Das Gegenteil ist der Fall: Solche unaufgeklärten Tötungsdelikte sind uns ein Dorn im Auge“, sagt Polizeisprecher Florian Abbenseth. „Ermittler gehen die Akten daher in Abständen wieder und wieder durch und prüfen sie auf neue Ansätze. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich gerade durch Weiterentwicklungen im Bereich der Kriminaltechnik immer wieder neue Untersuchungsmöglichkeiten ergeben.“
Bei der Mordkommission bleibt man daher an den Fällen dran. Und manchmal kommt von unerwarteter Seite Aufklärungshilfe. „Selbst ,heiße‘ Spuren können sich auch Jahre nach solchen Taten noch plötzlich und unerwartet ergeben, beispielsweise weil Täter sich aufgrund der Last der Tat jemandem anvertrauen“, sagt Abbenseth. „Möglicherweise melden sich aber auch Zeugen, die bislang geschwiegen haben. Entweder, weil sie die Bedeutung ihrer Wahrnehmung bislang nicht erkannt haben oder sie noch nicht zu einer Aussage bereit gewesen sind. So vielleicht die Ehefrau eines Täters, die inzwischen die Ex-Ehefrau ist und nun keine Skrupel mehr hat, ihn zu belasten.“