Hamburg. Katja Wagner war lange für Unilevers Speiseeis-Sparte zuständig. Modell für ein Eis zu sitzen, das war trotzdem etwas Besonderes.

Man muss kein kleiner Satan sein, um beim Genuss eines Flutschfingers auf coole Gedanken zu kommen – vor allem nicht bei hochsommerlichen Temperaturen am Anleger in Teufelsbrück. Und erst recht nicht, wenn man mit einer Frau verabredet ist, deren linke Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger dem legendären Eis namens Flutschfinger einst Form verlieh.

Am besten schmeckt, dass Katja Wagner sich als herrlich unkomplizierte, lebensfrohe Persönlichkeit entpuppt. Als Managerin beim Unilever-Konzern, zu dessen Töchtern Langnese gehört, hat die studierte Betriebswirtin mit Schwerpunkt Markenkommunikation Ahnung vom Thema – und weit darüber hinaus. Die Mutter zweier Teenager teilt sich den Job als Head of Brand Communication für die Nahrungsmittel-Sparte, so die offizielle Bezeichnung bei Unilever, mit einer Kollegin. Gemeinsam sind sie stark. Intern heißt das Tandem der Abteilungsleitung „Kanja“. Katja Anja.

Flutschfinger: Unilever verkauft mehr als sechs Millionen – pro Jahr

Die Bezeichnung als „Eismädchen“ begreift sie mit Humor. Selbstbewusst steht sie über den Dingen. Nicht nur wegen der lustigen Beziehung zum Flutschfinger-Wassereis passt Frau Wagner prima zum gehaltvollen Ausklang unserer kleinen Ferienserie. Dabei blicken wir sechs Hamburgerinnen im Job über die Schulter. Mit sommerlichem Bezug.

Wer Fakten mag: Im vergangenen Jahr wurden hierzulande 66 Millionen Eis am Stiel mit dem Langnese-Herz auf der Verpackung verkauft. Mehr als 6,4 Millionen davon waren Flutschfinger. Übrigens: Weltweit setzt der Konzern mit britisch-niederländischen Wurzeln Jahr für Jahr gut 2 Milliarden Eis der Marke Magnum ab.

Erfunden wurde dieser Verkaufsrenner im Unilever-Hauptquartier in der Hansestadt. Neuerdings ist das Unternehmen an der Neuen Burg nahe der Nikolaikirche in der Hamburger Innenstadt zu Hause. Bis 2007 war Katja Wagner in der Firma für Eiscreme zuständig, danach für das Nachhaltigkeitsmanagement und seit 2014 für das Marketing namhafter Produkte wie Knorr, Pfanni oder neuer Marken wie Vegetarian Butcher.

Katja Wagner träumte schon als Jugendliche davon, Eis zu vermarkten

Derweil die Flutschfinger zerronnen sind und ihren Zielort fanden, setzen wir uns an einen Tisch vor der Dübelsbrücker Kajüt. Es ist ein Logenplatz mit göttlichem Blick auf Elbe, Hafen, Containerterminals. „Ein Glück, hier vor Anker gegangen zu sein“, sagt Katja Wagner. In Neuss aufgewachsen, studierte sie nach dem Abitur Betriebswirtschaft in Münster. Ein Praktikum 1994 bei der Otto Group begründete den Wunsch, eines Tages in Hamburg heimisch zu werden. Schon als Jugendliche träumte Katja davon, Eiscreme zu vermarkten. Hamburg und Unilever, beides passte für sie. Also erfolgte die erste Bewerbung nach dem Examen eben dort.

Bereits das Vorstellungsgespräch verlief nach ihrem Gusto. „Stimmt es, dass hier in der Firma überall Eistruhen zur freien Verwendung herumstehen?“, fragte die wissbegierige Bewerberin. „Korrekt“, entgegnete ihr Gegenüber: „Wollen Sie ein Magnum?“. Das Eis war gebrochen.

Katja Wagner brachte Ben & Jerry's nach Deutschland

Im Oktober 1997, vor 25 Jahren mithin, heuerte sie im Unternehmen an. Zwei Jahre Trainee-Ausbildung bescherten Basiserfahrung. Bestandteil des Jobs war es, in Mecklenburger Kiosken und Supermärkten Eissorten vorzustellen. Es folgten drei Jahre als Produktmanagerin bei Langnese. 2001 erhielt sie zusammen mit einem Kollegen einen aus ihrer Sicht himmlischen Spezialauftrag: Einführung einer neuen Eismarke in Deutschland. Fünf Jahre Zeit, eigenes Büro im Karolinen-viertel, Geistesblitze erwünscht, unkonventionelles Arbeiten ebenso, relativ freie Hand. Das Ergebnis hieß Ben & Jerry’s, ursprünglich made in USA. Läuft gut seitdem. So und so.

Jede Saison kommen etwa sechs Neukreationen auf den Markt. Mitarbeiter dürfen testen. Bitte unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Denn bis zur Fertigstellung vergehen in der Regel zwei Jahre. Vermarktungsstrategien müssen ausgetüftelt, Maschinen entwickelt werden. Vor ein paar Jahren war eine Solero-Sorte in vieler Munde, die aus winzigen Kügelchen bestand. Eine solche Herstellung erfordert Vorbereitung.

Wie der Flutschfinger entsteht

In diesem Zusammenhang erklärt Katja Wagner die eisige Geburt eines Flutschfingers. Die Zusammensetzung erfolgt in drei separat gefrorenen Schichten: unten Geschmacksrichtung Orange, in der Mitte Erdbeere, der ausgestreckte Zeigefinger Limette-Zitrone. Bei Einführung 1982 gab es eine einfache Variante. Nach zwölf Jahren war Schluss damit. 2001, im Rahmen einer Nostalgiewelle mit Rückblick auf die 1980er-Jahre, kam Flutschfinger zurück auf die bunten Eistafeln.

Tag für Tag verlassen 80 Lkws mit insgesamt 10,5 Millionen Einheiten diverser Sorten das Eiscremewerk in Heppenheim am Rande des Odenwaldes in Südhessen. Nach Magnum ist Flutschfinger derzeit am zweitmeisten verkaufte Langnese-Eis in Deutschland. Zur Fußball-WM 2006 wurde es zu „Flutschfinger Heimspiel“: in den Nationalfarben Schwarz-Rot-Gelb, in Kombination mit Cola. Es gab eine Sonderedition als „FlutschMeister“.

Warum Katja Wagner Handmodell für den Flutschfinger wurde

Bei diesen Geschichten muss Katja Wagner selber schmunzeln. Sie fragt den Kellner nach einem Eiskaffee. Und skizziert im Sauseschritt die private Entwicklung. Langnese gehört dazu. Ehemann Dirk, ebenfalls Betriebswirt und heute als Unternehmens- und Strategieberater selbstständig, lernte Katja im Betrieb als Trainee kennen. Für was so ein „Eisladen“ doch gut ist. Die Tochter ist jetzt 17 Jahre alt, der Sohn 15. Bei Nummer eins ließ die Mutter ihre Arbeit vier Monate ruhen, bei Nummer zwei vier Jahre. Drei davon verbrachte die Familie Wagner in Rom.

Und 2019 stimmte Arbeitgeber Unilever einem halben Jahr Home-Office in Kapstadt zu. Moderne Arbeitsweisen und Digitaltechnik machten’s möglich. Zudem ein Job-Sharing. Quasi im Paket mit Kollegin Anja Alpert, gleichfalls zweifache Mutter, hatte sich Katja Wagner für einen Job in der Marken-Kommunikation beworben. „Kanja“ alias Katja und Anja erhielten den Zuschlag. Auch das läuft. Motto des Tandems: „Eins plus eins ist drei.“ Im Schnitt arbeitet jede der beiden befreundeten Kolleginnen drei Tage pro Woche.

Neben der Frage nach ihrem Lieblings-eis (Ben & Jerry’s Peanut Butter) fehlt zum Finale noch die Aufklärung in Sachen persönlicher Hingabe für Flutschfinger. Vor der Wiedereinführung 2001 standen die Produktdesigner bei Langnese unter Zeitdruck. Für neue Flutschfinger-Förmchen brauchten sie eine linke Hand als Vorlage. Gut gewachsen sollte sie sein. Folglich hielt Frau Wagner ihre Linke hin. Spontan, so wie sie ist.