Rissen. Planung für Neugestaltung der abgesackten Wanderstrecke auf Eis gelegt. Rechtsstreit mit Rissener Anwohnern bremst Projekt aus.

Eigentlich schien sich in diesem Jahr alles zum Guten zu wenden. Der vor sechseinhalb Jahren abgesackte und seitdem gesperrte Otto-Schokoll-Höhenweg hoch über der Elbe bei Rissen sollte, so war es geplant, durch einen Steg ersetzt und damit wieder durchgängig begehbar werden. Doch jetzt zeigt sich: Damit wird es auch 2022 nichts. Es gibt zurzeit überhaupt keine Planungsperspektive mehr für diesen beliebten Wanderweg, und das Gerangel um seine Zukunft geht in die nächste Runde.

Die deprimierende Geschichte im Rückblick: Nachdem der Weg mehrmals abgesackt und immer nur vorübergehend repariert worden war, erschwerte eine Fülle von Problemen die dauerhafte Wiederherstellung. Unter anderem war bei Voruntersuchungen festgestellt worden, dass der Hang nur schwer zu sichern sein würde, weil eine große Abholzaktion vor Jahrzehnten eine massive Instabilität ausgelöst hatte.

Sperrung: Weg mit Wasser vollgesogen

Außerdem war er mit Wasser quasi vollgesogen. Hinzu kam, dass bei einer Bestandsaufnahme vor Ort zahlreiche seltene Tierarten entdeckt wurden, deren Vertreibung durch eine zu starke Stabilisierung gedroht hätte. Darunter waren zwölf Heuschrecken-, 52 Brutvogel- und fünf Fledermausarten.

Aus diesen Gründen erwies sich die anschließende Planung als äußerst schwierig – die Beratungen zwischen den beteiligten Behördenabteilungen zogen sich, wie ausführlich berichtet, über Jahre hin. Erst im September 2019 wurden im bezirklichen Grünausschuss dann zwei „Stegvarianten“ für die zukünftige Gestaltung vorgestellt, die umweltschonend, praktikabel und beständig sein sollten: eine aus Stahl, eine mit Holzunterkon­struktion.

Rund fünf Millionen Euro veranschlagt

Im November 2019 folgte eine Informationsveranstaltung, auf der die Alternativen mit Anwohnerinnen und Anwohnern diskutiert wurden. Im April 2021 wurde die (scheinbare) Lösung endlich auch öffentlich vorgestellt: ein rund 500 Meter langer Stahlsteg, der laut Planung auf Stelzen rund zwölf Meter oberhalb des Hangs verlaufen würde. Dazu sollten zehn Meter lange Stahlrohre im Abstand von rund 15 bis 20 Metern in den Hang getrieben und dann mit Stützen versehen werden.

Die Kosten waren mit rund fünf Millionen Euro veranschlagt, die Holzvariante hatte man wegen der Witterungsanfälligkeit des Materials verworfen. Die Umsetzung wurde als schwierig eingestuft, weil die Arbeiten wegen der Instabilität des Hangs nur von dessen Fuß aus ausgeführt werden könnten. Dabei sollte dann ein Teleskopkran zum Einsatz kommen.

Planungsvariante sollte 2021 erarbeitet werden

Halblaut angedacht war damals übrigens auch die sogenannte Null-Variante. Die sah eine „Unterbrechung“ und damit Aufhebung des Höhenweges auf 380 Metern Länge vor. Passanten würden dann von oben über Treppen nach unten auf den Elbuferwanderweg umgeleitet.

Im Januar 2021 teilte die Stadt dann mit, „die geologischen Voruntersuchungen, die Vermessungsarbeiten des Geländes, die Kampfmittelerkundung und die artenschutzfachlichen Untersuchungen“ seien abgeschlossen. Es werde eine Planungsvariante erarbeitet, „auf deren Grundlage das Einvernehmen mit den Anliegerinnen und Anliegern hergestellt werden soll“.

Höhenweg mit Büschen überwuchert

Diese sollte im März 2021 dem bezirklichen Grünausschuss vorgestellt werden. Im Anschluss daran sollten die Ausschreibungen von Entwurfs- und Ausführungsplanung erfolgen. Die Ausschreibung der Baumaßnahme sei dann für die zweite Jahreshälfte 2021 vorgesehen, die bauliche Umsetzung für 2022. Dazu wurde im vergangenen Dezember im Abendblatt eine aufwendige Visualisierung vor Ort angekündigt: An den Stellen, an denen später die Stelzen stehen würden, sollten Holzgerüste in T-Form zur Verdeutlichung der Dimensionen aufgebaut werden. Geschehen ist seitdem nichts mehr.

So sieht es jetzt vor Ort aus – der Wanderweg ist nicht zu erkennen.
So sieht es jetzt vor Ort aus – der Wanderweg ist nicht zu erkennen. © Privat

Wer sich heute bei den traurigen Resten des Höhenwegs umschaut, kann dessen ursprünglichen Verlauf kaum noch erkennen. Der Hang ist mit Büschen und Unkraut überwuchert, Heuschrecken und Fledermäuse dürften sich dort inzwischen pudelwohl fühlen.

Anwohner berufen sich auf Sonderverträge mit der Stadt

Was das Projekt mittlerweile ausbremst, ist ein Rechtsstreit mit Anwohnern, die oberhalb des geplanten Wegs leben. Sie haben vor Jahrzehnten Sonderverträge mit der Stadt geschlossen, in denen es – vereinfacht beschrieben – darum geht, wie dicht ein öffentlicher Weg an ihren Grundstücken vorbeigeführt werden darf.

Ausgelegt waren die Verträge damals auf einen einfachen Wanderweg, aber eben nicht auf einen hohen Steg. „Die Planungen zur Wiederherstellung des Otto-Schokoll-Höhenwegs sind vor dem Hintergrund des laufenden Rechtsstreits von Anwohnenden gegen das Projekt derzeit ausgesetzt“, teilte der Senat nun auf Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Anke Frieling mit.

Sperrung: Stegplan könnte beerdigt werden

Und offenbar geht die Stadt auch keineswegs von einer schnellen Klärung des Problems aus. Denn in der Antwort heißt es weiter: „Im Einklang mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Nachhaltigkeit des Verwaltungshandelns können angesichts eines unklaren Prozessausgangs keine weiteren planerischen und baulichen Festlegungen (…) erfolgen.“

Insider fürchten jetzt, dass der Stegplan langfristig sang- und klanglos beerdigt und die schon einmal angedachte „Null-Variante“ wieder aktuell werden könnte. „Ich frage mich, ob das Bezirksamt aktuell auf Zeit spielt, sprichwörtlich einfach Gras über die den Weg wachsen lässt und der Steg am Ende ersatzlos entfällt“, sagt auch Anke Frieling dazu.Das Bezirksamt Altona wollte sich angesichts des laufenden Verfahrens nicht zu dem Thema äußern.