Hamburg. Am Dienstag tagte der Untersuchungsausschuss erneut. Warum Kahrs' Schließfach-Geld und Scholz' E-Mails kein Thema waren.
Hohe Bargeldfunde in Bankschließfächern, Chatverläufe über einen „teuflischen Plan“, Vorwürfe gezielter Löschung von Mails in der Finanzbehörde – und eine Durchsuchung alter E-Mail-Fächer des heutigen SPD-Bundeskanzlers Olaf Scholz: Bei der Fülle überraschender Nachrichten der vergangenen Tage rund um die Cum-Ex-Ermittlungen waren die Erwartungen an die Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) am Dienstag hoch.
Als die Abgeordneten um 13.30 Uhr im Plenarsaal des Rathauses zusammenkamen, zeigte sich allerdings schnell: Die Wahrheitsfindung ist ein mühsames Geschäft. Statt um die großen Überschriften der vergangenen Tage ging es nun wieder um die kleinteiligen Mühen der Ebene, um Detailfragen zu Treffen, Vermerken oder Aktenführung.
Cum-Ex-Affäre: Tagesordnung stand schon fest
Das hatte vor allem damit zu tun, dass die Tagesordnung lange vor den jüngsten Erkenntnissen feststand – und die vier geladenen Zeugen, alle aktuelle oder frühere Mitarbeiter der Finanzbehörde, zu den jüngsten Enthüllungen über Bargeldfunde oder Kanzlermails nicht viel Erhellendes beitragen konnten. Die Forderungen der Opposition, die Befragung zu verlegen, um zuvor neue Erkenntnisse und Akten auswerten zu können, hatte die rot-grüne Mehrheit abgelehnt.
Auch am Dienstag ging es um den Kern des Untersuchungsausschusses und der laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, nämlich um die Frage, warum die Hamburger Steuerverwaltung im November 2016 entschied, auf eine Steuerrückforderung über 47 Millionen Euro an die Warburg-Bank zu verzichten – und ob führende Politiker auf diese für die Bank günstige Entscheidung Einfluss genommen hatten.
Auf Rückforderung wurde verzichtet
Die Summe hätte aus heutiger Sicht zurückgefordert werden müssen, weil die Bank sich an Cum-Ex-Geschäften beteiligt hatte. Denn im Zuge dieser illegalen Geschäfte hatten sich Banken hohe Steuerbeträge erstatten lassen, die niemals gezahlt worden waren.
Interessant ist im Fall Warburg, dass die zuständige Finanzbeamtin P. sich zunächst in einem Vermerk noch eher für eine Rückforderung ausgesprochen hatte. Bei einer Sitzung des Finanzamtes für Großunternehmen mit Vertretern der Finanzbehörde am 17. November 2016 allerdings wurde schließlich entschieden, doch auf die Rückforderung des hohen Millionenbetrags zu verzichten. Erst später wurde auf Weisung des Bundes das Geld dann doch eingefordert. Argumentiert wurde bei dem Treffen im November 2016 mit einem hohen Prozessrisiko.
Scholz traf sich mit Christian Olearius
Kurz zuvor hatte sich der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit Warburg-Chef Christian Olearius getroffen und später auch mit ihm telefoniert. Ein Schreiben, in dem Olearius gegen die Rückforderung argumentierte, schickte dieser auf Bitten von Scholz an Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD).
Angesichts dieses zeitlichen Ablaufs liegt aus Sicht der Opposition die Vermutung nahe, dass Scholz oder Tschentscher Einfluss auf die Entscheidung der Finanzverwaltung genommen haben könnten, Warburg zu verschonen – womöglich auch, um die für Hamburg wichtige Bank nicht in ihrer Existenz zu gefährden. Beide bestreiten dies. Für die Vermutungen gibt es bisher auch keine Belege – und auch die PUA-Sitzung vom Dienstag lieferte keine.
Tschentscher wurde über schwierige Lage informiert
Die frühere Leiterin der Steuerverwaltung, N., betonte dabei, dass sie angesichts der Ausgangslage schon früh mit einem Untersuchungsausschuss gerechnet habe. Sie habe ihre Mitarbeiter darauf hingewiesen, wie wichtig eine „saubere Dokumentation“ sei, und sie auch aufgefordert, Telefonvermerke zu fertigen. Auf die Frage des Linken-Abgeordneten David Stoop aber, warum von den Vertretern des Finanzamts bei dem entscheidenden Treffen am 17. November 2016 neue Erkenntnisse nicht erwähnt wurden, die eher für eine Rückforderung gesprochen hätten, sagte N., dies sei „ein Punkt, über den ich auch nachdenke“.
N. erwähnte, dass sie den damaligen Finanzsenator und heutigen Bürgermeister Peter Tschentscher im Oktober 2016 informiert habe, dass es um einen „schwierigen Fall“ gehe, „bei dem wir uns in jedem Fall angreifbar machen“. Eine Aufforderung zum Löschen von Mails habe es ihres Wissens nicht gegeben. Sie habe kaum mit Mails gearbeitet, sondern lieber „in Papier“.
Keine neuen Erkenntnisse zu Löschungen von E-Mails
Auf die Chat-Äußerung der entscheidenden Finanzbeamtin P., ihr „teuflischer Plan“ für den Verzicht auf die Rückforderung sei zur Freude führender Kollegen aufgegangen, konnte sich N. nach eigener Aussage keinen Reim machen: „Dass irgendjemand im Zusammenhang mit diesem Fall große Freude empfunden hat, konnte ich nicht wahrnehmen.“
Auch zwei weitere Vertreter der Finanzbehörde lieferten bei ihrer Befragung keine neuen Erkenntnisse zu möglichen Löschungen von E-Mails. Hintergrund der Fragen zu diesem Thema sind Vermutungen der Staatsanwaltschaft, in der Finanzbehörde könnten gezielt Mails gelöscht worden sein – auch weil es rund um wichtige Termine kaum Mailverkehr gebe.
Für Rückforderung lag 50-50-Argumentation vor
Das sei „nicht ungewöhnlich“, sagte einer der befragten Beamten, da Wesentliches meist mündlich besprochen werde. Es habe auch keine Vorgabe gegeben, wenig schriftlich zu kommunizieren.
Der als letzter Zeuge befragte frühere Abteilungsleiter und Cum-Ex-Experte der Finanzbehörde, W., betonte, dass es aus seiner Sicht kein großes Umschwenken der Finanzverwaltung im Fall Warburg gegeben habe. Schon im ersten Vermerk habe es eine 50-50-Argumentation für und gegen die Rückforderung gegeben. Auch wies W. den Verdacht zurück, es könnte politischen Einfluss auf die Entscheidung gegeben haben.
Cum-Ex-Affäre: Scholz muss erneut aussagen
„An uns ist niemand herangetreten“, sagte W. Es sei allein aufgrund rechtlicher Einschätzungen entschieden worden. Er verstehe nicht, wo politischer Einfluss genommen worden sein solle. Er habe nie in seiner Dienstzeit eine Weisung der Behördenleitung gegen eine fachliche Entscheidung erlebt.
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Am Donnerstag werden weitere Zeugen befragt, unter anderen der frühere CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner. Am Freitag nächster Woche sagt erneut Bundeskanzler Scholz aus.