Hamburg. Energieberater Johannes Zink spricht über die Wirkung von Appellen, die besten Maßnahmen und die wahre Ursache von Schimmel.

Der Bauphysiker, Energieberater und Schimmel-Experte Johannes Zink spricht im Abendblatt-Interview über die Herausforderungen der Energiekrise, die richtige Herangehensweise beim Sparen und die Macht der Gewohnheiten.

Herr Zink, die Politik spricht von Gas-Rationierungen, die Menschen kaufen wie verrückt Briketts, Holz und elektrische Heizlüfter, weil sie Angst haben, im Winter zu frieren – was kommt da auf uns zu?

Johannes Zink: Wie viel oder wenig Energie zur Verfügung stehen wird, kann ich natürlich nicht vorhersagen, das liegt ja unter anderem an Herrn Putin. Die Krise, die sich da anbahnt, ist jedenfalls auch ein Ergebnis früherer Versäumnisse. Natürlich politisch, aber auch, weil Energie lange so billig war, dass die eigentlich notwendigen Schritte versäumt wurden.

Welche?

Zink: Die Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebestand ist nicht mit der Priorität angegangen worden, die nötig gewesen wäre. Das lässt sich auch nicht mehr kurzfristig beheben. Aber auch das Verhalten der meisten Menschen hat sich nicht geändert, weil eben der Kostendruck nicht so vorhanden war. Vor 30 Jahren redeten wir über das Drei-Liter-Auto, doch dann wurden SUVs zum Verkaufsschlager, um nur ein Beispiel zu nennen. Das ist absurd, um nicht angesichts der Klimaproblematik zu sagen: obszön. Was den kommenden Winter betrifft, müssen wir uns dennoch vorerst keine Sorgen machen – falls wir als Gesellschaft solidarisch handeln und unser Verhalten anpassen. Die privaten Haushalte verbrauchen etwa ein Drittel der Energie in Deutschland, davon werden etwa 70 Prozent zum Heizen verwendet. Das Potenzial ist also gewaltig.

Was müssten wir denn ändern?

Zink: Ich tu mich schwer damit, zu sagen: sparen. Auch wenn es darauf hinausläuft. All die Spar-Appelle, die wir jetzt hören, klingen nach Verzicht und Verbot – das ist nicht nur unsexy, das provoziert auch Widerstände nach dem Motto: Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, wie lange ich duschen darf. Es kommt ja auf die Motivation jedes Einzelnen an. Manche verändern ihr Handeln, weil ihnen der Klimawandel Angst macht, andere wollen solidarisch sein und dazu beitragen, dass genug Energie für alle da ist. Für alle übrigen kommt jetzt ein anderer Faktor hinzu: Geld. Die Energiepreise steigen so stark, dass man da schnell vierstellige Beträge pro Jahr einsparen kann – nur durch Verhaltensänderungen.

Also nicht so oft duschen ...

Zink: Beim Duschen lässt sich in der Tat extrem viel sparen, auch ohne große Komfortverluste. Schon das Austauschen des Duschkopfs kann knapp 50 Prozent Energie sparen, weil nur halb so viel Wasser durchläuft. Das merkt man aber kaum, wenn man drunter steht. Halb so oft oder halb so lang duschen bringt jeweils nochmals 50 Prozent. Zwei, drei Grad weniger Temperatur, und es wird noch günstiger.

Okay, das bringt dann ein paar Euro.

Zink: Nicht nur ein paar. Ich hab das durchgerechnet: Im Bundesschnitt wird zehn Minuten geduscht. Wer seinen alten Duschkopf austauscht und halb so lange braucht, dabei nur noch jeden zweiten Tag duscht und zudem mit 36 statt 39 Grad zufrieden ist, spart zum Beispiel bei einem elektronischen Durchlauferhitzer – die übrigens sehr effizient sind – rund 400 Euro pro Jahr. Pro Person! Und das ist mit einem Strompreis von rund 30 Cent pro Kilowattstunde gerechnet, viele zahlen ja schon mehr. Bei vielen anderen Dingen sind es deutlich kleinere Beträge, aber zusammengerechnet kommen eben große Summen zusammen.

Also gut: Es lässt sich viel Geld sparen. Aber wie bekommt man es hin, die vielen kleinen Dinge zu ändern, ohne zum geizigen Pedanten zu mutieren und den Mitmenschen gehörig auf die Nerven zu gehen?

Zink: Geiz ist ja nicht der Antrieb – im Übrigen haben geizige Menschen schon immer Energie gespart ... Niemand, der sich vorgenommen hat, regelmäßig joggen zu gehen, rennt beim ersten Mal lächelnd durch den Park. Aber nach zwei, drei Wochen ist es schon zur Gewohnheit geworden und fällt überhaupt nicht mehr auf. schwer. Dann denkt man eben auch gar nicht mehr groß darüber nach, das Teewasser erst in die Kanne zu gießen und erst dann in den Wasserkocher, um genau die richtige Menge zu erhitzen, wenn man es dann ein paar Mal gemacht hat. Oder Kartoffeln und Eier mit viel weniger Wasser zu kochen – das Ergebnis ist ja das gleiche.

Aber man braucht erst einmal die Motivation, etwas ändern zu wollen. Das ist nicht immer leicht.

Zink: Die gewaltigen Kostensteigerungen sind ja noch theoretisch, sie tauchen noch nicht auf den Rechnungen auf. Deshalb wünsche ich mir, dass die Energieversorger als Kundenservice Briefe mit Hochrechnungen verschicken müssen. Die Rentenversicherung macht das jedes Jahr – da steht drin, welche Rente man einmal bekommen wird, mit Varianten je nach Rentensteigerungen. Die Versorger müssten mitteilen, wie hoch die Rechnung sein würde – kalkuliert mit zwei oder drei Preisvarianten – und deutlich erkennbar, was die Einsparung bei sparsamem Verbrauch dann wäre. Für die EDV eine leichte Rechenübung.

Und wenn das einen Gas-Notstand nicht abwenden kann – oder umgekehrt überhaupt keine Knappheit eintritt?

Zink: Aktuell führt kein Weg daran vorbei, neben den anderen Maßnahmen der Energiewirtschaft bei Beschaffung der Energieträger, im Kraftwerksmix und bei erneuerbaren Energien durch Einsparung ganz massiv die Nachfrage zu reduzieren – in allen Sektoren, auch im Verkehr und gerade bei den privaten Haushalten. Eines bewirkt das alles auf jeden Fall: Es beschleunigt den Weg aus der unheilvollen Abhängigkeit, und die Ziele im Klimaschutz werden endlich in den gesetzten Fristen erreichbar – was bisher nach vielen Jahren des Zögerns sehr fraglich erschien.

In manchen Bereichen lässt sich ohne Komfortverlust sparen. Beim Heizen ist das aber anders. Weniger heizen = kälter.

Zink: Das stimmt. Wer auch im Januar unbedingt in T-Shirt und Shorts durch die Wohnung laufen will, kann das natürlich tun. Das hat eben seinen Preis, und in diesen Zeiten einen extrem hohen. Letztlich muss jeder für sich entscheiden, ob er es schlimm findet, im Winter zu Hause einen Pullover anzuziehen. Viel lässt sich aber auch schon sparen, wenn die Regelung der Heizung vernünftig eingestellt ist, also nach Effizienz und nicht nach maximalem Komfort. Manche machen auch immer noch den Fehler, die Heizung ganz abzudrehen, wenn sie morgens die Wohnung verlassen. Abends muss dann ein ausgekühlter Raum hochgeheizt werden. Runter- statt Ausstellen ist da viel effizienter.

Mit weniger Wärme steigt aber auch das Schimmelrisiko.

Zink: Mit Schimmel befasse ich mich ja seit Jahrzehnten. Entscheidend ist neben der Temperatur die Luftfeuchtigkeit. In einem kalten Raum mit hoher Luftfeuchtigkeit ist Schimmel an Außenwänden gerade bei Altbauten die zwangsläufige Folge. Der Feuchtegehalt in einer Wohnung wird im Winter allein durch den Luftaustausch geregelt. Deshalb ist neben der Temperatur das Lüften so wichtig. In den allermeisten Fällen reicht es, dreimal täglich fünf Minuten zu lüften – mit weit geöffneten Fenstern. Kipplüftung im Winter ist unzureichend und treibt nur die Heizkosten hoch. Wenn in dem Raum regelmäßig gekocht oder Wäsche getrocknet wird, dann sollte mehr gelüftet werden. Nach Kochen und Duschen ist zusätzlich gründlich zu lüften. Wäschetrocknung sollte möglichst nicht in der Wohnung stattfinden, sondern draußen, im Keller oder auf dem Dachboden – das würde sonst an Waschtagen die Lüftungsanforderungen deutlich erhöhen.

Was ist denn die Mindesttemperatur in Räumen, damit Schimmel vermieden werden kann?

Zink: Da gibt es eine juristische und eine wissenschaftliche Antwort. Das Recht schreibt 20 Grad vor, die nicht unterschritten werden sollen. Da Schimmelpilze jedoch noch keine Gerichtsbeschlüsse lesen, treten die meisten Schadenfälle bei 20-22 Grad auf. Richtig ist, dass bei sinkender Temperatur das Risiko steigt. Schlafräume werden schon bisher oft nur auf 16-18 Grad temperiert, deshalb sind dort die Schäden am schlimmsten. In der Praxis passiert es aber häufig in Schlafzimmern, weil viele das bevorzugen. Bauphysikalisch sind aber auch 16 bis 18 Grad unbedenklich, sofern ausreichend gelüftet wird.

Fürchten Sie, dass es im kommenden Winter vermehrt zu Schimmelbildungen kommt, weil viele geschockt von der Gasrechnung nicht mehr genug heizen?

Zink: Das ist in der Tat zu befürchten, denn die Temperaturen werden häufiger als bisher unter 20 Grad abgesenkt sein. Deshalb ist es extrem wichtig, dass die Menschen aufgeklärt werden, wie sie das relativ leicht verhindern können. Anbieten würden sich dafür Aktionen mit Vorträgen oder Online-Meetings von Wohnungsunternehmen und Energieversorgern.