Hamburg. Sie haben ältere Menschen um ihr Geld und auch um ihren Seelenfrieden gebracht. Vor Gericht bedauerten die Angeklagten ihre Taten.

Mit dem Anruf kam der Schock. Die Angst und die Sorge. Karl M. (Name geändert) hat gerade erfahren, dass seine Tochter einen schweren Verkehrsunfall verursacht hat. Das Opfer liegt im Koma. Der Mann, der diese schlimme Botschaft überbringt, ist Staatsanwalt Peter Schuster. Aber der Staatsanwalt weiß auch Rat: Wenn Karl M. 80.000 Euro zahlt, muss seine Tochter trotz ihrer schweren Straftat nicht in Untersuchungshaft. Und im Hintergrund hört der Rentner eine Frau weinen. Er glaubt, es ist seine aufgelöste Tochter.

Tatsächlich stimmt überhaupt nichts an dieser Geschichte. Alles ist Lug und Trug. Aber die abgefeimte Masche wird von einer Bande von Betrügern so überzeugend rübergebracht, dass Karl M. sie für wahr hält und zahlt. Unterwegs, auf dem Weg zum Übergabeort für die 80.000 Euro, ist der Druck auf den Hamburger noch einmal erhöht worden: Nun sei das Opfer nicht mehr im Koma, sondern verstorben.

Schockanrufe: Betrügerbande setzte Senioren unter Druck

Edyta W. und Agnieszka D. haben dazu beigetragen, dass Senioren wie Karl M. mit der Betrugsmasche der „Schockanrufe“ erheblicher finanzieller Schaden zugefügt wurde. Die beiden 33 und 35 Jahre alten Frauen haben, nachdem andere Mitglieder einer Bande die Opfer immer stärker unter Druck gesetzt und zum Zahlen hoher Beträge gedrängt haben, das Geld von den Senioren im Empfang genommen. Es ging den Opfern bei diesen Taten nicht nur ans Portemonnaie, sondern der Betrug schädigte auch die Seele der betagten Menschen, ihr Vertrauen, ihr Sicherheitsgefühl.

Jetzt wurden die beiden Täterinnen wegen ihres Beitrages zum Betrug vom Landgericht zu Freiheitsstrafen verurteilt. Agnieszka D. muss für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis, die Mitangeklagte Edyta W. für drei Jahre und drei Monate. Beide Frauen hatten die Taten in der Schlussphase des Prozesses gestanden und im letzten Wort beteuert, es tue ihnen „sehr, sehr, sehr leid“.

Schockanrufe bei Senioren – Haftstrafen für zwei Frauen

Die Opfer seien „im Innersten getroffen“ worden, sagte der Vorsitzende Richter an die Adresse der Angeklagten. „Viele Menschen empfinden diese Taten als unfassbar niederträchtig“, weil sie sich auf der emotional tiefsten Stufe bewegten. Jedenfalls hätten die beiden Frauen als Mitglieder einer Bande „die große Sorge der Opfer um ihr Kind schamlos ausgenutzt“, so der Richter. Agnieszka D. und Edyta W. seien nicht diejenigen, die das Geld behalten haben, „aber Sie haben einen essentiellen Beitrag geleistet. Ohne Sie wären die Taten nicht möglich.“ Die Opfer hätten teilweise Scham empfunden und sinngemäß gesagt: „Wie dumm kann man sein.“ Aber, betont der Richter: „Dumm waren sie nicht, sondern sie sind ganz mies in die Irre geführt worden.“

Außer bei Karl M. mit 80.000 Euro halfen die Abholerinnen, eine Frau um 17.000 und eine andere um 8000 Euro zu betrügen. Bei einem 80-Jährigen, der nach einem Schockanruf Bargeld, Schmuck und Goldbarren im Wert von deutlich über 100.000 Euro in einem Jutebeutel an die Täter überreichen wollte, konnte die Übergabe verhindert werden. Bei zwei der Opfer war das Geld, was sie an die Bande gaben, fast alles, was sie noch besaßen. Eine hatte es für Hausreparaturen zurückgelegt, eine andere hatte zum Lebensabend noch eine Kreuzfahrt mit einer Freundin unternehmen wollen. Jetzt geht gar nichts mehr.