Hamburg. Daniela Wolff lehrt Pflanzenheilkunde. Auf Wanderungen vermittelt sie uraltes Wissen über die Natur und welche Kräfte sie besitzt.

Der Tisch ist reichhaltig gedeckt. Man muss nur die Augen öffnen und den Ballast möglicher Vorurteile über Bord werfen. „Ran ans Büfett“, rät Daniela Wolff mit einladender Geste. Denn aktuell, im Hochsommer, offeriert die Natur eine grüne, blühende Vielfalt, von der wir in anderen Jahreszeiten nur träumen können. Unter dem Arbeitsnamen „Beifußfrau“ bietet die Heilpraktikerin stundenweise Kräuterwanderungen sowie einjährige Ausbildungen zu Kräuterkundigen. Vermittelt werden Einsichten in das Wesen der Pflanze und jahrhundertealtes Wissen darüber.

Jetzt ist Hochzeit. Im wahrsten Sinn des Wortes. Wer sich auskennt, entdeckt auf Wiesen, Feldern und in Parks üppige Schätze der Natur – praktisch am Wegesrand, im Vorübergehen. In Windeseile hat die gebürtige Friesin, die seit fast zwei Jahrzehnten in Hamburg verankert ist, einen Strauß zusammengepflückt.

Heilpraktikerin: Kräuterwanderungen im Jenischpark

Er sieht wunderbar aus. Himmlisch duftend. Schafgarbe, ob der filigran gefiederten Blätter auch „Augenbraue der Venus“ genannt, gehört ebenso dazu wie das leuchtend gelbe Johanniskraut. Letzteres vermittelt Sonnenlicht und entspannt die Nerven. Unsere Urahnen schätzten es als angeblichen Schutzschild gegen die Mächte der Finsternis.

Man muss keinesfalls an Spuk und böse Geister der Vergangenheit glauben, um heilsamen Gewächsen am Wegesrand Augenmerk zu schenken. Wer will, macht einen Spaziergang oder eine fachkundige Führung zu einem lehrreichen Erlebnis. Bis auf drei Monate Winterpause lädt Daniela Wolff in jeder Jahreszeit zu Kräuterwanderungen in kleinen Gruppen (www.beifussfrau.de). Teilnehmerbeitrag: 20 Euro.

Exkursionen in den Botanischen Garten

Frauenquote: gefühlt 70 Prozent. Rund 50 Exkursionen zwischen März und Ende November im Jenischpark, auf dem Gut Haidehof in Wedel oder im Botanischen Garten haben unterschiedliche Schwerpunkte. „All you can eat – Essen von der Wiese“, „Zurück zu den Wurzeln“ oder „Lebenskraft wächst vor der Haustür“ zum Beispiel. Die 47-jährige Norddeutsche verfügt über das Talent, Fachwissen unterhaltsam zu präsentieren und Lebensfreude zu vermitteln.

Danielas Liebe zu Pflanzen ist natürlich gewachsen. Ihre Geschichte passt erlesen in unsere kleine Ferienserie. Dabei blicken wir sechs Hamburgerinnen im Job über die Schulter. Mit sommerlichem Bezug. „Durch Corona wurde uns noch bewusster, wie wertvoll all das ist, was uns umgibt“, sagt Daniela Wolff beim Gang durch den nordwestlichen Teil des Jenischparks.

Achtsamkeit bei Kräuterwanderungen

Sie preist die Vorzüge einer wertvollen Ernährung aus der Natur. Meist könne man am Wohnort, manchmal vor der Haustür, fündig werden. Brachflächen, Hinterhöfe, Baustellen gar können als Ernte-Ecken dienen. Sie selbst sei fast jeden Tag irgendwo im Freien unterwegs: in Parks, am Elbufer außerhalb der Stadt, im Wald. Zu den Lieblingsgebieten zur Entspannung, innerer Einkehr, Durchatmen und Sortieren gehören die Fischbeker Heide, der Klövensteen, die Lüneburger Heide.

„Sommer ist die Zeit der Fülle“, sinniert die leidenschaftliche Kräuterfrau. „Diese Wochen genießen wir in seiner farbenfrohen Fülle, mit der in den Blüten und Blättern gespeicherten Sonne.“ Es sei eine Lust, Pflanzen zu erkunden, zu betrachten, zu riechen, zu schmecken und zu fühlen. Klar, dass Naturschutzgebiete tabu sind. Und dass in Parks Regeln zu beachten sind. Hin und wieder mal ein Blättchen zupfen oder eine Handvoll wild wuchernder Kräuter zu ernten, sei in Ordnung. Achtsamkeit ist Ehrensache.

Heilpraktikerin aus dem Norden

Gucken kann Vergnügen sein. En passant zeigt sie Details des just gepflückten Sommerstraußes: Neben Schafgarbe und Johanniskraut hat sie Beifuß, Mädesüß und Steinklee gebündelt. Sodann hält sie ein Frauenmantelblatt in die Höhe. Im Zentrum ruht ein Wassertropfen. Im Sonnenlicht glänzt er wie ein Juwel. Ein kleines Geschenk. Nach wenigen Fußminuten steht Frau Wolff in einem Feld aus wunderbar satt gedeihendem Mädesüß.

Auf dem Weg dahin skizzierte sie im Sauseschritt ihren Werdegang von der Gärtnerstochter aus Schortens bei Jever zur passionierten Kräuterfrau. Als Teenager litt Daniela chronisch an Blasen- und Nierenentzündungen. Nach sieben Jahren Odyssee von einem Antibiotikum zum nächsten sorgten Heilpflanzen wie Brennnessel, Goldrute, Schafgarbe und Frauenmantel für Abhilfe. Sie wuchsen im Garten der Familie. Das Interesse an den Gaben der Natur war geweckt.

Ausbildung bei der Kräuterfrau

„Nach dieser Erfahrung besuchte ich alle möglichen Heilpflanzenseminare“, berichtet sie. Zumeist in Bayern, weil sich der Norden auch auf diesem Gebiet zurückhielt. Das hat sich längst geändert. „Seit 1998 bin ich mit Leib und Seele Kräuterfrau“, fährt Daniela Wolff fort. Die ausgebildete Heilpraktikerin unterrichtet „mit größter Freude und Hingabe“ Pflanzenheilkunde. Neben ihren öffentlichen Kräuterwanderungen bietet sie geschlossene Spaziergänge und Betriebsausflüge an. Der Teilnehmerkreis ist vielfältig.

Sie organisiert Fortbildungen, hält Vorträge und leitet in 120 Stunden, über ein Jahr verteilt, Ausbildungen. Wissbegierige Laien, Medizinerinnen, Hebammen oder Therapeuten entwickeln sich so zu Kräuterkundigen mit Zertifikat. In der Natur ist dermaßen reich gesät, dass allerorten Wundersames zu entdecken ist.

Im Sommer mehr denn je. „Alles auf Feld und Wiese hat einen Sinn“, weiß Frau Wolff. Von jeher existieren regional verschiedene Bräuche, um natürliche Schätze vom Sommer in den Winter zu transportieren. Ende Juni, in der Johanni-Zeit, waren es Sträuße aus kräftigen Sommerpflanzen – zum Trocknen, so etwas wie Energieträger für unwirtlichere, dunklere Monate. Mitte August, zu Mariä Himmelfahrt, wird in katholischen Gegenden die Tradition einer Kräuterweihe gepflegt. Auch in Hamburgs Grünoasen blüht und wuchert es dann besonders üppig.

Doch hat Daniela Wolff erheblich mehr Fakten auf Lager. Faszinierend beschreibt sie die sieben Zutaten eines „Seelenbalsam-Tees“, einer Wohlfühlmischung aus Holunder-, Linden- und Rosenblüten plus Johanniskraut, Weißdorn, Melisse und Kamille oder verrät das Rezept gebratener Brennnesseln: „Unglaublich lecker, ein erstaunliches Kraftfutter.“ Sie lehrt die Herstellung von Kräuterölen, Salzen, Tinkturen, kalter oder heißer Tees und mit Sommerpflanzen bestückter Eiswürfel.

Wer suchet, der findet. Und kommt vielleicht auf den Geschmack. Auch wenn das Kraut vielleicht so ungewöhnliche Namen trägt wie Engelwurz, Stinkender Storchenschnabel oder Gundermann.