Kreis Segeberg. Kirsten Mandler ist Kräuterexpertin und Heilpraktikerin. Ein Gespräch über heilsame Pflanzen und ihre Wirkung.
Während die einen Löwenzahn, Brennnessel, Giersch und Co. als lästiges Unkraut sehen, setzen andere auf die Heilkraft ihrer Wurzeln, Blätter oder Blüten. Über das Thema Pflanzenheilkunde sprachen wir mit Heilpraktikerin und Kräuterspezialistin Kirsten Mandler (52) aus Hasloh.
„Hätte die Brennnessel keine Stacheln, wäre sie schon längst ausgerottet worden, so vielseitig sind ihre Tugenden“, sagte einst der legendäre Kräuterpfarrer Johann Künzle. Hat sie mich persönlich in der Kindheit als piekendes Unkraut geärgert, schätze ich sie heute als Hausmittel. Die Brennnessel kann was, oder?
Kirsten Mandler: In der Tat. Sie tut aber nicht jedem in jeder Lebensphase gut. Deswegen haben Sie sie als Kind gemieden. Weil sie Ihnen damals klar und deutlich gezeigt hat: ‚Hier ist mein Platz. Das nächste Mal machst du bitte einen größeren Bogen um mich, bis du später einmal erkennst, wer ich bin...’ Schaut man sich die Brennnessel im Frühling an, ist zu sehen, dass ihre Blätter rot überlaufen sind – ein Zeichen für den hohen Eisengehalt. Wer die frischen, geputzten (!) Blätter isst – im Salat verarbeitet oder im Brot gebacken – nimmt so auch ein wenig Eisen zu sich. Und natürlich ist die Brennnessel gut als Tee - zum Entwässern und Entlasten des Körpers.
Wo wachsen Wildkräuter?
Überall, wo es grün ist. Man findet sie selbst in Wohngebieten. Das Grün sucht sich jede Ritze, um seinen Platz einzunehmen. Einfach mit offenen Augen durch die Gegend gehen. Nur beim Sammeln bitte darauf achten, dass an einem geeigneten Standort gepflückt und immer nur wenig entnommen wird. Gerade im Frühjahr kann man viele Kräuter für sich nutzen. Wie aktuell das Scharbockskraut. Nach dem Winter ist es das erste frische Grün, das es gibt. Es hat viel Vitamin C und schmeckt gut im Salat. Aber nur solange, bis die ersten Knospen kommen, weil sich dann giftige Stoffe bilden. Und die können die Niere schädigen.
Auf welches Kraut setzen Sie so?
Ich kann mich für jede Pflanze begeistern, orientiere mich dabei jedoch stets an den Jahreszeiten. Giersch beispielsweise finde ich ganz toll. Der hat eine ungeheure Lebenskraft. Auch er enthält viel Eisen, ergänzt um Vitamin C. Er kann neue Energie schenken und gegen Frühjahrsmüdigkeit wirken. Die ersten jungen Blätter schmecken ganz mild, ein wenig nach Sellerie. Giersch eignet sich gut im Salat oder auch in Eintöpfen.
Beliebt ist auch der Löwenzahn.
Der ist jetzt auch schon da, ganz klein, ganz niedlich und ganz wunderbar. Von der Wurzel bis zur Blüte lässt sich alles einfach so essen. Der an Bitterstoffen reiche Löwenzahn kann helfen, die Leber zu reinigen. Alles, was gelb ist, ist häufig von der Signatur her gut für die Leber.
Dass gegen jedes Leiden ein Kraut gewachsen ist, glauben 72 Prozent der Deutschen. Und vertrauen auf die Heilkräfte von Pflanzen und Kräutern. Inwiefern ist die Wirkung medizinisch belegt?
Die Pflanzenheilkunde ist mehr als 6000 Jahre alt. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es nur pflanzliche Medikamente. Heilpflanzen bilden die Basis der Schulmedizin. Nehmen wir das Beispiel Bluthochdruck: Als Naturheilkundlerin würde ich als ersten Schritt mit geeigneten Pflanzen das Herz stärken, damit der Körper sich selbst helfen kann. Und sollte das nicht ausreichen, kann man den Körper schulmedizinisch unterstützen. Die Vorgehensweise sollte immer mit einem Arzt abgestimmt werden.
Wie haben Sie die Phytotherapie, sprich die Pflanzenheilkunde, für sich entdeckt?
Ich bin in Quickborn auf einem Bauernhof mit einem riesengroßen Garten aufgewachsen. Dort habe ich immer gespielt. Die Strahlenlose Kamille hat mich damals fasziniert. Sie hat nur ein ganz kleines grünes Köpfchen. Reibt man daran, riecht es nach Ananas. Das fand ich herrlich!
Gibt es ein Schlüsselerlebnis, das Sie beruflich zu diesem Thema geführt hat?
Ja. Alles fing an mit einer Blasenentzündung. Ich bekam ein Antibiotikum. Doch es blieb nicht bei dem einen Mal, so dass ich begann, mich anders damit zu beschäftigen. Es heißt ja, dass man bei Blasenentzündungen viel trinken soll. Um die schädlichen Stoffe aus der Blase zu spülen, kamen bei mir Goldrute, Brennnessel oder Löwenzahn ins Spiel. 2009/2010 habe ich dann meine Ausbildung bei Daniela Wolff in Hamburg gemacht und 2018 im österreichischen Velden bei der Firma Köhle weiter vertieft.
Im März bieten Sie wieder eine Heilkräuterausbildung an. Wer kommt zu Ihnen?
Menschen, die im Laufe ihres Lebens wie ich festgestellt haben: Es gibt nicht nur Tabletten, sondern vieles ist ergänzend mit Pflanzen gut behandelbar. Übrigens sind auch Schulmediziner darunter.
Neben einer allgemeinen Einführung in die Kräuterheilkunde lernen die Teilnehmer, Pflanzen mit allen Sinnen wahrzunehmen. Wir gehen auf Entdeckungsreise in die Natur, um die Pflanzen zu sehen, zu riechen, zu schmecken und zu fühlen. Zu jeder Pflanze erzähle ich eine individuelle Geschichte. Wir kochen Spitzwegerich-Suppe, backen Brennnessel-Brot. Ende April stellen wir Löwenzahnblütensirup her. Und ab Juni Holunderblütensirup, Holunderblütenessig, Cremes, Emulsionen, Öle und Tinkturen. Im Herbst sind dann die Wurzeln dran. Daraus machen wir spezielle Tees. Aus der Beinwell-Wurzel fertigen wir eine Salbe. Sie kann gut bei Verstauchungen oder Prellungen helfen.
„Der Weg zur Gesundheit führt durch die Küche, nicht durch die Apotheke“, hat Naturheilkundler Sebastian Kneipp gesagt. Welche Heilkräuter machen Sinn in der Küche, auf dem Balkon oder im Garten?
Manchmal ist weniger mehr. Am besten sind Pflanzen, mit deren Pflege man nicht gleich überfordert ist, und die immer wiederkommen. Wie Brennnessel, Löwenzahn, Giersch.