Ahrensburg. Gestartet war die junge Ahrensburgerin mit ihrem Pferd im Schwarzwald vor zwei Jahren. Was sie seitdem erlebt hat und wohin sie noch will.
„Wanderreiterin“ – so beschreibt Sarah Pruß sich selbst. Seit zwei Jahren ist die 23-Jährige mit ihrem Pferd Löwenherz auf Wanderschaft. Inzwischen werden die beiden auch noch von Ziege Alisha begleitet.
Ist es eine Pilgerschaft? Das Wort klinge ihr zu religiös, sagt die junge Frau: „… aber im Grunde ja.“ Das ist es, was sie tut. Damals brach sie ihr Philosophiestudium ab und beschloss, sich auf den Weg zu machen. „Wanderschaft hat viel mit Biografie zu tun“, sagt sie. Das sei ihr Ziel: zu sich selbst zu finden.
Reisen: Von Ahrensburg quer durch die Welt – hoch zu Ross
Zurzeit hält sich Sarah Pruß wieder im Norden auf. In Ahrensburg ist sie aufgewachsen. Hier lebte sie, bis sie 15 Jahre alt war. „Quasi all meine Kindheitserinnerungen stammen von hier.“ Doch wo hat die Geschichte überhaupt ihren Ursprung? Wie kommt eine junge Frau dazu, nur zu Fuß und zu Pferd durch die Weltgeschichte zu ziehen?
Am 2. März 2020 begann die sehr persönliche – und auch entbehrungsreiche – Expedition. Im Schwarzwald liefen Frau und Pferd los: erst einmal Richtung Bodensee. „Als wir losgegangen sind, hat es geschneit. Die erste Zeit war wirklich sehr, sehr krass. Eher ein Überlebensprozess.“ Aber sie wanderte weiter. Zuerst durch Bayern, dann nach Thüringen und in die Sächsische Schweiz, schließlich wieder Richtung alte Heimat: Ahrensburg.
Sarah Pruß beschreibt sich als Wanderreiterin
Nur im Winter bleibt sie bei ihrem Partner. „Es ist spannend, so eine Beziehung zu führen, wo man zwischendurch sechs Monate lang getrennt ist“, erklärt sie. Funktionieren tut es aber. „Mein Freund unterstützt mich. Er hatte Angst, na klar, aber ich hatte ja auch Angst.“ Bevor sie sich auf Wanderschaft begab, lebte Sarah Pruß auf einem Pferdehof im Schwarzwald. Dorthin hatte sie Löwenherz, ihren 14-jährigen Wallach, mitgenommen. Nach eineinhalb Jahren dort fasste sie den Entschluss, eine Wanderreiterin zu werden.
Und wo schläft sie unterwegs? „In einem Zelt, im Wald“, meistens. Löwenherz trägt das Gepäck, darunter ein transportabler Pferdezaun und das Zelt. Wann immer sie nicht in der Wildnis unterkommt, klingelt Sarah Pruß bei Pferdehöfen und fragt, ob noch Platz für sie und ihre vierbeinigen Begleiter ist. „Wenn man jemanden gefunden hat, der die Infrastruktur bieten kann, ist es meistens sehr leicht.“ Das hat sie auf ihrer Reise gelernt: „Für jeden unfreundlichen Menschen gibt es einhundert Hilfsbereite.“
Ziege Alisha: Vom Schlachter gerettet
Auf einem solchen Hof kam sie überhaupt erst zu Alisha. Die junge Ziege sollte ursprünglich geschlachtet werden. „Da habe ich ihr eine Chance gegeben und versucht, sie zu zähmen. Das hat geklappt, und nach drei Tagen konnte ich sie mitnehmen.“ Um sich unterwegs etwas zu essen zu kaufen, erhält Sarah Pruß Spenden. Meist online, doch manchmal stecken ihr auch Passanten im Vorbeigehen einen Geldschein zu oder kaufen im Supermarkt Karotten für die Tiere. „Ich habe inzwischen ein paar Sponsoren und suche auch weiterhin welche“, sagt sie.
Die Reaktionen in der Öffentlichkeit fallen meist positiv aus. Eine junge Frau, die barfuß mit Ziege und Pferd umherwandert, zieht nun einmal Blicke auf sich. Der Wanderreiterin macht das nichts aus. „Es bringt ein wenig Wunder in die Welt“, findet die 23-jährige, als Kinder staunend fragen, ob sie einmal das Pferd streicheln dürfen. Lange im Voraus plant Sarah Pruß ihre Reise nicht. Sie wandert einfach drauflos. Die Routen erstellt sie spontan und mithilfe einer Handy-App. Auch einen festen Alltag gibt es kaum. „Das hängt von den Jahreszeiten ab. Zum Beispiel ist es mir im Sommer tagsüber oft zu heiß, dann wandere ich nachts.“
Sarahs Antrieb: Sich auf der Reise selbst finden
Auf ihrer Reise hat die Abenteurerin schon viel gelernt. Schließlich nimmt sie die Mühe und Gefahren nicht ohne Grund auf sich. „Es geht viel darum, mich zu fragen: Wer bin ich? Was sind meine Talente und was sind meine Aufgaben? Die Natur ist ein starker Spiegel für die inneren Zustände.“ Die Tierfreundin vergleicht ihre Reise mit der Walz. Drei Jahre und einen Tag gehen zünftige Gesellen traditionell auf Wanderschaft, so ähnlich wie sie selbst. Dies ist laut Sarah Pruß eine wichtige Phase im Leben aller Menschen. „Jede Wanderschaft ist individuell. Manche Menschen wandern auch nur innerlich.“
Die Schule sollte besser auf diese Findungsphase vorbereiten, findet sie, anstatt hauptsächlich als „Prä-Phase für das Arbeitsleben“ zu dienen. In den letzten zwei Jahren hat sie Hochs und Tiefs erlebt und gelernt, mit ihren Gefühlen umzugehen. Andere Erkenntnisse haben die ehemalige Philosophiestudentin eher überrascht: „Ich fange an, Kultur- und Menschenbegegnungen wirklich zu lieben.“
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Nach drei Jahren: Reise soll am Bodensee enden
Und was ist für die Zukunft geplant? Spätestens im Herbst möchte sie zurück am Bodensee sein und vielleicht sogar langfristig dort bleiben. „Ich kann mir vorstellen, nach drei Jahren aufzuhören, weil das dann quasi wie die Walz war.“ Und was dann kommt, weiß sie auch schon. „Ich habe inzwischen einen Plan gefasst: Ich will eine Permakultur-Ausbildung (im Einklang mit der Natur überleben) abschließen und dann Heilpraktik lernen.“ Später möchte Sarah Pruß außerdem Workshops geben und anderen helfen, ihre eigene Wanderschaft anzugehen. Auch ein Buch ist schon in Planung.
Zuerst einmal bleibt sie noch in Ahrensburg. Vielleicht wird sie hier sogar ein zweites Pferd bekommen: ein Fohlen. Und eine andere Wanderin wird möglicherweise als Begleitung zu ihr stoßen. Nach Ahrensburg zurückzukehren ist für Sarah Pruß ein kostbarer Moment und auch, dass diese Stadt ihr den Rahmen für viel Veränderung bietet, bedeutet der Abenteurerin viel. Der Ort hatte einen großen Einfluss auf ihr Leben. „Ich erlebte hier viel Mobbing in der Schule. Das hat mich natürlich sehr geprägt. Als Kind habe ich davon geträumt, mit meiner Tierherde in der Wildnis zu leben.“
Nach der Elbüberquerung auf nach Bremen
Um ihr nächstes Ziel Bremen zu erreichen, steht bald die Elbüberquerung bevor. Und dann geht es weiter nach Süden. Mit der Außenwelt teilt die Wanderin ihre Erlebnisse über Instagram und Facebook. Wer sie nicht persönlich trifft, kann Sarah Pruß auch online über das Spendenportal Patreon unter dem Namen „Siarah Katharina“ unterstützen.