Hamburg. Der Senat prüft einen kostenpflichtigen Zugang für alle. Neue Zahlen zu Erlösen der Elbphilharmonie-Plaza lassen Zweifel aufkommen.

Abnehmende Corona-Angst, 9-Euro-Ticket und sonniges Wetter im Sommer 2022: Die Hamburg-Besucher erobern die Wahrzeichen der Stadt und mit ihnen den schönsten Balkon: die Plaza der Elbphilharmonie. Wer die „Tube“ hochsurrt, angeblich Europas längste gebogene Rolltreppe, der sorgt für erhebliches Klingeln im Stadtsäckel. Dennoch überlegt der Senat aktuell, einen Besuch der Plaza grundsätzlich kostenpflichtig zu machen.

Das hat zwei Gründe: Erstens war das sowieso angedacht und sollte bereits eineinhalb Jahre nach der Eröffnung des Konzerthauses am Hafen ab September 2018 gelten. So steht es zur Erinnerung in einem Brief von Kultursenator Carsten Brosda (SPD) an die Bürgerschaft aus dem Februar 2022. Und zweitens soll sich das Unternehmen Elbphilharmonie eigentlich selbst tragen – und ohne staatliche Zuschüsse auskommen.

Elbphilharmonie: Plaza-Besuch wirft schon heute Geld ab

Die Elbphilharmonie und Laeiszhalle Betriebsgesellschaft mbH Hamburg (ELBG) muss sich rechnen. Denn schon der Bau hatte – außer für Skandale – auch dafür gesorgt, dass die Stadt 789 Millionen Euro investierte, private Spender etliche Millionen zusätzlich.

Noch ist aber nicht klar, ob und wie viel ein Eintritt auf die Plaza in Zukunft kosten soll und wer von Ermäßigungen profitiert. Die Kulturbehörde teilte dem Abendblatt mit: „Wie im Mai in der Bürgerschaft angekündigt, prüft die Elbphilharmonie und Laeiszhalle Betriebsgesellschaft, ob eine Einführung eines allgemeinen Plaza-Eintritts sinnvoll ist. Die ELBG prüft dafür zurzeit verschiedene Optionen und berücksichtigt dabei auch Möglichkeiten für Ermäßigungen. Die verschiedenen möglichen Modelle werden dann im Kulturausschuss der Bürgerschaft zur Diskussion gestellt.“

Schon die Bürgerschaftsdebatte um einen finanziellen Beitrag der Besucherinnen und Besucher war kontrovers. Einige Redner erinnerten an das Versprechen des damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), dass die Plaza allen frei zugänglich sein solle. Doch heißt „frei“ auch kostenlos?

CDU: Rot-grüner Senat will Besucher zur Kasse bitten

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering erklärte dem Abendblatt, die Elbphilharmonie strahle als „echter Leuchtturm“ weit über Hamburg hinaus. „Die Plaza ist dabei ein wichtiger Anziehungspunkt für einen ersten Besuch. Diese sollte den Hamburgerinnen und Hamburgern sowie Touristen auch weiterhin zur freien Verfügung stehen, nachdem das Wahrzeichen durch Hamburger Steuergelder in Millionenhöhe aufwendig errichtet wurde. Es ist nicht im Sinne der Kultur und des Tourismus, dass der rot-grüne Senat die Besucher jetzt zur Kasse bitten möchte.“

Norbert Hackbusch von der Linksfraktion sagte dem Abendblatt: „Es ist ein Haus für alle. Die Plaza muss kostenlos bleiben.“ Hackbusch bezweifelt die Kostenangaben des Senates zur Elbphilharmonie. Mit einer kleinen Anfrage, deren Antworten erst nach der Bürgerschaftsdebatte kamen, wollte er Licht in die Bilanzen bringen und fragte nach Einzelposten wie für die Plaza. Der Senat erklärte ihm: „Für die vom Fragesteller benannten Bereiche Plaza und Ticketing bestehen keine gesonderten Kostenrechnungen, sie sind beide anteilig Bestandteile der Kostenbereiche Besucherservice, Vertrieb und Overheadkosten.“

90 Cent für die Elbphilharmonie-Plaza pro Konzertticket

Der Senat verließ sich in seinen Antworten nach eigener Darstellung auf die Angaben der Betriebsgesellschaft. Die Plaza hat derzeit mehrere Einnahmequellen: Wer sich als Einzelperson einen bestimmten Termin bucht, zahlt zwei Euro, bei Gruppen sind es nach Senatsangaben sechs Euro pro Person. Von jeder Konzertkarte werden 90 Cent einbehalten, weil die Musikfreunde ja auch die Plaza besuchen können. Durch diese Ticketabgabe wurden in der ersten Saison 2017/2018 insgesamt 790.000 Euro eingenommen, in der Spielzeit darauf 807.000 Euro. In der „Corona-Saison“ 2020/2021 waren es 93.000 Euro, in der laufenden Serie, die Ende Juli endet, wieder 418.000 Euro.

Einnahmen aus Gastronomie und Merchandising kommen dazu. Denn so steht es in der offiziellen Bilanz des Hauses, die im Bundesanzeiger veröffentlicht ist. Hier finden sich auch überraschende Zahlen zur Plaza. Denn tatsächlich gibt es offizielle Angaben über den Einzelposten Plaza. Sie schlummern in den Bilanzrechnungen der Elbphilharmonie Bau GmbH Co. KG. Diese Gesellschaft ist nach dem Fertigstellen des Gebäudes jetzt für den „kommerziellen Mantel der Elbphilharmonie“ verantwortlich, verpachtet und vermietet die „Sondereigentumsbereiche“ und verwaltet alles Technische des Hauses.

Plaza-Erlöse werden geteilt

In der letzten verfügbaren Bilanz dieser Bau-Gesellschaft steht glasklar: „Im Geschäftsjahr 2019/20 besuchten rd. 2,4 Mio. (Vorjahr: 3,6 Mio.) Gäste die Plaza der Elbphilharmonie. Die Erlöse hieraus abzüglich der Kosten beliefen sich auf 318.000 Euro.“ Und dieser Erlös lag im Corona-freien Zeitraum davor sogar bei 907.000 Euro. Diesen Plaza-Erlös teilen sich Bau- und Betriebsgesellschaft zur Hälfte.

Warum ist dann ein Eintrittsgeld für die Plaza überhaupt nötig, wenn sie im bisherigen Normalbetrieb so viel Geld abwarf? Muss man die Plaza-Besucher „melken“, um den Gesamtbetrieb zu finanzieren? Der Linken-Abgeordnete Hackbusch fragt sich, ob die Betriebskosten für die Plaza nicht bereits durch Ticketabgabe und Gruppenkarten gedeckt sind.

"Betriebskosten nicht zu Lasten des Kulturetats!"

Die Kulturbehörde ist unter Druck. Eine Plaza-Gebühr wäre öffentlich unangenehm, ein Haushaltsproblem wegen des erwarteten Defizits der Elbphilharmonie-Betriebsgesellschaft womöglich politisch noch ärgerlicher. Ein Minus von vier oder fünf Millionen Euro wird die ELBG nach der Saison 2021/2022 wohl aufweisen, wie aus dem Schreiben von Brosdas Behörde aus dem Februar hervorgeht. In der Bürgerschaft sagte der Kultursenator Anfang Juni, in der kommenden Spielzeit werde das Defizit 2,6 Millionen Euro betragen.

Für Hamburgs ehernen Grundsatz der Elbphilharmonie, im Jahr 2016 von der Bürgerschaft formuliert, sind das keine guten Nachrichten. Er lautet: „Die Betriebskosten dürfen nicht zu Lasten des übrigen Kulturetats gehen.“