Hamburg. IS-Rückkehrerin wird unter anderem wegen Kriegsverbrechen und Versklavung verurteilt. Eine Jesidin hatte ihr Martyrium geschildert.

Sie hat furchtbares Leid durchmachen müssen. Sie wurde versklavt, gefangen gehalten, misshandelt, vergewaltigt und wie ein Stück Vieh immer wieder weiterverkauft. Drei Jahre dauerte das Martyrium der Jesidin unter der Knute der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien an. Eine Zeit lang war die 31-Jährige auch in der Gewalt von Jalda A. und deren Ehemann. „Es war diese Frau“, hatte die Jesidin als Zeugin im Prozess vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht gesagt und auf die Angeklagte gezeigt. „Ich habe sehr unter ihr gelitten.“

So sehen das auch die Richter des Staatsschutzsenats, vor denen sich Jalda A. seit dem 19. Mai dieses Jahres verantworten muss. Nun erging das Urteil gegen die 34-Jährige: Die in Afghanistan geborene Frau, die in Bremen aufwuchs und schließlich nach Syrien auswanderte, erhielt fünfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe.

IS-Prozess in Hamburg: Rückkehrerin zeigte keine Regung

Jalda A. sei unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung des IS, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Beihilfe zum Völkermord, Beihilfe zur Vergewaltigung sowie gefährlicher Körperverletzung schuldig, heißt es in dem Urteil. Die Angeklagte habe „einen Menschen versklavt und ihm erhebliche Schäden zugefügt“, sagte der Vorsitzende Richter.

Jalda A., eine Frau mit hüftlangem schwarzen Haar, nahm das Urteil ohne sichtbare Regung zur Kenntnis. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte sich nach ihrer Ausreise nach Syrien im Februar 2014 dem IS anschloss. Demnach hatte sie zuvor miterlebt, wie ihr Bruder sich zunehmend radikalisierte. Ihm und weiteren Familienmitgliedern sei sie dann in die damalige IS-Hochburg Rakka gefolgt.

Jalda A. heiratete mehrere IS-Kämpfer

So ging das Leben von Jalda A. nach Überzeugung des Gerichts weiter: Sie heiratete einen Mann, der damit prahlte, ein Terrorist zu sein, und führte ihm den Haushalt. Als sie schwanger wurde, fuhr sie wegen der besseren medizinischen Versorgung zurück nach Bremen, reiste dann aber erneut nach Syrien und wurde Mutter eines Sohnes.

Als ihr Mann bei Kriegshandlungen ums Leben kam, heiratete sie nach Überzeugung des Gerichts erneut einen IS-Kämpfer, ließ sich wenig später von ihm scheiden, um wiederum mit einem dritten IS-Kämpfer die Ehe einzugehen. Gemeinsam mit ihrem letzten Mann behandelte die 34-Jährige, davon ist das Gericht überzeugt, die Jesidin wie eine Sklavin, beutete sie aus und misshandelte sie.

Von 15 IS-Kämpfern verkauft, von 14 vergewaltigt

Die 31-Jährige hatte als Zeugin im Prozess geschildert, sie sei im Zeitraum von August 2014 bis Dezember 2017 von 15 IS-Kämpfern verkauft und von 14 von ihnen vergewaltigt worden. Auch Jalda S. habe sie wie eine Sklavin behandelt; sie habe sie bewacht und mehrfach geschlagen. Zunächst habe der Islamische Staat im Jahr 2014 ihr Dorf angegriffen und schon zu Beginn zahlreiche Menschen getötet. Später hätten die IS-Kämpfer gezielt die Männer ausgesucht, sie wegtransportiert und umgebracht. „Wir hörten die Fahrzeuge, dann die Schüsse“, erzählte die Jesidin.

Die Frau musste mitansehen, wie zuletzt beinahe ihr ganze Familie umgebracht wurde. Frauen und Kinder seien später verkauft und in einem zugedeckten Viehtransporter zunächst nach Mossul und dann nach Rakka gebracht worden. Immer wieder sei sie weiterverkauft und vergewaltigt worden. Schließlich kam sie zu einem IS-Kämpfer und dessen Frau: Jalda A. Der Ehemann habe die Jesidin unter anderem bei Angriffen als Schutzschild benutzt, sagte der Vorsitzende Richter. Außerdem habe sie ihm als Sex-Sklavin dienen müssen.

Jesidin wurde von Angeklagter misshandelt

Zwar sei Jalda A. eifersüchtig auf die Jesidin gewesen und habe ihren Mann aufgefordert, sie zu verkaufen. Als dieser das nicht tat, beteiligte sich die 34-Jährige nach Überzeugung des Gerichts an der Bewachung der jungen Frau, schlug sie mehrfach, unter anderem mit einer Taschenlampe gegen den Kopf. „Durch die Bewachung ermöglichte die Angeklagte weitere Vergewaltigungen“ der Jesidin, sagte der Richter. Schließlich trennte sich Jalda A. von ihrem Mann, wurde 2017 von kurdischen Kräften aufgegriffen und vier Jahre später nach Deutschland verbracht. Seitdem ist sie in Untersuchungshaft.

Im Prozess hatte die Angeklagte behauptet, ihr sei vor ihrer Ausreise nach Syrien nicht bekannt gewesen, dass in Rakka das Terrorregime des IS wütete. Sie habe die radikalen Ansichten des IS nicht geteilt. Auch dass die Jesidin von ihrem Mann regelmäßig vergewaltigt wurde, habe sie nicht gewusst, sondern vielmehr geglaubt, diese verkehre freiwillig mit dem Mann. Außerdem habe sie die Sklavin nicht bewacht.

IS-Prozess in Hamburg: „Sie wusste, wen sie heiratete“

Doch das Gericht nahm der Angeklagten diese Behauptungen nicht ab. Obwohl sie zumindest während ihrer Schwangerschaft und des damit verbundenen Aufenthalts in Bremen von dem Überfall auf die Jesiden erfahren habe, sei sie trotzdem nach Syrien zurückgekehrt. Zudem habe sie in Chats die Jesiden als „dreckige Ungläubige“ bezeichnet und sei dreimal Ehen mit IS-Kämpfern eingegangen. „Sie wusste, wen sie heiratete“, so der Richter.

Als sie während der drei Wochen, die die Jesidin in ihrem Haushalt leben musste, diese überwacht habe, sei Jalda A. „klar gewesen, dass sie weitere Vergewaltigungen fördert“. Sie habe doch als Frau nichts wirklich ausrichten können, hatte die Angeklagte vor Gericht gesagt. Dem widersprach der Vorsitzende Richter ausdrücklich. „Doch, Sie hatten andere Möglichkeiten!“ So hätte Jalda A., nachdem sie zurück in Bremen war, dort bleiben können — und eben gerade nicht erneut nach Syrien reisen. Außerdem hätte sie sich von ihrem Mann trennen können.