Hamburg . Umweltsenator Jens Kerstan stellte die Bilanz der Hamburger Energiewerke vor – und erklärte, warum Moorburg nicht wieder ans Netz geht.

Ungeachtet der jüngsten Sorgen über die Unsicherheit bei der Gasversorgung im kommenden Winter hält Hamburgs Umwelt- und Energiesenator Jens Kerstan (Grüne) an seiner energiepolitischen Strategie fest. Die lautet: So schnell wie möglich raus aus der Kohle. Er unterstütze das Vorhaben seines Parteikollegen Robert Habeck als Bundeswirtschaftsminister, Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen, um Gas zu sparen, sagte Kerstan am Montag bei der Vorstellung des Jahresabschlusses der Hamburger Energiewerke. „Herr Habeck hat die Wahl zwischen Pest und Cholera. Es ist richtig, die Versorgungssicherheit an erste Stelle zu stellen.“

An Hamburgs Strategie ändere sich aber nichts. „Wir werden das Kohlekraftwerk Moorburg nicht reaktivieren. Wir könnten es auch gar nicht“, sagte Kerstan. Die Betreibermannschaft sei nicht mehr da, und der Rückbau habe bereits begonnen. Auch am Bau eines Gaskraftwerks auf der Dradenau werde festgehalten. Für Hamburgs Verbraucher ändert sich indes alles: Sie müssen mit stark steigenden Energiekosten rechnen.

Energiewende: Großhandelspreise treiben Strom- und Gaspreis

Hintergrund sind die hohen Großhandelspreise. Am Gasmarkt kletterten sie innerhalb eines Jahres von rund 18 Euro auf mehr als 110 Euro pro Megawattstunde. Deutlich zeigt sich die Verteuerung auch am Großhandelsmarkt für Strom. Kostete die Megawattstunde vor einem Jahr noch 50 Euro, sind es inzwischen 250 Euro. „Im nächsten Jahr werden viele Haushalte mit Preiserhöhungen von weit über 100 Prozent rechnen müssen“, sagte Kerstan. Das sei für viele ein Problem.

Verdient haben daran vor allem auch die Hamburger Energiewerke, zu denen sich sie beiden städtischen Unternehmen Hamburg Energie und Wärme Hamburg vor einem Jahr zusammengeschlossen hatten. Trotz Corona-Pandemie und trotz der Fusionskosten konnten die Energiewerke ein erwartetes Minus in ein Plus drehen. Dank der hohen Energiepreise konnten die Hamburger Energiewerke in ihrem ersten Geschäftsjahr einen Gewinn in Höhe von 5,9 Millionen Euro einfahren, wie der Sprecher der Geschäftsführung Christian Heine sagte. „Das ist 30,8 Millionen Euro über Plan.“ Vor allem das vierte Quartal 2021 habe erhebliche Umsatzzuwächse auf insgesamt knapp 779 Millionen Euro gebracht.

Kerstan zu hohem Gewinn: "Verdienen uns mit dreckigem Kohlestrom dumm und dusselig"

Kerstan sagte, die Erlöse seien natürlich erfreulich. „Aber man muss auch ganz hart und böse sagen, das ist einfach dreckiger Kohlestrom, mit dem wir uns im Moment dumm und dusselig verdienen“, sagte er mit Blick auf die beiden vor allem für die Fernwärme noch relevanten Kohlekraftwerke Wedel und Tiefstack. Der Senat wolle deshalb die Energieberatung verstärken, „um den Verbrauchern Möglichkeiten aufzuzeigen, mit denen sie selbst möglichst rasch aus den fossilen Energien aussteigen können, damit sie dann in Zukunft solche irren Preissteigerungen nicht mehr verkraften müssen“.

Damit hat der Senator gleich seine eigene Strategie umrissen, denn auch sein Ziel ist es, mit einem Mix aus vielen erneuerbaren Stromquellen sowie grünem Wasserstoff die fossilen Energieträger in der Hansestadt abzulösen. Zusammenlaufen sollen die unterschiedlichen Aufgaben bei den Hamburger Energiewerken, die Ker­stan als Dreh- und Angelpunkt seiner Behörde bezeichnet. „Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt: Es war nicht nur wichtig, sondern ein Segen, dass die Energieversorger in die öffentliche Hand zurückgekehrt sind.“ Nun habe man schlagkräftige Unternehmen. Das sei wichtig, „weil wir Maßnahmen ins Auge fassen müssen, an die vor Monaten noch niemand gedacht hat“, sagte Kerstan. Mehrmals betonte er, dass er die Mitarbeiter der Hamburger Energiewerke um die Fülle ihrer Aufgaben nicht beneide. Die Geschäftsführung des Unternehmens lächelte dazu.

Hamburger Energiewerke wollen "Treiber der Energiewende" sein

Allerdings bekräftigte Geschäftsführer Heine: „Unser Anspruch ist es, Gestalter und Treiber der Hamburger Energiewende zu sein.“ Neben dem erwähnten Bau eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerks auf der Dradenau, das ab 2025 die Wärmeversorgung durch das Kohlekraftwerk Wedel ersetzen soll, gehört dazu auch der Kraftwerkspark Tiefstack, der das dortige Kohlekraftwerk durch klimaneutrale Lösungen zur Wärmeversorgung ablösen wird. Dazu sollen Abwärme aus Industrie und Müllverbrennung gehören, außerdem Power-to-Heat-Anlagen, die (regenerativ erzeugten) Strom in Wärme umwandeln – und vor allem Flusswärmepumpen, die Wärme aus der Norderelbe und der Bille gewinnen. Auch der Bau eines Elek­trolyseurs in Moorburg liegt federführend in der Hand der Energiewerke.

Trotz hoher Preise konnten diese mit ihren 850 Mitarbeitern die Zahl der Strom- und Gaskunden um acht Prozent auf 161.000 steigern. Die Hamburger Energiewerke versorgen derzeit zwölf Prozent aller Hamburger Stromkunden und 16 Prozent aller Gaskunden. „Wir sind der größte Ökostromanbieter Hamburgs“, sagte Heine. Auch bei der Fernwärmeversorgung legte das Unternehmen zu: Es gewann 10.000 weitere Wohneinheiten hinzu.

Energiewende: Preis für Strom und Gas wird weiter steigen

Was auf all diese Kunden an zusätzlichen Kosten wegen der Preissteigerungen am Energiemarkt konkret zukommt, darüber schweigt sich das Unternehmen allerdings aus. „Die Lage an den Märkten ist derzeit so unsicher und volatil, dass wir dazu keine Aussage treffen können“, sagte Michael Prinz, Vertriebschef der Hamburger Energiewerke.

Für 2022 geht er aber wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine von weiteren Preissteigerungen aus. Das gelte insbesondere für Neukunden. Derzeit nimmt das Unternehmen bei Gas einen Arbeitspreis von 16,39 Cent pro Kilowattstunde und einen Grundpreis von 9,25 Euro im Monat. Strom kostet im günstigsten Tarif „Elbstrand“ 43,36 Cent pro Kilowattstunde bei einem Grundpreis von 10,90 Euro im Monat.