Hamburg. Matthias Hübner und Angela Seyer wohnen sehr gern im Pergolenviertel. Doch nicht alle Innovationen dort halten sie für gelungen.
Kleingärten, bewachsene Pergolen, grüne Innenhöfe und große Balkone – das Pergolenviertel, das seit 2016 zwischen Rübenkamp und City-Nord entsteht, gilt als Vorzeigeprojekt moderner Stadtentwicklung. Zu den 1700 Wohnungen, die dort gebaut werden, gehören neben klassischen Miet- und Eigentumswohnungen auch Wohneinheiten für bestimmte Zielgruppen, etwa für Studenten oder Menschen mit Pflege- und Assistenzbedarf. 60 Prozent der Wohnungen sind öffentlich gefördert. Und auch bei der Gestaltung wurde nichts dem Zufall überlassen: In einem Leitfaden sind unter anderem die Farben der Fassaden und der blühenden Bäume festgelegt.
Angela Seyer und Matthias Hübner gefiel das Konzept. Also schlossen sie sich 2015 einer Baugemeinschaft an, die im Pergolenviertel Eigentumswohnungen für Familien mit Kindern bauen wollte. Als „älteres Ehepaar ohne Kinder im Haus“, so Angela Seyer, hätten sie zwar nicht zu dieser Zielgruppe gehört, aber dazu beitragen können, dass innerhalb der Baugemeinschaft die für den Zuschlag erforderliche Mischung erreicht wurde.
Pergolenviertel: Paar fand das Umfeld attraktiv
Neben dem Erwerb von Eigentum reizte das Paar, das vorher in Wellingsbüttel zur Miete gewohnt hatte, auch das Umfeld des Neubauquartiers. „Es gibt eine gute Verkehrsanbindung, und der Stadtpark ist um die Ecke“, so Matthias Hübner. Außerdem konnten sich die Bewohner für einen Kleingarten bewerben – was die beiden erfolgreich schon vor dem Einzug taten. Zwei Minuten zu Fuß von ihrer Wohnung entfernt bauen sie nun ihr Gemüse an. Und feiern Grillabende mit Freunden.
Ihre Vier-Zimmer-Wohnung liegt im ersten Stock. Dass der Balkon damit recht dicht über dem Innenhof liegt, in dem die vielen Kinder aus den umliegenden Wohnungen spielen, stört sie nicht. „Irgendwie ist das schön – und wir haben ja auch dreifach verglaste Fenster“, sagt Angela Seyer und lacht. Wir sitzen am Esstisch, der sich zwischen Küchenzeile und Sitzecke im größten Raum der Wohnung befindet. Bei der Grundrissgestaltung konnten die beiden mitreden – und so verzichteten sie zugunsten einer größeren Abstellkammer auf ein zweites Bad.
Müllentsorgung stellte sich als Fehlplanung heraus
Was sie nicht ändern konnten, waren die Wasseranschlüsse für Küche und Bad – und die bodentiefen Fenster, die für alle Wohnungen in ihrem Block Vorschrift waren. Weil sie im Verhältnis zur Raumgröße stehen müssten, hätten kleinere Zimmer oft nur schmale Fenster, die an Schießscharten erinnern, so Hübner. Sie hätte sich Fensterbänke gewünscht, auf die man auch einmal eine Pflanze stellen könnte, ergänzt seine Frau. Aber darauf, da sind sie sich sicher, sei wohl bewusst aus Kostengründen verzichtet worden. Stattdessen würden nun Jalousiegeschäfte gut verdienen, denn fast alle Bewohner hätten ihre Fenster mit Sichtschutz nachgerüstet.
Was sich im Nachhinein aus ihrer Sicht ebenfalls als Fehlplanung herausgestellt hat, ist die Müllentsorgung in riesigen Unterflurbehältern. „Die verstopfen sehr schnell, auch wenn sie noch gar nicht voll sind.“ Die Folge: Etliche Bewohner stellen den Müll neben die Behälter – und von dort verteilt er sich in der Umgebung. Auf dem (noch nicht fertigen) Loki-Schmidt-Platz vor ihrem Haus etwa liegt er unter umgekippten Bauzäunen und in einer Vertiefung, in der sich Regenwasser gesammelt hat, unter den Tischen des Hofladens und unter den Autos, die (noch) auf der Fläche parken.
Platz soll deutlich grüner werden
Das Ehepaar freut sich, dass sich zumindest dieser Missstand mit Fertigstellung des Platzes ändern wird. Und noch mehr darüber, dass dieser deutlich grüner wird, als von der Stadt zunächst vorgesehen. Denn dafür haben sie sich mit einigen anderen Bewohnern eingesetzt.
„Als wir feststellten, dass der Platz quasi als grünfreie Zone geplant war, haben wir mit der Politik diskutiert. Die Stadt propagiert ja selber, das Mikroklima in den Stadtteilen verbessern zu wollen“, so Hübner. Eine Steinwüste, die an heißen Tagen die kühle Luft aus den begrünten Innenhöfen sauge, sei da kontraproduktiv. Mittlerweile habe die Stadt eingelenkt – es sei zwar noch nichts in trockenen Tüchern, aber er sei zuversichtlich, dass eine gute Lösung mit mehr Bäumen gefunden worden wäre.
Pergolenviertel: Bewohner feiern in dem Quartier Feste
Mit unterirdische Bodenhülsen zum Aufstellen von Zelten und Stromanschlüssen können die Bewohner dann auf dem Loki-Schmidt-Platz in Eigenregie auch Feste und Flohmärkte veranstalten. Schon jetzt wird der Gemeinschaftsgedanke im Pergolenviertel großgeschrieben: Nach dem Adventssingen im letzten Winter steht jetzt ein großes Sommerfest an. Zudem gibt es in den meisten Wohnblocks auf den zehn Baufeldern Gemeinschaftsräume, die auch für private Feierlichkeiten und Zusammenkünfte genutzt werden können.
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Auch Nachhaltigkeit wird im Pergolenviertel großgeschrieben. So mussten die Bauherren alle Häuser im Niedrigenergiestandard errichten und sich an einem innovativen Mobilitätskonzept beteiligen. Es gibt Lastenfahrräder, die von der EU bezuschusst werden und gemietet werden können, und Angebote für Carsharing. Matthias Hübner und Angela Seyer setzen darauf, dass die vier dafür vorgesehenen Plätze in ihrer Tiefgarage bald endgültig hergerichtet werden. Dann können sie endlich ihr Auto abschaffen. Und alle Vorzüge ihrer neuen Heimat genießen.