Hamburg. Trotz vieler Neubaugebiete sinkt Zahl der Spielhäuser, Bauspielplätze und Jugendtreffs ab – etliche sind ein Sanierungsfall. Der Grund.
Dass Hamburg eine wachsende Stadt sein soll, ist seit zwei Jahrzehnten offizielle Senatspolitik. Seitdem ist die Bevölkerungszahl um rund 150.000 Menschen auf mehr als 1,85 Millionen angestiegen. In den vergangenen Jahren hat sich das Wachstum zwar abgeschwächt, dennoch stieg allein 2020 die Zahl der Minderjährigen um gut 2600 auf rund 313.500 an.
Umso überraschender ist die gegenläufige Entwicklung bei der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA), also den Einrichtungen für diese Zielgruppe: Deren Zahl nimmt nämlich kontinuierlich ab. Gab es 2015 noch 261 Jugendtreffs, Bauspielplätze und Spielhäuser, waren es 2018 nur noch 253, und 2022 sank dieser Wert auf 249. Das teilte der Senat auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei mit.
50 wichtige Anlaufstellen für Kinder in bedenklichem Zustand
Aus den Antworten geht auch hervor, dass rund 50 dieser wichtigen Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche in einem bedenklichen Zustand sind: „Komplettsanierung erforderlich“, heißt es etwa für das Jugendcafé Altona-Nord oder das Spielhaus Fahrenort in Lurup und weitere Einrichtungen. Für etliche Häuser lautet der Status quo: „Sanierungsstau; derzeit noch keine konkreten Planungen“. Oder es werden nötige Maßnahmen benannt, versehen mit dem Zusatz: „Zurückgestellt aus Volumensgründen“ – Behördendeutsch für fehlendes Geld.
„Es ist ein Skandal, wie der Senat mit den Orten für Kinder und Jugendliche umgeht – dabei sind die doch für viele ein existenziell wichtiges zweites Zuhause“, sagte Insa Tietjen, kinderpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, dem Abendblatt. Die OKJA sei ein gesetzlich verankertes Recht junger Menschen und „keine freiwillige, zu vernachlässigende Zusatzleistung“. Sabine Boeddinghaus, Fraktionschefin der Linken, nannte die Ergebnisse „erschütternd“ – zumal sie befürchte, dass weitere Angebotskürzungen im Haushalt 2023/2024 anstehen.
Ob es dazu kommt, ist zwar noch nicht ausgemacht, denn der Etat wird gerade erst aufgestellt. Tatsache ist aber, dass die Ausgabeansätze der Stadt für die Offene Kinder- und Jugendarbeit im vergangenen Jahrzehnt nur von 24,5 Millionen Euro im Jahr 2012 auf 27,5 Millionen Euro 2022 gestiegen sind, so die Sozialbehörde auf Anfrage. Mit gut zwölf Prozent in zehn Jahren lag das Plus deutlich unter der allgemeinen Preissteigerung – und das trotz des Bevölkerungswachstums. Für Sabine Boeddinghaus ein Unding: „Wir fordern endlich die benötigten Gelder für die Sanierung und den Ausbau der Einrichtungen und die Bereitstellung und dauerhafte Absicherung einer soliden Personalstruktur in der OKJA.“ Die Sozialbehörde hält dagegen, dass es neben den offenen Angeboten auch noch die Kindertagesbetreuung, Verbandsarbeit, Ferienmaßnahmen sowie weitere Sport- und Freizeitangebote gebe, so ihr Sprecher Martin Helfrich. Tatsächlich gilt Hamburg mit seinem gebührenfreien und massiv erweiterten Grundangebot an Kitaplätzen sowie der ebenfalls kostenlosen Nachmittagsbetreuung an allen Grundschulen bundesweit als vorbildlich.
Dass man im Gegenzug an den OKJA-Einrichtungen spart, möchte der Senat auf Nachfrage so nicht direkt einräumen. Man gebe nur das Geld, die Entscheidungen über die Verteilung vor Ort würden die Bezirke treffen, heißt es. Dennoch lässt sich aus den Antworten auf die Anfrage der Linken kaum etwas anderes herauslesen. So heißt es dort über den Bezirk Wandsbek: „Für die Erweiterung von Angeboten der OKJA (und Jugendsozialarbeit) stehen dem Bezirksamt Wandsbek keine ausreichenden Mittel zur Verfügung.“ Dabei werden in Hamburgs größtem Bezirk mit mehr als 440.000 Einwohnern dank Neubaugebieten wie Jenfelder Au noch Tausende neue Bewohner hinzukommen – aber wohl keine Einrichtung für Jugendliche.
Für den Bezirk Hamburg-Nord gibt es keine Pläne
Auch für den Bezirk Hamburg-Nord, der im Pergolenviertel und anderen Quartieren Tausende neue Wohnungen errichtet, gibt es keine Pläne: „Die bestehenden Einrichtungen werden die Neubaugebiete mit abdecken“, heißt es lapidar in der Senatsantwort. Was das konkret vor Ort bedeutet, zeigt sich im Stadtteil Groß Borstel: Hier sind der kleine Jugendclub im Beerboomstücken und das Haus der Jugend Lattenkamp direkt an der Alster im Hayns Park wichtige Anlaufstellen für die Kinder und Jugendlichen. Magnetisch wirken deshalb Angebote wie Kickertisch, gemeinsame Koch- oder Backangebote, Computerspiele oder Bastelaufgaben.
Die Betreuung übernehmen aktuell insgesamt drei Mitarbeiter, die Häuser sind je 25 und 23 Stunden in der Woche geöffnet. Manchmal müssen Kinder draußen warten oder kommen gar nicht in den Jugendclub, weil die Höchstzahl der Gäste schon erreicht ist. Laut Bezirksamt lag das aber nur an den coronabedingten Beschränkungen, die nun „weitestgehend aufgehoben“ seien. Merkwürdig: Während der Senat den Jugendclub Groß Borstel als sanierungsbedürftig auflistet, heißt es aus dem Bezirksamt: „Momentan sind keine Bauarbeiten geplant und notwendig.“
Bezirk Eimsbüttel: Hier hat sich erheblicher Sanierungsbedarf gebildet
Im Bezirk Eimsbüttel sind zwar einige Baumaßnahmen geplant, aber in der Senatsantwort heißt es auch offen, dass sich „ein erheblicher Sanierungsbedarf gebildet“ habe. Das zeigt sich exemplarisch am Spielhaus Wehber’s Park: Das bietet zwar viele pädagogische Angebote für Kinder und Eltern – von Musizieren und Holzwerkstatt über Elterncafé bis hin zum „Abendbrot für Alleinerziehende“. Doch es wäre noch mehr möglich, wenn nicht eine Hälfte des Gebäudes seit sechs Jahren wegen Schimmelbefalls gesperrt wäre.
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Auf die Frage, warum sich seitdem nichts getan habe, teilt das Bezirksamt mit, zunächst sei ein Neubau für rund 750.000 Euro geplant gewesen sei, doch mittlerweile hätten sich die angesetzten Kosten als zu niedrig herausgestellt. Inzwischen stehe knapp eine Million Euro zur Verfügung, doch auch damit könne man das Spielhaus „voraussichtlich nur sanieren“.
Letztlich ist es so, wie Sozialbehördensprecher Helfrich mit Blick auf das Haushaltsjahr 2023/2024 einräumt: „Es ist, wie so häufig, nicht für alle Wünsche Geld da, sondern der Geldtopf ist begrenzt.“ Man bemühe sich aber, „kreative Lösungen“ zu finden.