Hamburg. 1922 wird das Unternehmen in Altona mit vier Mitarbeitern gegründet, heute ist es das größte Deutschlands. Die Geschichte der SAGA.

Der berühmte Mediziner war entsetzt. „In keiner anderen Stadt habe ich solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten angetroffen“, sagte Robert Koch. „Ich vergesse, dass ich in Europa bin.“ So urteilte er 1892 in seiner Rolle als Direktor des Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten in Berlin über die elenden Zustände in Hamburg, wo er während der Choleraepidemie die Gängeviertel besuchte. Dort hausten vor allem Arbeiterfamilien auf engstem Raum.

Die Lage damals zeigte einmal mehr, wie wenig die Hamburger Obrigkeit die Verhältnisse der Armen lange beachtet hatte. Nur langsam wuchs das Bewusstsein, dass es eine öffentliche Aufgabe sein sollte, den vielen nicht betuchten Bürgern der Hansestadt mit menschenwürdigen Wohnungen zu einem besseren Leben zu verhelfen. Es vergingen allerdings noch drei weitere Jahrzehnte bis zu einer Zeitenwende: Angestoßen von Max Brauer, dem Zweiten Bürgermeister der damals noch unabhängigen Stadt Altona, wurde am 29. Dezember 1922 die Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona (SAGA) gegründet. Sie sollte Bedürftige durch gemeinnützigen Wohnungsbau unterstützen.

Wohnungsbau: SAGA feiert 100-jähriges Bestehen

Dieses Leitmotiv gilt auch heute noch für die SAGA, die nun das Jubiläum ihres 100-jährigen Bestehens feiert. Allerdings ist aus der Mini-Firma von einst, die mit einem Büro für vier Mitarbeiter im Obergeschoss des Gasthauses „Lindenkrug“ in Bahrenfeld und einem Bestand von 760 städtischen Wohnungen startete, inzwischen Deutschlands größtes kommunales Wohnungsunternehmen geworden. Nunmehr bewirtschaften gut 900 Mitarbeiter mehr als 137.000 Mietwohnungen in Hamburg (davon rund 29.300 öffentlich gefördert) für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen.

Bei einem Senatsempfang am Donnerstag im Rathaus blickten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Gäste um SAGA-Vorstandssprecher Thomas Krebs auf die wechselvolle Geschichte des städtischen Unternehmens zurück. Tschentscher rief etwa in Erinnerung, wie die SAGA von 1924 an das Stadtmodernisierungsprogramm „Neues Altona“ durchgeführt hatte, „mit Hunderten neuen Wohnungen, die nicht nur ein Dach über dem Kopf boten, sondern endlich auch Licht, Luft und Sonne“.

Kaum neue SAGA-Bauten unter dem NS-Regime

SAGA-Initiator Max Brauer zur Seite stand damals der mit ihm befreundete Architekt und Bausenator Gustav Oelsner. Bis 1927 wuchs der SAGA-Bestand auf 2000 verwaltete Wohnungen, 1929 verfügte sie erstmals über eigene. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise kam die Neubautätigkeit 1932 allerdings zum Erliegen.

Es folgte eine auch für die SAGA dunkle Zeit. Nach ihrer Machtergreifung 1933 diffamierten die Nationalsozialisten das „Neue Bauen“ der Weimarer Repu­blik und setzten Max Brauer und Gustav Oelsner ab. Im Sinne der Gleichschaltung mussten die als „undeutsch“ empfundenen Flachdächer den „deutschen“ Spitzdächern weichen – das betraf auch die von Gustav Oelsner entworfenen Blöcke in der Helmholtz- und Bunsenstraße. Abgesehen von 252 Wohnungen für Offiziere in Dockenhuden und Osdorf entstanden unter dem NS-Regime kaum neue SAGA-Bauten.

Max Brauer prägte Zeit des Aufbruchs

Die Jahre von 1945 bis 1960 standen auch für die SAGA im Zeichen des Wiederaufbaus, denn der Krieg hatte für verheerende Schäden gesorgt: Etwa 1200 der zuletzt 5200 SAGA-eigenen Wohnungen waren total zerstört worden. Als ein Symbol für den Neubeginn gelten die 1956 fertiggestellten Grindelhochhäuser der SAGA mit fast 2000 Wohnungen in Harvestehude. Der aus dem Exil zurückgekehrte und zum Ersten Bürgermeister Hamburgs gewählte Max Brauer und der neue SAGA-Vorstand Henry Zwanck prägten diese Zeit des Aufbruchs, in der auch die SAGA-Siedlung Beerboomstücken in Groß Borstel von Werner Kallmorgen und eine Siedlung im Luruper Flüsseviertel von Bernhard Hermkes entstanden.

Ein SAGA-Hochhaus in Mümmelmannsberg.
Ein SAGA-Hochhaus in Mümmelmannsberg. © Andreas Bock

In den 1960er-Jahren dominierte städtebaulich die Devise „Urbanität durch Dichte“. Im Zuge dessen errichtete die SAGA Hochhaussiedlungen etwa am Osdorfer Born. Damals galten diese Mega-Projekte als Musterbeispiele für modernen sozialen Wohnungsbau – aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar. 1972 fusionierte die SAGA mit den städtischen Wohnungsbau-Gesellschaften Freie Stadt, Neues Hamburg und Deutsche Wohnungsbaugesellschaft mbH Harburg. Dadurch erhöhte sich der Bestand auf rund 75.000 eigene und mehr als 10.000 verwaltete städtische Wohnungen.

Bauboom endete mit der Erdölkrise 1973

Mit der Erdölkrise 1973 endete der Bauboom deutschlandweit, auch in Hamburg. Die SAGA baute ihre Großprojekte Lenzsiedlung in Lokstedt und Kirchdorf-Süd zwar noch zu Ende, konzentrierte sich bis Ende der 1990er-Jahre aber auf die Modernisierung ihres Bestands in Altbauvierteln auf St. Pauli, in Altona-Altstadt, Ottensen, St. Georg und der Neustadt. Im Jahr 1999 schlossen sich die SAGA und die GWG Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft zusammen.

An der Bunsenstraße stehen die ältesten SAGA-Objekte.
An der Bunsenstraße stehen die ältesten SAGA-Objekte. © Andreas Bock

Mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts verstärkte die SAGA ihr Engagement für die soziale Entwicklung benachteiligter Quartiere, gründete 2001 das Tochterunternehmen ProQuartier, das Formate wie das kostenlose Sportprogramm move! in SAGA-Quartieren entwickelt hat, und 2007 die Stiftung Nachbarschaft, die seitdem nach eigenen Angaben 630 Vorhaben mit insgesamt vier Millionen Euro gefördert hat, darunter etwa den Kinderzirkus Abrax Kadabrax und Projekt „Box dich Fit“ für Frauen.

SAGA bekam Lob und Kritik

Es gab Lob für die Arbeit der SAGA in den vergangenen Jahrzehnten, aber auch die Kritik, das städtische Unternehmen erfülle seine Aufgabe nicht ausreichend. „Benachteiligte bekommen kaum noch Wohnungen in Hamburg“, erklärte etwa 2013 das Diakonische Werk und forderte, der Senat müsse die SAGA „in die Pflicht nehmen“.

So baut die SAGA heute: das Pergolenviertel.
So baut die SAGA heute: das Pergolenviertel. © Andreas Bock

Immer wieder sorgten Mieterhöhungen für Proteste; schon 2010 machten dagegen das Netzwerk „Recht auf Stadt“ und der Verein „Mieter helfen Mietern“ mobil. Und die Kritik reißt nicht ab: Vor Kurzem erklärte die Linken-Abgeordnete Heike Sudmann, es sei „unglaublich, dass die SAGA im Pandemiejahr 2020 alleine mit Mieterhöhungen die dritthöchsten Einnahmen seit 2011 erzielt hat“.

Linksfraktion stellt Forderungen an SAGA

Anlässlich des SAGA-Jubiläums würdigt die Linksfraktion zwar die „bedeutende Rolle dieses stadteigenen Wohnungsunternehmens“, fordert allerdings, die SAGA sollte in den kommenden fünf Jahren ihre Mieten einfrieren oder nur um wenige Cent ansteigen lassen. Dafür böten die erheblichen Gewinne der SAGA, die zum Teil an die Stadt abgeführt wurden, eine „solide Basis“, so Heike Sudmann.

Der Grünen-Wohnungsbaupolitiker Olaf Duge hatte Sudmann zuletzt allerdings schon entgegnet: Wer fordere, die SAGA möge keinerlei Mietenerhöhungen mehr vornehmen, müsse damit rechnen, dass über kurz oder lang keine Sanierungen, Neubauaktivitäten und Quartiersentwicklung mehr stattfinden.

Wohnungsbau: SAGA schafft bezahlbaren Wohnraum

Seit ihrer Gründung 1922 sei die SAGA zunächst nur in Altona, später für die ganze Stadt zwar überwiegend ihrem Anspruch gerecht geworden, bezahlbaren Wohnraum in Hamburg anzubieten, sagt Dirk Schubert, emeritierter Professor für Wohnen und Stadtentwicklung an der HafenCity Universität. Allerdings habe sich der SAGA-Wohnungsbau lange hauptsächlich an den Bedürfnissen von Familien orientiert.

Auf die Vielfalt der Gesellschaft und Gruppen wie Singles und Alleinerziehende sei das städtische Unternehmen noch nicht genügend eingerichtet, es habe bisher zu wenig auf partizipative Planungsverfahren gesetzt. „Für die Zukunft wünsche ich der SAGA mehr Mut zu Experimenten mit innovativen Wohnkonzepten“, sagt Schubert.