Hamburg. Die Hamburgerin Anna Alex will die Lücke zwischen Wissenschaft und Unternehmen schließen – und macht Kennzahlen zugänglich.
Mit ihrem Start-up Planetly hat die gebürtige Hamburgerin Anna Alex zusammen mit ihrem Geschäftspartner Benedikt Franke eine kostengünstige Möglichkeit für Unternehmen geschaffen, wie diese ihren CO2-Fußbabdruck analysieren und zugleich reduzieren können. Es gehe darum, die Verantwortlichkeit innerhalb von Unternehmen zu benennen, so Anna Alex. Im Hinblick auf die von der EU anvisierte Pflicht über einen Nachhaltigkeitsbericht für Unternehmen ab 2024 (CSR-Berichtspflicht) ein immer wichtiger werdendes Thema für Unternehmerinnen und Unternehmer. Die zündende Idee kam der 37-Jährigen während ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin ihres ersten Start-ups Outfittery.
Liebe Frau Alex, wie kamen Sie auf die Idee, Planetly zu gründen?
Anna Alex: Es gab eine Lücke, die ich am eigenen Leib erfahren habe, als ich noch Geschäftsführerin bei Outfittery war und dort den CO2-Output berechnen wollte. Da habe ich mir gedacht: Das kann es doch nicht gewesen sein. Es war für mich sehr unbefriedigend, das Level an Genauigkeit dieser Berechnungen zu sehen. Auch war es sehr schwierig, im Detail zu verstehen, was ich denn jetzt ändern kann. Ich kenne schließlich meine Marketingkennzeichen sowie meine Finanzkennzahlen im Detail. Warum denn nicht auch meine Nachhaltigkeitskennzahlen? Um signifikant CO2 zu reduzieren, muss erst einmal die Berechnungsgrundlage stimmen. Und genau das machen wir mithilfe einer Software bei Planetly.
Weshalb stellt Planetly eine Innovation gegenüber herkömmlichen Nachhaltigkeitsberatungen dar?
Anna Alex: Die Software soll den Unternehmerinnen und Unternehmern akkurat aufzeigen, welche Auswirkungen ihr Handeln auf die Umwelt hat. In der Vergangenheit wurden CO2-Bilanzen oftmals in Form von Excelsheets und meist nur rückwirkend erstellt. Zudem auf einem ganz anderen Niveau, als wir es als Entscheiderinnen und Entscheider in der Businesswelt gewohnt sind. Wir ermöglichen den Unternehmen, uns auf die einfachste Art und Weise ihre Daten zu übermitteln, die wir für die Berechnungen brauchen. Im Anschluss stellen wir diese Daten in einem sogenannten Sustainability Cockpit verständlich dar, damit die Unternehmerinnen und Unternehmer auch danach handeln können. Im Grunde schließen wir die eingangs erwähnte Lücke und sehen uns als Übersetzer zwischen Klimawissenschaft und Businesswelt.
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Wie gehen Sie konkret vor, wenn ein Unternehmen zu Ihnen kommt?
Anna Alex: Als Unternehmen erhalten Sie einen eigenen Account für unsere Software. Wir individualisieren Ihr Profil so, dass es auch zu Ihrem Unternehmen passt. Haben Sie relevante Logistikprozesse oder Produkte, die Sie selbst produzieren? Wie viele Standorte des Unternehmens gibt es? Wie kommen Ihre Mitarbeitenden ins Büro? Das sind alles Sachen, die wir wissen müssen. Denn um den CO2-Fußabdruck berechnen zu können, brauchen wir einen ersten Querschnitt von Daten.
Sie berechnen auch den Arbeitsweg der Mitarbeiter mit ein?
Anna Alex: Ja, das ist Teil des CO2-Fußabdrucks. Die Datenlage und die Datenqualität ist in vielen Unternehmen allerdings sehr unterschiedlich. Der Mittelständler, der vor fünf Jahren mit der Digitalisierung begonnen hat, verfügt natürlich über andere Daten als das Start-up, das in den letzten fünf Jahren massiv gewachsen ist. Hat uns das Unternehmen alle relevanten Daten übermittelt, stellen wir diese in einem Dashboard dar. Dort sieht man dann den Gesamt-CO2-Fußabdruck auf den indirekten und den direkten Fußabdruck heruntergebrochen. Und als Unternehmerin kann ich genau sehen, was aus meiner Logistik kommt, was aus meiner Produktion und auch in welchem Produktionsschritt. Daraufhin kann ich dann eine interne Verantwortlichkeit für den jeweiligen CO2-Fußabdruck und auch für die darauffolgende Reduktion benennen. Ich kann demnach sagen: „Liebe Logistikleiterin, das ist dein CO2-Budget. Für das nächste Jahr ist dieses geringer.“ Diese Verantwortlichkeit ist ein ganz entscheidender Punkt, denn bisher hat CO2 keinen Owner. Es wird einfach in die Luft geblasen, und wir sehen es nicht.
Auf Ihrer Webseite heißt es, Sie entwickeln eine Roadmap. Was bedeutet das?
Anna Alex: Wir verstehen uns als „One-Stop-Shop“. Wir machen zum einen Vorschläge, wie CO2 reduziert werden kann, und identifizieren zum anderen die Hebel, die man schnell zur Reduktion bewegen kann – die „Quick Wins“. Meistens sehen wir dann ein Reduktionspotenzial von 20 bis 30 Prozent. Darüber hinaus ermöglichen wir den Unternehmen, ihre Reduktionen über uns auszugleichen, indem wir Empfehlungen für hochqualitative Kompensationsprojekte aussprechen. In dem Zusammenhang wichtig: Das ist nicht unser Hauptgeschäftsmodell. Kompensation birgt auch eine gewisse Gefahr. Es gibt viele Vorteile und de facto einen Klimaeffekt, aber wir dürfen nicht denken „ich kompensiere, und dann ist alles gut“. Die Reduktion muss im Fokus stehen.
Wie gehen Sie mit Zulieferern um?
Anna Alex: Die Zulieferer sind in den indirekten Emissionen enthalten. Auf die hat das Unternehmen aber natürlich auch Einfluss. Es gibt immer verschiedene Möglichkeiten, diese mit einzubeziehen. Die eine ist, ich involviere meinen Lieferanten. Das machen aber ohnehin bereits viele Unternehmen, um überhaupt an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen zu können. Dort wird es nämlich zunehmend zum Kriterium, seinen CO2-Fußabdruck anzugeben.
Falls die Zulieferer aber keine Daten zur Verfügung stellen, gibt es auch andere Möglichkeiten. Zum Beispiel mit internen Berechnungen auf der Grundlage dessen, was ich wo gekauft habe und was ich dafür ausgegeben habe. Das ist zwar etwas weniger akkurat, gibt aber trotzdem einen guten Überblick.
Gibt es bereits Pläne, wie es mit Planetly weitergehen soll?
Anna Alex: Ich glaube, wir sind in Europa und im internationalen Vergleich gut aufgestellt, wenn es um unser Bewusstsein für unsere Emissionen geht. Sowohl die Endkonsumenten werden sich zunehmend bewusster darüber, was sie konsumieren, als auch die Unternehmen. In anderen Ländern und auf anderen Kontinenten gibt es aber noch sehr viel zu tun, wie zum Beispiel in Amerika. Deshalb und auch weil unser Mutterkonzern OneTrust – eines der am schnellsten wachsenden Softwareunternehmen – dort sitzt, ist das für uns ein großer Fokus. Es ist für uns eine Möglichkeit, unser europäisches Wissen nach Amerika zu exportieren und dort etwas zu bewegen. Denn letztendlich werden die CO2-Budgets zwar auf Länderebene gemanagt, am Ende des Tages ist es jedoch egal, wo auf der Welt eine Tonne CO2 eingespart wird. Das ist nun mal das verbindende Element der Klimakrise.