Hamburg. Der Inhaber der Erlebnisdörfer hat große Expansionspläne, auch im Digitalbereich. Doch bis zum Erdbeerpflück-Roboter dauert es noch.

Robert Dahl ist Inhaber der Karls Erlebnisdörfer, die in den vergangenen Jahrzehnten aus einem Erdbeer-Gut zu Freizeitattraktionen gewachsen sind. Der Umsatz mit Erdbeeren macht nur noch ein Viertel der gesamten Erlöse aus, von einem Bauernhof ist das Karls-Imperium inzwischen weit entfernt.

Viele Hamburger kennen vor allem die Standorte in Warnsdorf an der Lübecker Bucht und in Mecklenburg-Vorpommern. Die Erlebnisdörfer bieten große Hofläden mit Produkten von der Konfitüre bis zum Erdbeersekt, es gibt Bonbonmanufakturen, Traktorfahren, Tiere und sogar Achterbahnen. Doch die Entwicklung geht viel weiter, erzählt der 51-jährige Vater von drei Kindern im Interview über Online-Filme, neue Standorte und kreative Personalsuche.

Hamburger Abendblatt: Die Karls Erlebnisdörfer kennen die Menschen bisher vornehmlich aus dem Norden. Jetzt expandieren Sie weiter?

Robert Dahl: Ja, Unser Ziel ist es, für alle Besucher in Deutschland nur jeweils eine Anfahrt von 90 Minuten zu bieten. Es gibt eine abgefahrene Software, um diese Punkte auf der Karte zu bestimmen. Wir sind auf 15 Standorte gekommen.

Und wie sind Ihre Pläne konkret?

Dahl: Wir haben schon fünf Erlebnisdörfer, drei sind in Planung bzw. im Bau, in Oberhausen, Mittelsachsen und im Landkreis Bayreuth. Also fehlen noch sieben.

Im Norden sind Sie in Warnsdorf bei Lübeck und in Mecklenburg-Vorpommern vertreten. Kommt bald Sylt dazu?

Dahl: Nein (lacht). Wir hatten dort einmal ein Angebot für List, aber das ist zu abgelegen. Wir schauen an der schleswig-holsteinischen Westküste. Dort ist noch Potenzial.

Während der Pandemie haben Sie Ihr Online-Marketing stark ausgebaut, mit Vor­bildern aus China …

Dahl: Ja, wir haben sonst 365 Tage im Jahr geöffnet, und gerade zwischen Weihnachten und Silvester ist normalerweise der Teufel los. Da arbeiten selbst die Leute aus der Verwaltung in den Erlebnisdörfern, ich gerne an der Kaffeebar, weil ich einmal einen Barrista-Kurs gemacht habe. Während des Lockdowns bekamen wir zum Jahreswechsel jedenfalls den üblichen Managementbrief mit den Umsatzzahlen, mit den Vergleichswerten, was wir im Vorjahr und aktuell umgesetzt haben, und dort stand für 2020/2021 praktisch null Euro. Das hat mich geängstigt und ich habe mich gefragt, was wird aus Karls? Dann bin ich auf Lipstick-King gestoßen, den erfolgreichsten Streamer auf Taobao, das heißt auf Deutsch Schatzkiste und ist eine chinesische Verkaufsplattform, die zu Alibaba gehört. Dort kann man direkt während der Liveshow im Internet Produkte bestellen.

Er wurde Ihr Vorbild?

Dahl: Ja, unser Ziel war, auch etwas zu verkaufen, obgleich die Leute nicht zu uns kommen durften. Und schon am 12. Januar hatten wir unsere erste Liveshow. Mit Erik, einem Achterbahnfan, der hier arbeitet, er hat sich richtig reingekniet, um Eriks Rideshow zu machen. Dann hat auch meine Frau Stephanie eine Sendung übernommen, und ich habe in Roberts Manufaktour unsere Manufakturen vorgestellt. Wir planten jeden Abend eine Show, und wollten auf allen Kanälen sein. Dazu haben wir eine Art Kamerabaum gebaut, mit sechs Handys, damit wir auf YouTube, Instagram, TikTok usw. gleichzeitig streamen können, also eine Liveübertragung der Show bewerkstelligen. Es war eine wahnsinnig aufregende Zeit, wir fühlten uns wie kleine Fernsehprofis.

Wie viele Zuschauer haben Sie gewonnen?

Dahl: Jetzt sehen sich unsere Livevideos jeweils zwischen 8000 und 15.000 Besucher an, auf Karls.de. Und wir haben eine klasse Software gefunden, die uns die Arbeit ernorm erleichtert.

Welche?

Dahl: Mit „Restream“ kann man mit einem Handy gleichzeitig auf Instagram, Facebook, TikTok, Twitch und YouTube streamen. Und: Wir haben uns den Starlink von Tesla gekauft, das ist eine kleine Kiste für Satelliteninternet, um von überall her streamen zu können. Damit kann Erik oben auf die Achterbahn gehen, die wir in Rövershagen haben, und kann von dort streamen.

Haben Sie denn Ihr Ziel erreicht, mehr Produkte über das Internet zu verkaufen?

Dahl: Ja, in diesem Jahr werden wir online 15 Millionen Euro Umsatz erreichen. Ein Drittel der Käufer kommt über den Stream. Vor der Pandemie haben wir fünf Millionen Euro übe den Internethandel erlöst.

Und wie entwickelt sich dieser Erfolg im Verhältnis zu den Erlösen in den Dörfern, wo Sie große Hofläden mit Geschenken, Erdbeerprodukten und Accessoires haben?

Dahl: Insgesamt kommen wir mit allen Dörfern, also allem zusammen bei Karls auf einen Umsatz von 150 Millionen Euro, wobei der Verkauf im Internet während der Pandemie wohl seinen Höhepunkt erreicht hatte. Jetzt kommen die Leute wieder gerne zu uns und kaufen vor Ort. Die 50 Millionen Euro Internet-Umsatz, die wir uns während der Pandemie mal vorgenommen hatten, waren wohl zu hoch gegriffen.

Aber Sie bauen Ihr digitales Engagement aktuell noch weiter aus?

Dahl: Ja, im Frühjahr 2023 werden wir eine App mit einer Karls-Plus-Mitgliedschaft vorstellen. Die kostet 3 Euro im Monat, die Leute bekommen dafür freien Eintritt in die Achterbahn und die Eiswelt und profitieren von Rabatten für Getränke. Dazu gibt es Limited Editions, also limitierte Angebote für die Mitglieder, etwa eine besondere Erdbeer-Vanille-Marmelade.

Sie benötigen viel Personal, und das in einer Zeit, wo etwa Gastronomiebetriebe unter Fachkräftemangel leiden. Wie lösen Sie das Problem?

Dahl: Wir haben 1000 festangestellte Beschäftigte und in der Saison 4000 Mitarbeiter, für die Ernte und die Erdbeerverkaufsstände. Meine Schwester Ulrike Dahl leitet den Personalbereich für die Gruppe, mit zwölf Leuten in der Abteilung. Dazu kommen acht weitere Mitarbeiter, die in der Ukraine, in Polen, Rumänien und Kirgisistan mit eigenen Büros Leute für uns suchen. Oft sind dies Studenten, die auch die Sprache lernen wollen. Wir haben dazu Online-Kurse, die die Mitarbeiter per Tablet machen können, in 14 Sprachen. Es gibt also einen Mehrwert für sie, Verdienen und Lernen. Unterstützt werden sie zudem von Arbeitspaten, langjährigen Mitarbeitern, die Ansprechpartner für alle Aushilfen sind. Jeder trägt zudem Namensschilder mit dem Hinweis darauf, welche Sprachen er beherrscht. Meine Schwester Ulrike schafft damit etwas, was momentan als das wohl größte Problem der deutschen Wirtschaft angesehen wird. Mit außergewöhnlichen Methoden dem Personalmangel entgegenzuwirken. Sie schreibt gerade ein Buch darüber. Das wird bald veröffentlicht ...

Viele Hotels bauen bereits eigene Apartments für ihr Personal.

Dahl: Ja, der Schlüssel ist die Unterbringung. Wir planen bei Berlin sogar einen ganzen Karls Campus. Auch bisher haben wir schon Mitarbeiterunterkünfte an allen Standorten, das ist die Grundvoraussetzung. Zum einen haben wir für jeweils zwei Studenten Zimmer mit Jugendherbergsstyle, mit Gemeinschaftsdusche und -küche. Zum anderen gibt es Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern.

Was kosten diese Unterkünfte?

Dahl: Die Mitarbeiter bezahlen 6 Euro pro Quadratmeter für die Wohnungen und 300 Euro im Monat für die Doppelzimmer in den Hostels.

Gleichzeitig experimentieren Sie mit Robotern für die Erdbeerernte – ein sehr innovatives Konzept.

Dahl: Ja, ich war gerade in Holland, um mir dort so etwas anzuschauen. Wir selber entwickeln seit einem Jahr einen Erd­beerpflückroboter. Aber es gibt noch kein Produkt mit Marktreife.

Bei Ihnen kommen die meisten Pflücker aus der Ukraine.

Dahl: Ja, bisher sind 300 Ukrainer für die Ernte angemeldet, normalerweise sind es 1000. In 13 Jahren haben wir mehr als 10.000 ukrainische Studenten hier gehabt, es gibt enge Verbindungen. Wir haben am Sonntag nach Kriegsbeginn eine Ukraine-Collection ins Leben gerufen, mit Seife oder Schokolade in gelb-blau und mit dem Verkauf dieser Produkte schon mehr als 140.000 Euro eingesammelt. Das Geld investieren wir in Hilfsgüter wie Stromaggregate oder Babynahrung und liefern diese dorthin.