Hamburg. Allein der Erdbeerhof Glantz beschäftigt Jahr für Jahr Hunderte Studierende aus dem jetzigen Kriegsgebiet – sie sorgen sich um die Ernte.

Für die Bauern in der Hamburger Region bringt der Krieg in der Ukraine große wirtschaftliche Sorgen, aber auch tiefe menschliche Anteilnahme mit sich. Immerhin arbeiten zahlreiche Frauen und Männer aus dem Land an der Schwarzmeerküste seit Langem auf den Feldern rund um die Hansestadt. Die Spargel- oder die Erdbeerernte, alle Tätigkeiten, die viel Handarbeit erfordern, werden häufig von den Helfern aus dem Osten übernommen.

Allein beim Erdbeeranbieter Glantz arbeiten Jahr für Jahr 450 Ukrainer auf den beiden Höfen in Delingsdorf und Hohen Wieschendorf. Meist sind es Studierende, denn nur für sie ist die Arbeit in Deutschland verwaltungstechnisch relativ einfach. Schließlich profitiert die Ukraine nicht von der Freizügigkeit, die in Ländern der EU gilt. Enno Glantz sorgt sich sehr um die Menschen. Der Inhaber des Erdbeerhofes plant, seine Arbeiterunterkünfte zunächst für geflohene Menschen aus der Region bereitzustellen. „Dieser Plan wurde im Kreis positiv aufgenommen“, sagt Glantz. 150 Plätze könne er anbieten. „Wir stehen bereit, wenn wir helfen können“, ergänzt der Unternehmer.

Landwirtschaft Hamburg: Bauern in Sorge wegen des Ukraine-Kriegs

Helfen will auch der Fruchthof Löscher aus der Region Winsen/Luhe. „Uns beschäftigt das Thema sehr“, berichtet Felix Löscher auf Anfrage des Abendblatts. „Am Freitag fährt bei uns ein Konvoi­ mit Hilfsgütern an die polnisch-ukrainische Grenze und unterstützt die Geflüchteten mit Lebensmitteln und anderen Bedarfsartikeln.“ Löscher organisiert die Hilfe, obgleich auf seinen Feldern am Elbdeich keine Menschen aus der Ukraine arbeiten. Bei Dirk Beckedorf, einem der größten Gemüseproduzenten im Norden, der von seinen Feldern bei Reinbek Abnehmer wie Edeka, Rewe oder Aldi beliefert, arbeiten ebenfalls nur Mitarbeiter aus Polen und Rumänien, berichtet der Landwirt. Er ist insofern bisher nicht von den Auswirkungen des Krieges betroffen.

Anders als Glantz. Im April/Mai werden hier die Helfer auf den Feldern dringend benötigt. „Wir haben große Sorge, dass wir die Ernte nicht einbringen können“, sagt Glantz mit Betroffenheit in der Stimme. „Wir haben Angst, wie jeder sie hat, dass jetzt ein Weltkrieg droht, aber für uns kommt die berufliche Situation noch dazu“, sagt der Unternehmer, der sich an seine eigene Kindheit erinnert. Schließlich war seine Familie in den Kriegswirren gezwungen, den Gutshof in Hohen Wieschendorf bei Wismar zu verlassen und nach Schleswig-Holstein überzusiedeln. „Wir hatten nichts mehr“, sagt Glantz, „saßen auf Apfel­sinenkisten“, berichtet er über seine Erlebnisse aus dem Jahr 1945.

Glanzt: Kontaktaufnahme nur über Social Media möglich

Die Schicksale der Menschen bewegen Glantz. Dazu kommt, dass seine Befürchtungen im Hinblick auf den Betrieb jetzt noch größer sind als während der Hochphase der Pandemie. Schon damals bangten die Bauern, dass die Kräfte aus dem Ausland nicht wie üblich einreisen und arbeiten konnten. Es sei völlig unklar, wie die Situation sich im Frühling entwickele, wenn die meiste Arbeit anfalle, ergänzt der 77-Jährige. Zudem sei es aktuell schwer, Kontakt zu den Menschen aufzunehmen. „Das funktioniert nur noch über Social Media“, sagt Glantz, Mails und Telefongespräche seien praktisch nicht möglich.

Positiv sei allerdings, dass die Frauen und Männer aus der Ukraine als Vertriebene eingestuft werden sollen, sagt Glantz mit Blick auf aktuelle politische Pläne. Auf diese Weise müssen die Menschen nicht erst ein Asylverfahren durchlaufen. Sie können vielmehr einreisen und direkt unkompliziert eine Arbeitserlaubnis bekommen.

Menschen aus der Ukraine: „Sie sind herzlich willkommen“

Diese Einschätzung teilt Carsten Bargmann, Geschäftsführer des Hamburger Bauernverbands. Zwar beschäftigten die Landwirte in der Hansestadt auf ihren Feldern mit Gemüse, Obst und Zierpflanzen vorwiegend Rumänen und Polen. Aber auch Menschen aus der Ukraine­ könnten herkommen und sofort arbeiten, ihre Hilfe werde benötigt. „Sie sind herzlich willkommen“, sagte Bargmann.