Stove/Hamburg. Phillip-Alexander und Diana Knigge leben im Sparkassenbus im Süden. Im Sommer verkaufen sie hier ihre Strandkunst – aus Plastikmüll.

Sie haben sich vor sieben Jahren für ein Leben im Auto entschieden. Ein großes zwar, aber es sind eben doch nur zwölf Quadratmeter Wohnraum: Phillip-Alexander Schubert (49) aus Hamburg und seine Freundin Diana Knigge (47) leben ein „Vanlife“, ein Leben im Campingmobil.

Das hört sich nach Freizeit an, nach Sonne, Sand und Meer und Salz auf der Haut. Das ist nur ein Teil. Jetzt im Sommer sind die beiden in ihrem ausgebauten 30 Jahre alten Mercedes-Benz 814 im Norden, um Geld zu verdienen für ihre Zeit im Süden. Unter anderem mit dem Verkauf ihrer Beachart – Strandkunst aus Plastikmüll.

Neuer Trend: Nomadenleben und Reisen mit dem Campingmobil

Sie renovieren Häuser, sie sitzen im Supermarkt an der Kasse oder arbeiten auf dem Erdbeerfeld. „Wir sind uns für nichts zu schade“, sagt Diana. Und Phillip ergänzt: „Wir sind fleißig und haben noch nie von staatlicher Unterstützung gelebt.“ Dass sie Schmarotzer seien, denken einige über diejenigen, die sich für dieses andere Leben entschieden haben.

Ein Leben mit weniger regelmäßiger Arbeit, dafür mit mehr selbstbestimmter Zeit. Dieser Trend, Wohnung und Besitz aufzugeben und ein Nomadenleben zu führen, mag fast konventionell erscheinen. Jedenfalls erwecken die vielen „Vanlife“-Accounts auf Instagram diesen Eindruck. Die Gründe dafür sind bei allen ähnlich. Diana hatte ein Café in Düsseldorf, Phillip arbeitete beim Film.

Hippie-Leben abseits des hektischen Alltags

„Aber wir haben nur für das Geld gearbeitet, um unsere Kosten decken zu können, aber nicht um zu leben“, sagt Diana. Unzufriedenheit breitete sich aus und das Gefühl und die Erkenntnis, dass sie zu empfindsam seien für den hektischen Alltag in Deutschland. „Wir sind ein bisschen zu soft“, sagt Phillip. Vielleicht aber sind die anderen nicht empfindsam genug. Vielleicht engt das Strenge, Verkniffene manche Menschen mehr ein als andere. Heute ist das anders. Heute führen sie ein Hippie-Leben abseits der Norm, die ihnen nicht guttut.

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Die eine Hälfte des Jahres stehen sie also nun mit ihrem Fahrzeug, eine ehemalige mobile Sparkasse aus Schweinfurt, am liebsten an der Algarve in Portugal. Dann führen sie ein Leben außerhalb des Gewöhnlichen. Und doch geht es auch beim Nomadenleben immer um ein Stück zu Hause, nur kleiner eben: Der 2,35 Meter breite und acht Meter lange Mercedes ist genauso ein gemütliches Heim wie eine Wohnung.

Auf zwölf Quadratmetern quer durch die Welt

Bett, Bad, Küche, Sitzbank, Küchentisch – viel mehr als einen Ort, an dem man sich wohlfühlt mit dem Menschen, den man liebt, scheint es nicht zu brauchen. Größe spielt keine Rolle. In dem Küchen- und Wohnzimmerbereich hinter der Fahrerkabine sind die Scheiben noch aus Panzerglas, ein Überbleibsel aus der Vergangenheit als Bankfiliale.

Was bei solch einem Leben auf Rädern hilft: „Wir haben keine Angst vor dem Unbekannten“, sagt Phillip. „Nichts ist in Stein gemeißelt. Die einzige Kon­stante in unserem Leben ist unsere Beziehung.“ Viel Geld brauchen sie nicht, rund 850 Euro im Monat genügen, und haben doch immer eine Reserve, falls es mal ganz schnell, etwa mit dem Flugzeug, nach Deutschland zurückgehen muss. Etwa im Herbst, als Dianas Vater starb.

Plastikkunst aus dem Meer

Weil das Geldverdienen im sonnigen Süden schwerer ist, verbringt das Paar die Sommermonate hier. Dann geht es nicht um Selbstverwirklichung durch Arbeit, „es zählt einfach nur der Euro“, sagt Diana und lacht. Sie stehen dann wie vor Kurzem auf einem Flohmarkt in Büsum, inmitten von professionellen Kunsthandwerkern, um ihre Plastikkunst aus dem Meer zu verkaufen.

Phillip-Alexander Schubert und Diana Knigge müssen im Sommer in Norddeutschland Geld verdienen: Sie verkaufen unter anderem Kunstwerke aus Plastikmüll aus dem Atlantik.
Phillip-Alexander Schubert und Diana Knigge müssen im Sommer in Norddeutschland Geld verdienen: Sie verkaufen unter anderem Kunstwerke aus Plastikmüll aus dem Atlantik. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Und das kann manchmal ganz schön zäh sein. Denn ihre Beachart – Strandkunst – ist anders. Anders als die vielen schönen Dinge auf solchen Märkten. Bei ihren Objekten, die so lustig und liebevoll durchdacht sind, geht es um den Schutz der Meere. Das haben sie im Laufe der Jahre, die sie überwiegend in Spanien, Portugal oder Frankreich am Meer verbringen, nämlich erfahren müssen: „Überall liegt Plastikmüll, in Frankreich standen wir knietief darin“, erzählt Diana. Das war der Anstoß für ihre Arbeit: Müll sammeln und aus den Plastikfunden wundersame und skurrile Skulpturen schaffen.

Phillip-Alexander Schubert und Diana Knigge machen Strandkunst der anderen Sorte.
Phillip-Alexander Schubert und Diana Knigge machen Strandkunst der anderen Sorte. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Lustige Figuren mit eigenem Charakter aus Plastikmüll

Dabei verarbeiten sie intakte Spielfiguren, die sie im Atlantik finden. So kommen Tim und Struppi zu einem neuen Leben, sie finden Backformen und anderen Plastikmüll. Da gibt es etwa den „Soulsurfer“, eine Figur auf einem Surfboard und einer alten Zitronenpresse. Feste Preise haben ihre Kunstwerke nicht. „Jeder zahlt so viel, wie er mag“, sagt Diana und gibt zu, auf diese Weise nicht wirklich wirtschaftlich zu handeln.

Intakte Spielfiguren, die sie aus dem Atlantik bekommen ein zweites Leben.
Intakte Spielfiguren, die sie aus dem Atlantik bekommen ein zweites Leben. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Aber um das große Geld geht es ihnen nicht. „Wir haben schon viel erreicht, wenn unsere Kunst anregt, beim nächsten Strandspaziergang Plastikmüll aufzusammeln.“ Die Kunst ist lediglich eines von vielen Standbeinen. Neben harter Arbeit hat Phillip – gelernter Florist und irgendwie Alleskönner – auch ein Buch über ihr Nomadenleben geschrieben: „Peace, Shanti und Ahoi. Über die Transformation von Großstadtspacken zu Ökofritten“. Auch mit dem Erlös aus dem Buchverkauf soll ein wenig Geld in die Kasse kommen. Einen gleichnamigen Instagram-Account haben die beiden ebenfalls.

Die Kunst: Auch mit weniger glücklich sein

Statt in Portugal stehen die beiden mit ihrem Wohnmobil und ihrer Hündin Fuzzy (11) in diesen Monaten an wechselnden Orten in Norddeutschland. Immer dort, wo es Arbeit gibt. Büsum, Stove an der Elbe, Mölln und Hamburg. „Wer dieses Leben nicht finanziert bekommt, muss es lassen“, sagt Phillip, der aus einem wohlhabenden Zuhause stammt, der in bester Lage an der Alster gelebt, das Johanneum besucht hat.

Und der doch glücklicher mit wenig ist. „Wir haben gelernt, unsere Ansprüche herunterzuschrauben und auch einmal warten zu können.“ Auf ihren Ofen für ihr Zuhause zum Beispiel. Dieser kostet noch zu viel und kann nicht einfach mal schnell gekauft werden. „Dinge dauern“, so Phillip. „Wir vermissen nichts“, sagen die beiden.

Beachart finanziert die Reisen mit dem Campingmobil

Wer die Strandkunst sehen und kaufen und mit Diana und Phillip ins Gespräch kommen möchte, hat am Sonnabend, 7. Mai, Gelegenheit. Dann stehen sie mit einem Stand auf dem Flohmarkt im Goldbekhaus. Auch im Saltwater-Shop in der Schanze werden sie demnächst eine Lesung halten.
Termin unter saltwatershopkaroviertel.business.site