Hamburg. 32-jähriger Hamburger bekam mehrfach Gelder ausgezahlt – zu Unrecht. Staatsanwalt: “Das ist schon ziemlich abgebrüht.“

Ein wenig erschien es ihm wohl wie ein unerschöpflicher Selbstbedienungsladen. Wenn das Geld knapp wurde, wusste Ali B., wie er sich Nachschub beschaffen konnte. Einfach einen Antrag auf Corona-Soforthilfe ausfüllen, auf den Weg bringen – und es dauerte nicht lange, bis Tausende Euro auf seinem Konto eingingen. Der 32-Jährige hat mehrfach zugelangt. Und vor allem: Er hat die öffentlichen Gelder, mit denen der Bund jenen helfen wollte, die durch Corona in eine finanzielle Notlage geraten waren, zu Unrecht kassiert.

Prozess Hamburg: Betrug mit Corona-Soforthilfe

Es war die Zeit, als das Corona-Virus vom Frühjahr 2020 an das öffentliche Leben fast völlig lahm legte, als beispielsweise Gaststätten und viele Geschäfte schließen mussten, als Selbstständige und zahlreiche Betriebe kaum noch oder gar keine Einnahmen mehr hatten. Soforthilfen wurden unbürokratisch bewilligt. Das war so gewollt. Es sollte schnell gehen, und es sollte für die Antragsteller nicht zu kompliziert sein, an das Geld zu kommen. Vorausgesetzt, derjenige war berechtigt, die finanzielle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Jetzt sitzt Ali B. auf der Anklagebank vor dem Schöffengericht und gibt unumwunden zu, dass er sich schuldig gemacht hat. Mehrfach hat der 32-Jährige im Frühjahr 2020 Corona-Soforthilfe beantragt und ausgezahlt bekommen – obwohl er das Geld gar nicht hätte erhalten dürfen. Laut Anklage waren es insgesamt fast 50.000 Euro, die er kassierte, nachdem er erst auf seinen Namen und dann auf den eines Bekannten die Anträge stellte. Er hatte schlicht behauptet, in den Jahren zuvor bestimmte Umsätze erzielt zu haben, aus denen sich nun ein Anrecht auf staatliche Leistungen ergäben. Den Ermittlungen zufolge beließ es der Hamburger nicht dabei, Betrug mit Corona-Geldern zu begehen. Demnach kassierte er des weiteren bereits im Jahr 2019 zu Unrecht 3400 Euro an Sozialleistungen. Schließlich soll er im Juni 2020 als Finanzbuchhalter bei einer Firma Überweisungen vom Geschäftskonto auf sein Privatkonto vorgenommen und damit fast 20.000 Euro veruntreut haben.

Prozess Hamburg: Betrug – Mann kassiert fast 50.000 Euro Corona-Soforthilfe

Es ist wahr, dass Ali B. Geldsorgen hatte. Doch die resultierten seinerzeit mitnichten aus den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise– sondern aus seinen Süchten. Schon als Jugendlicher habe er mit dem Trinken begonnen, erzählt der Angeklagte, ein schmaler Mann mit Bart und Brille. Wenig später kam der Drang hinzu, regelmäßig im Casino zu zocken. Seine Sucht wurde zum Fass ohne Boden, sowohl das Glücksspiel als auch die Alkoholabhängigkeit. Ein psychiatrischer Sachverständiger hat dem Angeklagten bescheinigt, dass seine Sucht Krankheitswert im Sinne einer Persönlichkeitsstörung habe.

„Spielen, trinken, auskatern“, das sei damals seine Beschäftigung gewesen, erzählt der gelernte Finanzbuchhalter. Der Grund für sein unstetes Leben sei gewesen, dass er schon als Jugendlicher gespürt habe, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte. Er habe seine Homosexualität aber insbesondere vor seiner Familie verschweigen müssen, weil diese das nicht akzeptiert hätte. Erst vor zwei Jahren habe er sich geoutet. Seitdem habe sich sein Leben stabilisiert. Er sei trocken, in einer festen Beziehung, befinde sich wegen seiner Spielsucht seit Langem in Therapie und habe mittlerweile als selbstständiger Personalberater ein gutes Einkommen.

Diese positive Entwicklung, argumentiert der Verteidiger von Ali B., solle doch zusammen mit dem umfassenden Geständnis vor Gericht angemessen gewürdigt werden. Sprich: Ob für den 32-Jährigen nicht eine Bewährungsstrafe herauskommen könne? Der Anwalt spricht von einer „Teufelsspirale“, aus der sich sein Mandant befreit habe. „Er ist gerade dabei, den Durchbruch zu schaffen.“

Ali B. stand schon öfter vor Gericht

Es mag sein, dass Ali B. tatsächlich auf einem sehr guten Weg ist. Allerdings hat der 32-Jährige in der Vergangenheit schon vielfach vor Gericht Chancen bekommen – und sie krachend vergeigt. Dreimal wurde er bereits zu Bewährungsstrafen verurteilt und danach wieder straffällig. Der Vorsitzende des Schöffengerichts bilanziert aus der Vita des Angeklagten: Es gab beispielsweise im Februar 2020 eine Haftstrafe zur Bewährung, und keine zwei Monate später beging Ali B. den ersten Betrug mit den Corona-Soforthilfen.

Berücksichtigt werden müsse zudem der relativ hohe Gesamtschaden, den der Angeklagte durch Betrug und Untreue verursacht habe, immerhin mehr als 72.800 Euro. Keinen guten Eindruck mache zudem, dass Ali B. nach eigenem Bekunden mittlerweile rund 5500 Euro netto monatlich verdient, aber noch keinen Cent an seine Schuldner zurückgezahlt hat.

Auch der Staatsanwalt erklärt, er sehe keine Möglichkeiten für eine Bewährungsstrafe. Schließlich habe der Angeklagte nicht nur einmal, sondern mehrfach Corona-Soforthilfen beantragt. „Das spricht für eine hohe kriminelle Energie. Das ist schon ziemlich abgebrüht.“ Bemerkenswert sei zudem, was der Bundesgerichtshof über den Betrug mit Corona-Soforthilfen gesagt habe. Demnach sei dieser „absolut sozialschädlich, weil die Täter eine nationale Notlage ausgenutzt haben“. Der Prozess wird fortgesetzt.